Der Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten die Wasserstände an den Küsten steigen lassen. Die Prognosen der Wissenschaftler des Weltklimarates IPCC sehen bei gegen Ende des Jahrhunderts pro Jahr einen Anstieg von 10 bis 20 Millimeter pro Jahr vor. Das ist in etwa das Vierfache gegenüber dem aktuellen Anstieg.
So könnte auch an den deutschen Küsten ein Anstieg zwischen 60 Zentimetern bis zu 1,4 Meter möglich sein. Neben den Häfen ist davon auch der Nord-Ostsee-Kanal betroffen. Die Schleusen in Kiel und Brunsbüttel sollen angepasst werden.
Für den Kanal droht die Problematik, anders als beim Panamakanal, auch durch die Zuflüsse. Zwischen Brunsbüttel und Kiel fließen 27 Wasserläufe in den Nord-Ostsee-Kanal, davon 17 zwischen Rendsburg und Brunsbüttel. Der Anstieg der Meeresspiegel könnte dem Nord-Ostsee-Kanal deshalb gleich doppelt gefährlich werden.
Drückt zu viel Wasser von den Zuflüssen in den Kanal, steigt der Wasserspiegel hier schneller als er abgeführt werden kann. Das ist gerade im Winterhalbjahr regelmäßig der Fall, wenn Starkregen die Schneefälle aus früherer Zeit abgelöst hat. Drücken dann gleichzeitig Sturmfluten von außen gegen die Schleusen in Brunsbüttel und Kiel kommt es zu der Situation, dass der Schiffsverkehr eingestellt werden muss.
Der Wasserstand darf im Kanal maximal 30 bis 50 Zentimeter steigen. Steigt er stärker, treten zwei Probleme auf. Die Autofähren an den Querungen können nicht mehr an die Rampen kommen.
Das nächste Problem kommt bei der Höhe. Die Mastenhöhe für die Schifffahrt erlaubt bei normalen Pegelständen 40 Meter über der Wasseroberfläche. Wird es mehr, wird die erlaubte Höhe für die Schiffe reduziert. Das betrifft auch die Kreuzfahrtschiffe, die zum Teil alle dicht an die 40 Meter herankommen. Die Balmoral, Amera und die Viking-Schiffe haben dafür bereits umklappbare Masten.
Schon aktuell kommt bei starken Regenfällen zeitweise zu Sperrungen der Wasserstraße, damit die Schleusen in Brunsbüttel zur Entwässerung genutzt werden können. Brunsbüttel bietet während der Niedrigwasserphasen in der Elbe genügen Pegelunterschied für eine starke Entwässerung des Kanals.
Der steigende Meeresspiegel hätte deshalb auch an der Westseite des Nord-Ostsee-Kanals bei Brunsbüttel größere Auswirkungen als an der Ostseite in Kiel. „Das liegt an den Gezeiten. Und die Sturmfluten sind an der Nordsee auch etwas höher als an der Ostsee“, so Sprecher Fischer weiter.
In Brunsbüttel beträgt der Gezeitenunterschied zwischen Flut und Ebbe 3,6 bis 3,9 Meter. In der Ostsee gibt es dagegen nur minimale Gezeitenunterschiede von wenigen Zentimetern am Tag.
Der Fokus liegt deshalb auf der Erhöhung der Schleusen-Bauwerke in Brunsbüttel. „Wir sind in Brunsbüttel schon ganz gut davor. Hier müssen noch ein paar Längsdeiche angepasst werden, die im Bereich der Schleusen sind“, so Thomas Fischer, Sprecher des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Nord-Ostsee-Kanal.
In Kiel stehen die großen Bauvorhaben erst noch bevor. Der Ersatzbau der kleinen Schleusen und die Grundinstandsetzung der großen Schleusen sind in Planung. Auch hier spielen die bislang absehbaren Folgen des Klimawandels eine Rolle. Das hat seinen Preis: Die prognostizierten Kosten für den Bau der Schleusen im Nord-Ostsee-Kanal stiegen von den kalkulierten 250 Millionen auf inzwischen etwa 624 Millionen Euro.
Dabei sind die zusätzlichen Lasten infolge des ansteigenden Meeresspiegels berücksichtigt, teilt WNA-Sprecher Jirka Niklas Menke auf Anfrage mit. Zunächst gehe man von einem Anstieg des Wasserstands der Ostsee um 50 Zentimeter aus.
Sollte der Meeresspiegel stärker als befürchtet steigen, könnten weitere Bauarbeiten nötig sein. In einer zweiten Stufe könnten dann Schleusentore aufgestockt werden. „Hierzu wird der Ersatzneubau schon jetzt in Statik und Konstruktion so ausgestattet, dass die Schleusenmauern und die Schleusentore zu einem späteren Zeitpunkt erhöht werden können“, so Menke.
Auch bei den Planungen zur Grundinstandsetzung der großen Schleuse in Kiel-Holtenau ab 2030 wird der erwartete Anstieg des Meeresspiegels berücksichtigt. Reserven werden eingeplant.
In den Niederlanden ist man weiter. Die neuen Schleusenkammern in IJmuiden bei Amsterdam und Terneuzen an der Schelde sind für einen Anstieg des Wasserspiegels um mehr als einen Meter ausgelegt. Außerdem wurden Sperrwerke an fast allen Flussmündungen gebaut. FB