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Nummer eins

Die „Ariadne“ war eines der ersten Schiffe einer deutschen Reederei, das nach dem Zweiten Weltkrieg von Hamburg aus wieder regelmäßige Kreuzfahrten unternahm

Anfangs ging fast alles schief. Als die von HAPAG aus dem Besitz einer schwedischen Reederei angekaufte Ariadne am 1. Februar 1958 auf ihre erste Reise für die Hamburger gehen sollte, kam es zu drastischen Verzögerungen. Hamburg und die Elbe waren fast geschlossen, ein undurchdringlicher Nebel hielt die Stadt 50 Stunden lang gefangen. Die Passagiere waren bereits an Bord, die meisten besichtigten das Schiff, das die HAPAG in ihre Flotte aufgenommen hatte. Einige Besatzungsmitglieder hingegen waren mit der Verpflegung nicht zufrieden und verließen das Schiff wieder. Die Stimmung war nicht gut, aber Otto Wachs, Vorstand der damaligen HAPAG, hielt eine Festrede, die Optimismus verstreuen sollte.

Es ging dann doch auf die erste Fahrt, eine Reise von 21 Tagen über Dover, Boulogne, Lissabon, Las Palmas, Conakry in Guinea, Freetown in Sierra Leone, Dakar und Casablanca nach Genua. 250 Passagiere und 205 Besatzungsmitglieder befanden sich an Bord. Der Mindestpreis in der Dreibett-Innenkabine betrug 1350 Mark, für die Suite auf dem Promenadendeck mit Wohn- und Schlafzimmer, Bad, WC und Kofferraum 6000 Mark. Zum Vergleich: Ein Arbeiter in der Industrie erhielt im Monat einen Lohn von knapp 400 Mark, eine Kreuzfahrt war damals noch ein sehr teures Vergnügen, aber umso mehr ein großes Erlebnis.

Das alles geschah während der Beratungen des Bundestages in Bonn in der Ägide des Kanzlers Konrad Adenauer. Die deutschen Reedereien wollten eine nationale Passagierflotte aufbauen, sie hatten erkannt, dass in der Nachkriegszeit Seereisen wieder populär wurden. Doch Bonn stellte sich stur. Deshalb hatte HAPAG-Chef Wachs in seiner Rede vor dem Ariadne-Start gefordert, es müsse staatliche Subventionen für die Kreuzfahrt geben, weil der Konkurrent Flugverkehr immer mehr an Bedeutung gewann. Er erklärte, dass HAPAG mit diesem Schiff Personal schulen wollte, um sich den gestiegenen Anforderungen der Kreuzfahrt anzupassen, die Flotte zügig zu erweitern und Gewinne einzufahren. Aber flüssiges Geld für Ankauf und Umbau der Schiffe wollte die Bundesregierung dennoch nicht geben, Wirtschaftswunder hin oder her.

Der spätere HAPAG-Generaldirektor (ab 1899) Albert Ballin hatte ab 1891 bereits eine andere Ariadne für seine zwei Jahre zuvor für den Seebäder-Dienst nach Helgoland und Sylt gegründete Ballins Dampfschiff-Rhederei eingesetzt. Dabei handelte es sich um einen 1889 in Schottland als Lady Gwendoline erbauten 339-BRT-Seitenraddampfer, den er von der in Cardiff ansässigen Reederei Edwards, Robertson &Co. erworben hatte. Das 64,25 m lange und für 500 Passagiere ausgelegte 14-kn-Schiff pendelte von Hamburg und Cuxhaven nach den Nordseeinseln, bis es am 27.8.1895 von der HAPAG angekauft und als Tender nach Cherbourg verlegt wurde. Es fiel im Ersten Weltkrieg an Frankreich, wurde nie wieder zurückgegeben und sein Schicksal ist nach mehreren Eigner- und Flaggenwechseln unbekannt; es wurde vermutlich 1926 in Istanbul abgewrackt. Doch diesen Schub von damals wollte man wieder in Gang bringen. Erst 1970 kam es wirklich dazu, nachdem die HAPAG mit dem Norddeutschen Lloyd fusionierte, zu dem die Kreuzfahrtschiffe Bremen und Europa gehörten.

Foto: Sammlung JSA

Die Ariadne war 1951 von der Bauwerft Swan, Hunter & Wigham Richardson Ltd., im britischen Newcastle als Fahrgastschiff als Baunummer 1884 an die schwedische Reederei Svenska Lloyd in Göteborg geliefert und auf den Namen Patricia getauft worden. 1956 kaufte die HAPAG das Schiff für 18 Millionen D-Mark. Im Oktober 1957 kam es zur Werft Blohm & Voss in Hamburg, wurde umgebaut und am 31. Januar 1958 der HAPAG übergeben. Es war 138,90 Meter lang, 17,68 Meter breit und mit 7764 BRT vermessen. Seine Dampfturbine mit Parson-Getriebe und zwei Wasserrohrkesseln brachte eine Leistung von 8650 PS und sorgte über einen Propeller für eine Geschwindigkeit von 18,5 kn. Es waren ein Promenadendeck und ein Freiborddeck errichtet worden, der Umbau kostete 8 Millionen D-Mark. Das Schiff hieß jetzt Ariadne und galt als modernes und prächtiges Luxusschiff.

Der Stolz der Ariadne war ihre modern-mondäne Einrichtung. Es gab Gesellschaftsräume, Klimaanlage, Swimmingpool und Deckstühle, sämtliche Kabinen hatten Duschbäder und die Suiten ein Privatbad. Als Vorzeigeschiff war die Ariadne im internen Kampf der Kreuzfahrtbranche der Konkurrenz anderen Reedereien voraus. Aber nur für einige Jahre. Beliebt waren 14-tägige Reisen in die Fjorde Norwegens, zum Nordkap, nach Spitzbergen, Island und an den Polarkreis. Im Mittelmeer ging es in die griechische Inselwelt, nach Genua, Port Said, Beirut und Nordafrika, aber auch durch den Bosporus ins Schwarze Meer und nach Lissabon. Die Passagiere empfanden das als Privileg, in diese Regionen kam man damals nicht so ohne weiteres.

Rolf Seelmann-Eggebert, heute ein betagter Spezialist für den Adel, war im Alter von 20 Jahren auf der Ariadne. Er war voll des Lobes, auf diesem Weg zu „exotischen Destinationen“ gekommen zu sein und erinnerte sich, dass sich viele Türken zur Ankunft des Schiffs in Istanbul versammelt hatten und es bestaunten. Der Luxus war vor allem das Verhältnis von Passagier und Crew-Mitglied: 1,2:1.

Allerdings stellte sich bald heraus, dass der Aufwand zu groß war – so viele wohlhabende Passagiere, die die Preise bezahlen konnten, gab es in der alten Bundesrepublik noch nicht. Die Verluste der Reederei steigerten sich schnell, schließlich musste HAPAG im November 1960 die Ariadne abstoßen. Sie ging für 15 Millionen D-Mark an die Eastern Steamship Line der amerikanischen McCormick Shipping-Gruppe und wurde dort von Miami aus für Kreuzfahrten in der Karibik eingesetzt.

Foto: Sammlung JSA

Glanz und Gloria der Ariadne waren schnell dahin. Denn bald darauf kam es zu einer Odyssee immer neuer Besitzer. Das im Mai 1961 an den in Jacksonville ansässigen Supermarktketten-Inhaber W.R.Lovett verkaufte Schiff fuhr dann unter der Flagge Liberias, wurde 1969 für die Ares Shipping Corporation registriert und wechselte in den 1970er Jahren vier Mal den Eigentümer, darunter Chandris und die Gotaas-Larsen-Gruppe, wobei der Name Adriadne bis 1972 beibehalten wurde. 1989 übernahm die Nios Maritime Company in Limassol das zwischenzeitlich mehrfach umgebaute, umbenannte und auch als Wohnschiff genutzte Schiff, fortan hieß es Empress Katharina und war im östlichen Mittelmeer unterwegs. Es folgten weitere Verkäufe 1995 und zuletzt 1997 an die in St. Vincent ansässige Thanfil Shipping & Trading S.A., bis das von ihr noch einmal in Empress 65 umbenannte Schiff am 18. Dezember 1997 zum Abbruch am Strand im indischen Alang eintraf.

Roland Mischke