Die Mathias-Thesen-Werft in Wismar war zu DDR-Zeiten bekannt für ihre robusten Schiffe. 1984 bekam die Werft deshalb den Auftrag zum Bau der größten Eisenbahnfährschiffe der Welt, den Typ EGF 321. Wie robust diese Schiffe sind, sieht man noch heute. Vier der fünf bis zur Wende fertiggestellten Fähren fahren heute noch.
Das exotischste Einsatzgebiet hat dabei die Klaypeda erwischt, die im Juli 1987 in Wismar in Dienst gestellt wurde. Sie fährt heute unter dem Namen Aziz Express unter saudischer Flagge im Roten Meer und verbindet die Häfen Jeddah und Digna. Damit gehört sie zu den wenigen Fähren in Saudi-Arabien.
Bis zu drei Rundfahrten Jeddah-Digna absolviert das 190 Mete lange Schiff für die Namma Lines pro Woche. Ladungsarten sind überwiegend Lastwagen mit Baumaterial und Lebensmittel für den Sudan. Auch Hilfsgüter werden transportiert. Es werden aber auch Passagiere befördert.
Der Bau dieser Schiffe und die Planung der Eisenbahnlinie von Mukran auf Rügen und dem litauischen Klaipeda geht auf die Ereignisse im Sommer 1980 in Polen zurück. Die Streikwelle und die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc hatten in der damaligen Militärführung der Sowjetunion Sorgen über die Versorgung ihrer in der DDR stationierten Truppen aufkommen lassen.

Mit der DDR-Staatsreederei DSR und der Reichsbahn der DDR wurde deshalb nach einer Lösung gesucht, wie die Versorgung der sowjetischen Truppen per Bahn auch bei einem Ausfall des Transits durch Polen sichergestellt werden konnte.
Der Bau des Eisenbahnhafens Mukran begann und wurde 1986 abgeschlossen. Die DSR bekam im August 1986 das Typschiff der neuen Klasse von Eisenbahnfähren. Es war die Mukran. Bis 1991 sollten dann die Schwestern Klaypeda, Greifswald, Vilnius, Kaunas und Wismar folgen.
Die Wismar wurde noch im Bau 1990 in Wismar wieder abgebrochen. Die anderen fünf Schiffe kamen aber alle in Fahrt. Nach dem Abzug der letzten russischen Truppen 1994 aus Ostdeutschland gab es auf der Linie nicht mehr genug Ladung für fünf Schiffe. Eisenbahnladung war ohnehin weniger geworden.
Die drei sowjetischen Fähren Klaypeda, Kaunas und Vilnius wurden im Zuge der Unabhängigkeit Litauens Teil der Lithuanian Shipping Company (LISCO). Aus Klaypeda wurde dabei die Klaipeda.
Die LISCO schaute sich sofort nach neuen Einsatzgebieten um. Dabei landete die Reederei 1993 in Kiel und eröffnete hier die neue Linie nach Klaipeda. Zeitweise fuhren alle fünf Eisenbahnfähren als Lkw-Fähren auf der Route Kiel-Klaipeda.
Da die Schiffe nur geringe Passagierkapazitäten hatten und die Decks wegen der Eisenbahnaufgabe zu schwer und zu hoch waren, wurden sie nach der Jahrtausendwende nach und nach durch moderne RoPax-Fähren abgelöst. Mit der Übernahme der LISCO durch die dänische Reederei DFDS endete die Ära der EGF 321 in der Ostsee.
Das Typschiff Mukran wurde 2021 in Indien als erste Einheit verschrottet. Die Kaunas, Vilnius und Greifswald wechselten ins Schwarze Meer, wo es noch Eisenbahnfähren gibt. Wegen des Ukraine-Kriegs wurde die Vilnius inzwischen in den Fährverkehr zwischen Spanien und Marokko in die Straße von Gibraltar verlegt.
Die Klaipeda fuhr zweitweise in der Irischen See, im Ärmelkanal und dann im Mittelmeer. Dort landete sie wegen ihrer robusten Bauweise auch zeitweise im Fährverkehr nach Libyen. Schließlich landete sie nach längeren Liegezeiten 2018 im Roten Meer und wurde dort Teil der ägyptischen Namma Lines, die die Fähre für eine saudische Tochter in Betrieb nahm.
Die Passagierkapazität der Fähre war bereits von der Reederei Lisco für den Einsatz als RoPax-Fähre auf Mukran-Klaipeda von 12 auf 330 Personen erhöht worden. Ein Teil des alten Aufbaus wurde dafür umgebaut. Diese Ära endete für die Klaipeda aber 2006.
Auf der Fährlinie Jeddah-Digna ist die Aziz Express nicht die einzige Fähre mit DDR-Vergangenheit. Die DSR-Frachtfähre Beerberg fährt dort heute als Dorrat Jeddah ebenfalls. FB