Bei dem Bonner Veranstalter Phoenix Reisen war man sich immer ganz sicher, im Jahr 2023 den 50. Geburtstag des klassischen Ozeanliners Albatros mit zahlreichen Jubiläumsreisen und Events gemeinsam mit Stammgästen und Oldie-Liebhabern feiern zu können. Zur Überraschung zahlreicher Branchen-Insider und Fans des beliebten Schiffes gab die – wie die gesamte Kreuzfahrtwelt – von den Auswirkungen der weltweiten Covid-19-Pandemie gebeutelte Reederei am 8. Oktober das vorzeitige Ausscheiden der „Weißen Lady“ aus der Flotte bekannt:
Mit Wirkung vom 20. Oktober 2020 wurde der beliebte Klassiker an Kamel Abou-Aly, Chairman der Pick Albatros-Gruppe, verkauft. Sie verfügt allein in Ägypten über mehr als 15 Hotels und arbeitet seit mehr als 25 Jahren partnerschaftlich mit Phoenix Reisen zusammen. Abou-Aly wird die Albatros künftig unter neuem Namen als Hotel- und Eventschiff im Roten Meer betreiben, wobei die in Bonn ansässige Phoenix Reisen GmbH das Schiff ihren Gästen auch künftig im Rahmen des Hotelprogramms in ihrem Orient-Katalog anbieten kann. Dafür wird die Albatros, die gestern Nachmittag (Freitag) nach fast 12-stündiger Reise vom Aufliegehafen Emden kommend in Bremen eintraf, am Wochenende zunächst an die Columbuskaje des CCCB in Bremerhaven verholen, von wo aus sie am 19. Oktober nach einem wohl emotionalen Abschied und Flaggenwechsel zur Überführungsreise Kurs auf Ägypten nehmen wird.
Seit der 2004 erfolgten Eincharterung des für die Albatros Shipping Ltd. in Nassau/Bahamas registrierten und von der BSM Cruise Services bereederten Schiffes durch Phoenix Reisen hat das 28 518-BRZ-Schiff, das max. 812 Gäste in 442 Kabinen und 340 Besatzungsmitglieder unterbringen kann, insgesamt neun Weltreisen und vier Kontinent-Umrundungen in den Wintermonaten sowie zahlreiche Sommerkreuzfahrten in europäischen Gewässern absolviert. Dabei konnte es nicht nur durch seine klassische Bauweise mit weitläufigen Decks und Promenaden, sondern vor allem durch die Freundlichkeit der Crew und die gemütlich und entspannte Atmosphäre an Bord, schnell einen großen Repeater- und Fan-Kreis gewinnen. Schon bei der 1973 erfolgten Ablieferung des von der Werft als Bau-Nr: 397 als dritte Einheit der Royal Viking Star-Klasse unter dem Namen Royal Viking Sea für die Royal Viking Line erstellten Schiffes wurden die Unterschiede zu vielen anderen Kreuzfahrtschiffen jener Zeit deutlich. Das Hauptrestaurant war nicht auf einem der unteren Decks angeordnet und verfügte über große Fenster, der im vorderen Rumpfbereich angeordnete großräumige Kino- und Showsaal reichte über zwei Decks. Es gab eine große verglaste Lounge oberhalb der Brücke und überproportional viele großzügig geschnittene und komfortable Suiten an Bord. Bei der 1983 bei der AG Weser in Bremen erfolgten Verlängerung des 205,46 m langen, 25,22 m breiten und 7,5 m tiefgehenden Schiffes, erhielt es dabei auch erstmals neun Balkonsuiten. Nach der ersten Saison bei Phoenix Reisen, wo sie 2003 die kurz zuvor ausgemusterte Albatros ex-Sylvana (Bj. 1957) ersetzt hatte, erfolgte Ende 2005 ein weiterer grösserer Umbau bei Blohm + Voss. Bei dem nicht nur die Maschinenanlage ausgetauscht wurde, sondern auch fast alle öffentlichen Bereiche neu gestaltet wurden. Mit seinem dieselmechanischen Antrieb durch vier Wärtsilä-Diesel mit einer Gesamtleistung von 15840 kW soll eine Maximalgeschwindigkeit von 22 kn ermöglicht werden.
Zweimal in seiner wechselvollen Geschichte geriet das Schiff, das zwischen 1986 und 2004 immer wieder den Eigner und Namen wechselte – u.a. Royal Odyssey, Norwegian Star und Crown – durch geglückte Rettungsaktionen in die Schlagzeilen. 1983 konnten 151 Menschen des gesunkenen indischen Fährschiffes Dojo vor der Küste von Celebes gerettet werden. 2017 gelang es Kapitän Robert Fronenbroek und seiner Crew sechs Fischer von ihrem vor der Küste Tongas sinkenden Boot abzubergen. Einer größeren Öffentlichkeit wurde die Albatros auch Hauptprotagonistin in zahlreichen Folgen der ARD-Dokuserie „Verrückt nach Meer“ bekannt. JPM