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„Richmond“ nach Taufe auf Probefahrt: Erste Binnenfähre Europas mit Gasmotorantrieb

Die Taufe fand am 17. Juni mit einem Festakt auf dem Gelände des Fährhafens in Konstanz-Staad statt. Mit fast dreijähriger Verspätung ist die von gleich zwei männlichen Paten, dem evangelischen Pfarrer Tibor Nagy aus Markdorf und dem katholischen Pfarrer Thomas Mitzkus aus Konstanz, getaufte Richmond endlich als erste Binnenfähre in Europa mit Gasmotorantrieb zu Probefahrten auf dem Bodensee unterwegs.

„Dieses Schiff hat bereits vor der Inbetriebnahme seine Hochseetauglichkeit unter Beweis gestellt: trotz Insolvenz der beauftragten Bauwerft, massiven Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sowie vollständig gestörten Lieferketten nach Ausbruch des Ukraine-Krieges ist es jetzt auf der Zielgeraden und kann in Kürze in Betrieb genommen werden“, freut sich Dr. Norbert Reuter, Geschäftsführer der Konstanzer Stadtwerke, über den Zulauf des jüngsten Mitgliedes der Stadtwerke-Flotte.

Nach der Insolvenz der ursprünglich beauftragten Pella Sietas Werft konnten die Stadtwerke Konstanz das bereits 2018 zur Lieferung 2020 bestellte Fährschiff seit März 2022 gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Technolog Services in Eigenregie trotz der zahlreichen Herausforderungen fertigstellen.

Das Projekt bot zahlreiche Herausforderungen: Zum einen handelt es sich um ein technisch äußerst komplexes Pilotprojekt, zum anderen kamen mit zunehmendem Baufortschritt immer mehr Baumängel der ehemaligen Bauwerft zu Tage. Auswirkungen hatten auch die Preissteigerungen für Aluminium und Edelstahl, so dass sich die mit 18 Mio. Euro kalkulierten Kosten auf rund 27,5 Millionen Euro erhöhten.

Der Bau des Schiffes wurde im Rahmen der Umsetzung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung (MKS) mit insgesamt 1.777.071,40 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.

Angetrieben wird die 82,5 m lange, 13,4 m breite und 400 t tragende Auto- und Passagierfähre, die Platz für 700 Passagiere und 64 Pkw bietet, von zwei schnelllaufenden 8-Zylinder mtu-Gasmotoren der Baureihe 4000 von Rolls-Royce mit jeweils 746 Kilowatt Leistung, die auf Voith-Schneider-Propeller arbeiten.

Die Richmond ähnelt den anderen fünf Fähren der Stadtwerke Konstanz, die rund um die Uhr zwischen Meersburg und Konstanz pendeln, die von mtu-Dieselmotoren angetrieben werden . Ein sichtbarer Unterschied ist der acht Meter hohe Ventilationsmast, der Teil der Sicherheitsausstattung der neuen LNG-Fähre ist. Außerdem wurden die Schiffslinien optimiert, um den Schiffswiderstand zu reduzieren und so weniger Energie für den Vortrieb aufwenden zu müssen.

Aufträge für Ausrüstung von 11 Schiffen mit mtu-Gasmotoren

Schon die ersten Testfahrten mit den mtu-Gasmotoren haben die Verantwortlichen der Reederei auch wegen ihrer besonders ruhigen Laufkultur erfreut. Nach Herstellerangaben unterschreitet der durch seine Geräusch- und Vibrationsarmut auszeichnende neue Antrieb für Schlepper, Fähren, Schubboote und Spezialschiffe die Stickoxid-Grenzwerte der aktuellen IMO III-Emissionsrichtlinie liegt auch ohne Abgasnachbehandlung und die Partikelmasse unter der Nachweisgrenze.

Bekanntlich sind auf der Nordsee im Naturschutzgebiet Wattenmeer bereits seit 2021 bereits zwei Katamarane der Reederei Doeksen mit neuen 16-Zylinder-mtu-Gasmotoren zur Zufriedenheit von Betreibern und Fahrgästen in Betrieb.

Inzwischen hat der Geschäftsbereich Power Systems von Rolls-Royce Aufträge für mtu-Gasmotoren als Antriebssysteme und Bordstromaggregate für insgesamt elf Schiffe in Europa und Singapur erhalten – darunter Fähren, Schlepper und Behördenschiffe. Die Hochschule Flensburg nutzt die Vorteile dieses Motors für ein Energiewende-Forschungsprojekt. JPM