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Schiff mit Nase

Die RMS Strathaird war einst ein hochmoderner Ozeandampfer.

Der Autor und Journalist Egon Kisch (1885-1948) war der „rasende Reporter“. Er war nicht zimperlich, wenn er für seine Reportagen unterwegs war, und er legte weite Strecken zurück. Im November 1934 war der Journalist an Bord der Strathaird auf der Fahrt nach Australien, dort sollte er auf einem Antikriegskongress sprechen. Im Hafen von Fremantle an der Westküste Australiens wurde dem Kisch auf der Gangway verboten, das Land zu betreten. Obwohl er ein gültiges Visum besaß. Er galt bei den Behörden als Kommunist und wurde zur unerwünschten Person erklärt.

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Auf der Weiterfahrt nach Melbourne kam ihm eine kühne Idee. Er sprang von der Reling des Schiffes aus fast sechs Meter Höhe auf die Pier, brach sich dabei aber das rechte Bein und musste medizinisch behandelt werden. Man brachte ihn danach in ein Polizeiquartier, warf ihm versuchte illegale Grenzüberschreitung vor und verurteilte ihn zu drei Monaten Zwangsarbeit, die er aber nicht abbüßen musste. Das Ereignis löste nämlich großes Aufsehen in Australien aus, fast wäre es zu einer Regierungskrise gekommen. Schuld war die Strathaird, auf der er den fünften Kontinent erreicht hatte! 1937 wurde ihm ein längerer Aufenthalt in Australien genehmigt, er schrieb, das Land sei vielfältig und schön.

Promenaden-Deck der 1. Klasse an Bord. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Die Strathaird gehörte der britischen Reederei Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P & O). Das Passagier- und Frachtschiffschiff war seit 1932 als Royal Mail Ship im Australien-Dienst unterwegs, mit zwei Schwesterschiffen der „Strath“-Klasse, der RMS Strathnaver und der RMS Strathmore (ab 1935). Die übliche Linienroute führte von Tilbury im englischen Essex via Suezkanal und Hongkong nach Brisbane im australischen Queensland. Rumpf und Schornsteine vorheriger P&O-Schiffe waren meist schwarz lackiert, die drei von P&O leuchteten weiß und waren damit als „The White Sisters“ sofort erkennbar.

Folder zum Launch der beiden Schiffe STRATHNAVER und STRATHAIRD. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Die Entscheidung, die Strathaird zu bauen, war am 14. Januar 1930 gefallen. Am 23. April 1930 fand die Kiellegung und am 18. Juli 1931 Stapellauf mit Taufe statt. Bis Januar 1932 dauerte der Bau des Schiffes bei der Vickers-Armstrong-Werft in Furnes, Barrow, die insgesamt fünf Einheiten der „Strath“-Klasse fertigte. Am 12. Februar 1932 startete die Jungfernfahrt ab Tilbury, der Dampfer war mit vier Wasserrohrkesseln und zwei Hilfskesseln ausgestattet, ihre gesamte Heizfläche umfasste 5203 Quadratmeter. Sie versorgten zwei Turbogeneratoren mit Dampf. Die von ihnen erzeugte elektrische Leistung wurde an zwei Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 28.000 PS (6315 NHP) abgegeben. Hersteller der Turbogeneratoren und Motoren war Thomson-Houston aus Rugby, Warwickshire. Die Motoren arbeiteten auf zwei nach innen drehende Propeller. Das Schiff erhielt Peilgeräte, ein Echolot und einen Kreiselkompass.

Die RMS – später TSS – Strathaird war als Baunummer 664 erstellt worden, der Heimathafen war London. Am 18. Juli 1931 war das Schiff von Lady Margaret Shaw getauft worden. Es war 194,7 Meter lang, 24,4 Meter breit und wies einen Tiefgang von 8,9 Metern auf. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 22 kn (41 km/h), später 23 kn (43 km/h). In der Ersten Klasse waren 498 Personen untergebracht, in der Zweiten Klasse 668 Passagiere. Nach einem Umbau 1947 wurde die Erste Klasse auf 573 und die Zweite Klasse auf 496 Personen umgebaut. Nach einer weiteren Sanierung 1954 gab es nur noch eine Klasse für maximal 1252 Passagiere. Die Besatzung bestand aus 490 Personen.

Detailverliebt: Lounge für die 1. Klasse an Bord der STRATHAIRD. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Auffällig war der Wulstbug, die „Nase“ am Schiff, die ein wenig an ein U-Boot erinnert. Er wird auch „Taylor-Wulst“ genannt, benannt nach dem US-amerikanischen Admiral David Watson Taylor (1864-1940), der als Chefingenieur der United States Navy während des Ersten Weltkriegs mit tropfenförmigen Bugvarianten experimentiert hatte.

Schiffe mit Wulstbug-Volumen haben zum einen mehr Auftrieb und zum anderen tauchen sie bei hohem Wellengang nicht zu tief ins Wasser. Die Entwickler haben sich das einst den Delfinen abgeguckt, die an der Nase vorne eine Verdickung tragen. Der sogenannte Wulstbug kann das Wellenbild positiv beeinflussen, der Wasserwiderstand ist geringer, das Schiff kommt schneller voran und spart zudem noch Kraftstoff.

Die Strathaird war im Dezember 1932 das erste Schiff von P&O, das auf Kreuzfahrten ging. Beliebt war der 5-Tage-Ausflug von Sydney nach Norfolk Island. In den späteren 1930er Jahren gab es auch Kreuzfahrten im Bereich von Großbritannien.

Schon bald nach Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wurde die Strathaird von der britischen Regierung als Truppentransporter requiriert, sie unternahm zwei Konvoifahrten, mit denen Truppen aus Australasien erst in den Fernen Osten, später nach Nahost befördert wurden. Anschließend wurde sie zur Überholung nach Liverpool geschickt.

Postkartenaufnahme einer 1. Klasse-Deluxe-Kabine. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Im Juni 1940 erhielt das Schiff die Anweisung, an der Operation Aerial teilzunehmen, hier ging es darum, britisches und alliiertes Personal aus dem Westen Frankreichs vor der einrückenden deutschen Wehrmacht zu evakuieren. Vom Hafen Brest aus hat die Strathaird etwa 6000 Zivilisten und Truppen der Alliierten evakuiert. Im selben Jahr stand eine weitere Generalüberholung in Liverpool an.

1941 wurde sie nach Belize (damals Britisch Honduras) und Trinidad entsandt, sie brachte hunderte Menschen, darunter 200 Kinder, die in Gefahr waren, nach Greenock in Schottland. Gut gesichert transportiert wurde auf dem Schiff auch das Gold britischer Banken. Bis Ende 1946 war das Schiff es als Truppentransporter im Einsatz, dann kehrte es zu P&O zurück.

Aufnahmen von Bord der STRATHMORE, einem Schwesterschiff der STRATHAIRD. Video: P&O Heritage/Youtube

1947/48 war eine umfassende Sanierung des Schiffes fällig, die Strathaird wurde auf Vordermann gebracht und reihte sich wieder in die Passagier- und Kreuzfahrt ein. Die Gesamtpassagierkapazität wurde von 1166 auf 1069 Personen an Bord reduziert, der erste und dritte Schornstein abgebaut, der Maschinenbereich überholt.

1954 ordnete P&O eine erneute Umrüstung an, die nun zur Folge hatte, dass insgesamt 1252 Passagiere zugelassen waren. Als die Strathaird am 8. April 1954 wieder in Fahrt ging kam, war es ein nahezu runderneuertes Schiff.

Zu Beginn der 1960er Jahre setzte P&O aber nicht mehr auf den Post- und Passagierservice von Großbritannien über Indien und Hongkong nach Australien, die Epoche der Luftfahrt hatte begonnen, sich durchzusetzen. Nach fast 30 Jahren wurden die Strathaird und ihr Schwesterschiff Strathnaver ausser Dienst gestellt und durch die SS Canberra ersetzt. Das Schiff verließ Sydney zum letzten Mal am 9. Mai 1961. Am 17. Juni begann die letzte Fahrt von England. Am 14. Juli 1961 traf die Strathaird in Hongkong ein und wurde von ihrem Käufer Shun Fung Ironworks abgewrackt.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer

Postkarte mit STRATHAIRD-Motiven aus 1959. Reproduced by kind permission of P&O Heritage www.poheritage.com

Informationen zu P&O Heritage:

P&O Heritage hat sich zur Aufgabe gemacht, die großen Archive und Errungenschaften in der Seefahrtsgeschichte von P&O, einer der größten Reedereien der Welt, zu dokumentieren und zu erhalten. P&O wurde im Jahr 1837 gegründet. Unsere Sammlungen von Gemälden und Photographien, Schiffsmodellen und Zeugnissen von besonderen Ereignissen im riesigen Archiv von über 35.000 Gegenständen beleuchten die Pionierleistung der Dampfschifffahrt, die Fortschritte für die Passagiere und den globalen Handel über zwei Jahrhunderte. Ein kleines, engagiertes Team von drei professionellen Experten betreut die P&O Heritage Collection in London. Im Laufe der Jahre unserer Geschichte hat P&O zahlreiche andere Reedereien erworben und heute zählen zu unserem Archiv die Orient Line, British India, General Steam Navigation Company und viele andere. P&OSNCo., inklusive P&O Ferries wurden von DP World im Jahre 2006 gekauft. DP World ist sehr stolz auf seine Bemühungen, die P&O Heritage Collection zu erhalten und zu teilen. Unsere Website www.poheritage.com, enthält umfangreiches Informationsmaterial: 1.200 Schiffsdatenblätter, Forschungsführer, Galerien, Online-Ausstellungen und eine detaillierte Zeitlinie zu vielen Ereignissen. In unserem Online-Shop können Sie gerahmte Drucke aus unserer umfangreichen Kunstsammlung auswählen, speziell anfertigen lassen und kaufen. Für weitere Informationen, besuchen Sie unsere Webseite oder halten sich über alle unsere Aktivitäten @poheritage auf Facebook, Twitter und Instagram auf dem Laufenden.