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Schiffbau-Zulieferer bleiben optimistisch

Unsicherheiten durch Lieferkettenprobleme und Fachkräftemangel

Die maritimen Zulieferer in Deutschland sind überwiegend mit dem Geschäftsjahr 2021 zufrieden und erwarten, trotz der sich verstärkenden Unsicherheiten, weiter gute Geschäftsentwicklungen im laufenden Jahr.

Martin Johannsmann (Vorstandsvorsitzender der VDMA Arbeitsgemeinschaft Marine Equipment and Systems und Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH) und Tanja Hoppmann (Vorstandsmitglied der VDMA Marine Equipment and Systems und Geschäftsführende Gesellschafterin der WISKA Hoppmann GmbH)
Foto: Jens Meyer

„Aufgrund des Corona-bedingt schwachen Auftragsbestandes haben wir im vergangenen Jahr unsere Umsatzziele nicht erreicht. Gleichzeitig entwickelten sich die Märkte mit deutlich ansteigenden Auftragseingängen gerade aus dem Ausland. Diese Entwicklung hält an und stimmt die Branche weiter optimistisch. Die Erwartungen an die Zukunft sind trotz der zunehmenden Unsicherheiten positiv“, sagte Martin Johannsmann, Vorstandsvorsitzender der VDMA Arbeitsgemeinschaft Marine Equipment and Systems und Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH, am Donnerstag in Hamburg.

Zusätzlich zu den Corona-Nachwirkungen sei die Branche von dem Krieg in der Ukraine, den Lockdowns in China, den Staus in zentralen Umschlagplätzen, der steigenden Inflation und den resultierenden angespannten Lieferketten betroffen.

„Der Auftragseingang entwickelt sich auch im Jahr 2022 weiter sehr gut, aber die Lieferkettenprobleme bremsen unsere Fertigung und die Auslieferung an die ungeduldigen Kunden aus. Fehlende Komponenten lassen somit halbfertige maritime Systeme in der Produktion im Wartemodus stehen und können nicht in Rechnung gestellt werden. In der Folge steigt der Auftragsbestand und die Lieferzeiten verlängern sich weiter. Hier hoffen wir auf baldige Normalisierung“, so Johannsmann.

In einer aktuellen VDMA-Blitzumfrage sehen fast neun von zehn Unternehmen aus dem gesamten Maschinen- und Anlagenbau ihre Lieferketten derzeit merklich oder gravierend beeinträchtigt. Mit einer Entschärfung der Lage innerhalb der nächsten drei Monate rechne kaum noch jemand.

Neben der Maritimen Energiewende, bei der es um die klimaneutralen Schiffsantriebe der Zukunft geht, gelte es weiterhin im gesamten Schiffsbetrieb den Energieverbrauch intelligent zu reduzieren. „Dazu gibt es zwei Stellschrauben, nämlich zum einen die kontinuierliche Weiterentwicklung der maritimen Produkte und die Offenheit für neue Technologien. Zum anderen gilt es in der eigenen Produktion anzusetzen und gezielt den CO2-Fußabdruck zu vermindern. In diesem Zusammenhang wies Johannsmann auf eine vielversprechende Recycling-Entwicklung hin, für die bereits erste Kunden im Megayachtbereich gefunden werden konnten: Dabei handelt es sich um das sogenannte Recond Oil, das in einem zweistufigen Verfahren unter Einsatz von Chemikalien und Boostern sowie Feinfiltration von verbrauchtem Öl gewonnen wird und in seiner Qualität einem neuen Öl nicht nachsteht. Das Verfahren könne durch entsprechende Anlagen an Bord genutzt werden, alternativ ist auch die Abgabe des Öls zur Aufbereitung an Land möglich.

Nachhaltigkeitstrend als Wettbewerbsvorteil

„Das Thema Nachhaltigkeit wird uns in den nächsten Jahren gerade in den mittelständischen Schiffbau- und Offshore-Zulieferunternehmen zunehmend beschäftigen. Ich sehe hier auch einen wichtigen Wettbewerbsvorteil, wenn zum Beispiel mit Auftraggebern auch über Soziales und Umweltthemen diskutiert werden kann“, ergänzte Tanja Hoppmann, Vorstandsmitglied der VDMA Marine Equipment and Systems und Geschäftsführende Gesellschafterin der WISKA Hoppmann GmbH. Das verstärkte Augenmerk in Richtung klimaneutrale Produktion biete darüber hinaus weitere Vorteile: Unternehmen können im Rahmen ihrer betrieblichen Risikobewertung die Themen Energieversorgung und Energieeinsparung besser überblicken und darüber hinaus seien mittelständische Industriebetriebe mit klar formulierten und gelebten Nachhaltigkeitszielen bei Nachwuchskräften beliebte Arbeitgeber, ergänzt Hoppmann.

In der aktuellen VDMA-Umfrage klagen vier von fünf Unternehmen über einen merklichen oder gravierenden Mangel an Personal. Drei von fünf Unternehmen sehen die Demografie und den Fachkräftemangel als großes Risiko an. „Um das geplante Wachstum zu ermöglichen und zusätzlich die altersbedingt ausscheidenden Fachkräfte zu ersetzen, müssen junge Nachwuchskräfte eine attraktive Ausbildung in einem guten Umfeld in unserer Branche bekommen. Wir streben deshalb zum Beispiel eine Ausbildungsquote von 10 Prozent an“, so Hoppmann.

Die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie verzeichnete im vergangenen Jahr durch die Corona-Auswirkungen einen Umsatzrückgang um – 3 – 2,5 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro bei einer Exportquote von 79 Prozent, wobei China mit unverändert rd. 18,3 Prozent am deutschen Export beteiligt ist. Die Bestellungen stiegen im gleichen Zeitraum deutlich um 14,3 Prozent (minus 10,9 Prozent im Jahr 2020). Die Zahl der hoch qualifizierten Beschäftigten bleibt konstant bei 63.000. Mit dem anhaltenden weltweiten Neubauboom von Schiffen ist mit weiter steigenden Auftragseingängen im weiteren Verlauf des Jahres 2022 zu rechnen. Die zunehmenden Unsicherheiten lasse einen verlässlichen Blick auf 2023 nicht zu, hieß es.

Digitalisierung als Chance

Neben den Märkten für neue Transportschiffe geht es auch um die zügige technische Modernisierung der weltweit oft veralteten Flotte in Hinblick auf Effizienz und Umweltschutz. Hier bieten die deutschen Schiffbau- und Offshore Zulieferer gerade unter der Nutzung der Möglichkeiten der schnell voranschreitenden Digitalisierung Lösungen. Neue Sensorik und das Management großer Datenmengen über möglichst viele Komponenten und Systeme an Bord ermöglichen bisher nicht mögliche Gesamtsichten und die weitere ökonomische und ökologische Optimierung des Fahrbetriebs.

Trend zu kleineren Kreuzfahrtschiffen

Bei der Nachfrage im für deutsche Werften wichtigen und als Technologietreiber profilierten Marktsegment für Kreuzfahrtschiffe sieht Johannsmann eher einen Trend zu kleineren Einheiten wie Expeditionsschiffen und Luxuskreuzern im hochpreisigen Schiffen. Nach den coronabedingten starken Rückschlägen und zahlreichen Abbrüchen von ausgemusterter Alttonnage befänden sich nahezu alle Schiffe wieder in Fahrt und es gäbe neben den jüngsten Aufträgen auch vermehrtes Interesse an Neubauprojekten zur Anpassung an stringentere Umweltschutz-Regelungen und geändertes Marktverhalten. Perspektivisch ungünstiger sehe er dabei die sehr großen Schiffseinheiten, die nicht nur bei den Anlaufhäfen stärker limitiert seien, als kleinere Schiffe, sondern auch schwieriger auszulasten seien, da ihr potenzielles Klientel durch aufgrund des unsicheren pandemischen und politischen Umfeldes in ihrer Wirtschaftskraft beeinträchtigt oder sich zu einer geänderten Prioritätensetzung veranlasst sehen könnte. JPM