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She’s coming home – 94 Jahre nach dem Stapellauf kehrt „Schulschiff Deutschland“ an die Unterweser zurück

Am 14. Juni 1927 lief auf der Tecklenborg-Werft in Bremerhaven-Geestemünde der letzte Rahsegler, die Schulschiff Deutschland vom Stapel. Nun kehrte das Segelschiff aus Bremen-Vegesack zurück in die Seestadt, an den neu geschaffenen Stammliegeplatz im Neuen Hafen inmitten der Havenwelten.

Foto: C. Eckardt

Die Bremerhavener hätten sich die Verlegung des Großseglers zwar schon zu den Maritimen Festtagen Mitte August gewünscht, doch nun hat auch so alles reibungslos geklappt: Am vergangen Donnerstagmorgen, noch kurz vor Sonnenaufgang säumten einige hundert Schaulustige schon das Ufer an der Lesummündung in Bremen-Vegesack, um die Abreise des Schiffes zu verfolgen. In den vergangenen Monaten wurde vor allem vereinsintern teilweise heftig über den Standortwechsel der Schulschiff Deutschland diskutiert. Schließlich lag der attraktive Großsegler 25 Jahre an der Mündung der Lesum in die Weser und hat hier lange das maritime Bild Vegesacks geprägt.

Mit Hilfe der beiden Bolouda-Schlepper VB Blumenthal und VB Blexen wurde der Segler dann pünktlich zum Stauwasser auf die 48 Kilometer lange Fahrt in Richtung Wesermündung gebracht. Schon nach kurzer Zeit gab es noch ein seltenes Aufeinandertreffen mit dem Segelschulschiff Gorch Fock der Deutschen Marine, dass derzeit zum Abschluss der umfangreichen Sanierung noch bei der Lürssen-Werft in Lemwerder liegt. Die Schulschiff Deutschland begrüßte den Marine-Dreimaster mit einem lauten Dauerton aus dem Typhon, doch von der Gorch Fock wurden die Grüße an diesem Morgen leider nicht beantwortet.

Zuletzt fehlten immer mehr die Besucher auf der Schulschiff Deutschland so dass bei einer schriftlichen Abstimmung des Vereins im Frühjahr dann nur 38 der 175 Mitglieder für den Erhalt des Standortes Vegesack für das letzte Deutsche Vollschiff ausgesprochen hatten. Noch vor zwei Jahren hat der langjährige Vereinsvorsitzende des Schulschiffsvereins und ehemaliger Wirtschaftssenator aus Bremen, Claus Jäger, eine mögliche Abwanderung nach Bremerhaven verneint. „Nein, Vegesack und das Schiff sind schon lange miteinander verwachsen“ erklärte Jäger seinerzeit. Doch in der Zwischenzeit wandelte sich das Blatt: Abbruch der Einkaufspassage „Hafenhöft“ und der nun drohende Neubau eines neungeschossigen Hochhauses in direkter Nachbarschaft zur Schulschiff Deutschland machten eine wirtschaftliche Perspektive für den Verein zunichte. Denn durch diesen Neubau an dieser Stelle würden die jahrelangen Bemühungen, Vegesack zu einem historischen maritimen Zentrum von nationaler Bedeutung zu entwickeln zerstört, so der Vorstand in einer Stellungnahme. Durch das Hochhaus-Neubauprojekt wäre die Verwirklichung des maritimen Konzeptes Makulatur. 

Dr. Ralf Meyer (GF von Erlebnis Bremerhaven), Melf Grantz (OB Bremerhaven) und Claudia Schilling (Hafensenatorin Bremen) bei der Überführung des Schiffes. Foto: C. Eckardt

Die Verbindungen des Schulschiffsvereins und der Stadt Bremerhaven bestehen schon lange, so dass vor rund einem Jahr erste konkrete Gespräche für eine Überführung des Großseglers nach Bremerhaven geführt wurden, die dann nach der Abstimmung innerhalb des Vereins, im Frühjahr beschlossen wurde. Im Juni wurde dann von dem Verein mit der Stadt Bremerhaven ein Vertrag für den neuen Liegeplatz abgeschlossen.

In Bremerhaven, direkt am Einfallstor in die maritime Tourismusmeile Havenwelten, will der Verein das Schiff auch weiterhin präsentieren – für Besucher, für Übernachtungsgäste in 58 Kojen, aber auch für Feiern und Trauungen. Mit diesem Konzept und den notwendigen Einnahmen kann der Verein den aufwendigen und auch teuren Erhalt des Großseglers finanzieren. Bis es aber so weit ist, vergeht aber noch etwas Zeit. Zwar hat die Stadt Bremerhaven den Liegeplatz mit den notwendigen Ver- und Entsorgungseinrichtungen hergerichtet, doch an Bord muss zunächst noch klar Schiff gemacht werden. Claus Jäger hofft im Herbst das Schiff wieder zu öffnen. Denn zunächst müssten neue Mitarbeiter gewonnen werden, etwa für die Reinigung und Verköstigung, wobei gerade Personal aus der Gastronomie schwer zu bekommen ist. Die überwiegend ehrenamtliche Mannschaft aus Vegesack geht laut Jäger größtenteils mit zum neuen Standort. Insgesamt sei man guter Hoffnung, weil viel Zuspruch und auch schon Bewerbungen aus Bremerhaven gekommen seien. Das müsse nun abgearbeitet werden. „Wir möchten so schnell wie möglich beginnen, aber auf keinen Fall starten, wenn noch nicht alles läuft“ so Jäger.

Foto: C. Eckardt

Die Überführungsfahrt war auf jeden Fall eine gute Werbung für den Großsegler, der am Vormittag bei sonnigen Wetter auf der Unterweser in Höhe der Tonne 67 bei Nordenham auf ein maritimes Empfangskomitee aus Bremerhaven traf. Von diversen Fahrgast- und Behördenschiffen aber auch von einigen privaten Motorbootfreunden, die dem Segler entgegenfuhren. Mit dabei an Bord des Restaurationsschiffes Hansa auch Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz und der Leiter der Erlebnis Bremerhaven, Ralf Meyer, die sich in der letzten Zeit sehr für die Überführung des Schiffes in die Seestadt stark gemacht haben. Auch Bremens Hafensenatorin und gebürtige Bremerhavenerin Claudia Schilling nutzte in ihrem Urlaub die Chance, den Großsegler von Bord der Hansa zu begrüßen.

Auf dem Deich vor den Havenwelten warteten dann um die Mittagszeit bereits zahlreiche Schaulustige auf den Neuankömmling, der im Bereich der Geestemündung mit mehreren Salutschüssen begrüßt wurde. Nicht weit von der Geestemole befand sich damals die berühmte Tecklenborg-Werft, auf der der Großsegler 1927 erbaut wurde. Anschließend nahmen die Schlepper mit der Schulschiff Deutschland Kurs auf die Kaiserschleuse und zur Mittagszeit erreichte der Segler, auch wieder begleitet von unzähligen Schaulustigen entlang der Hafenanlagen, seinen neu geschaffenen Liegeplatz im Neuen Hafen, wo der Dreimaster nun die neue Hauptattraktion in den Havenwelten ist.

Stapellauf der „Schulschiff Deutschland“. Foto: Historisches Museum Bremerhaven

Gebaut wurde die 86,20 Meter lange und 11,90 Meter breite Schulschiff Deutschland als Vollschiff von dem Deutschen Schulschiff-Verein, Oldenburg, der es als reines Segelschulschiff, also zur Ausbildung des Nachwuchses für Großsegler, einsetzte. Da der Schiffsname Deutschland schon für ein geplantes, aber noch nicht gebautes Panzerschiff der Marine vergeben war, wurde bei der Schulschiff Deutschland kurzerhand die Funktion Schulschiff mit in den offiziellen Namen aufgenommen. Die Indienststellung erfolgte am 10. August 1927. Bis 1939 absolvierte das Schulschiff 12 Überseereisen und 17 Ausbildungsreisen in die Nord- und Ostsee. Der Antrieb erfolgte nur mit insgesamt 25 Segeln mit 1950 Quadratmeter Segelfläche an den drei Masten, das Schiff verfügte nie über einen Hilfsantrieb. Die Besatzung bestand seinerzeit aus 8 Offizieren, 10 Unteroffizieren, 6 Matrosen und 140 angehender Seeleute, zu der Zeit waren dies nur Jungen. Am 5. Oktober 1929 kollidierte das Vollschiff in der Straße von Dover mit einem französischen Dampfschiff und musste auf der Bremerhavener Seebeckwerft repariert werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden keine Segel mehr an Bord gesetzt und die Schulschiff Deutschland wurde, nun mit einem schwarzen Rumpfanstrich zunächst als Wohnschiff in Cuxhaven, später als Jugendherberge in Bremen genutzt. Ab 1952 diente sie als Seemannsschule und Schul-Internat, an einem stiefmütterlichen Liegeplatz an der kleinen Weser in Bremen-Woltmershausen. 1995 erfolgte beim Bremer Vulkan eine umfangreiche Sanierung des genieteten Stahlschiffes, dass anschließend, nun wieder im ursprünglichen weißen Farbkleid als einziges erhalten gebliebenes Vollschiff der deutschen Schifffahrtsgeschichte nach Vegesack verholt wurde. Hier wurde seinerzeit ein ganz neuer Anleger für das Schiff hergestellt und ein Verein mit vielen Ehrenamtlichen Helfern macht es sich seitdem zur Aufgabe, die Schulschiff Deutschland als maritimes Denkmal zu erhalten. Mehrfach lag der Dreimaster in den vergangen Jahren wieder in Bremerhaven, so zur Sail 2005 und für eine große Grundüberholung bei Bredo Dry Docks im November 2014.

Foto: C. Eckardt

Bei den Konstruktionsplänen der Schulschiff Deutschland griff man seinerzeit auf die bewährten Erfahrungen der schon 1901 gebauten Grossherzogin Elisabeth zurück. Dieser Großsegler wurde nur fünf Monate nach der Gründung des Deutschen Schulschiff-Vereins, am 22. Mai 1900, bei der weltbekannten Werft Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde (Bremerhaven) gebaut. 1932 wurde die Großherzogin Elisabeth, nachdem sie viele erfolgreiche Ausbildungsfahrten absolviert hatte, vom Deutschen Schulschiff-Verein an die Deutsche Seemannsschule in Hamburg verkauft. Am Ende des Krieges schwer beschädigt, wurde sie 1946 an Frankreich übergeben. Dort erhielt sie ihren neuen Namen Duchesse Anne. Heute liegt das Schiff als Museumsschiff, zwischenzeitlich wieder vollständig instandgesetzt, in Dünkirchen.

Von 1845 bis 1928 existierte in Geestemünde die Tecklenborg-Werft, die 1841 aus dem Schiffbaubetrieb Abegg & Co. hervorgegangen war, die sich zu einer international renommierten Werft entwickelte. Die Werft war berühmt für ihre Segelschiffe, darunter befanden sich Polarforschungsschiffe oder das größte Fünfmastvollschiff der Welt. Auf den Helgen an der Geeste wurden aber auch Fischdampfer in Serie gebaut sowie zahlreiche bekannte Passagier- und Frachtdampfschiffe für den Norddeutschen Lloyd und die Hamburg-Amerika-Linie.

Jahrzehntelang wurde die Werft von der aus Bremen stammenden Familie Tecklenborg geleitet. Zeitweise arbeiteten bei Tecklenborg rund 4300 Beschäftigte. Auf der Werft entstanden für die technische Entwicklung des Schiff- und Maschinenbaus bedeutende Innovationen. Noch heute sind zwei Großsegler der Werft immer noch in Fahrt, die 1926 erbaute Viermastbark Padua die heute unter russischer Flagge als Kruzenshtern verkehrt und die norwegische Dreimastbark Staatsrad Lemkuhl gebaut 1914 als Großherzog Friedrich August. ChrEck