Die Umstellung der Kreuzfahrtschiffe auf saubere Treibstoffe kommt langsam in Fahrt. Eine wichtige Brücke auf dem Weg zur Klimaneutralität ist dabei verflüssigtes Erdgas (LNG). Hier treiben gerade die Reedereien MSC und AIDA in Deutschland den Ball voran. Kiel ist dabei der Hafen in Deutschland, in dem gleich zwei Kreuzfahrtschiffe parallel mit diesem Treibstoff versorgt werden.
Am 10. Juni gab es in Kiel auch die erste Doppelbebunkerung von LNG in einem europäischen Hafen. Aus zwei Tankschiffen bekamen die AIDAnova und die MSC Euribia LNG in ihre Spezialtanks. Die Schweizer Reederei MSC Cruises hat Kiel außerdem auch formell für die Sommersaison als Versorgungshafen für die MSC Euribia ausgewählt.
Die AIDAnova erhielt am 10. Juni bereits zum dritten Mal LNG aus dem lettischen Bunkerschiff Optimus am Liegeplatz 27 des Ostseekais. Die Optimus holt den Treibstoff aus Zeebrügge und Rotterdam. Für die Belieferung mit LNG hat AIDA Cruises einen Rahmenvertrag mit dem niederländischen Energiekonzern Shell.
Auch MSC hat am 15. Juni einen langfristigen Rahmenvertrag mit einem Lieferanten für diesen sauberen Treibstoff unterzeichnet. Der staatliche finnische Energiekonzern Gasum wird MSC in Nordeuropa mit LNG beliefern. Neben dem LNG aus fossilem Erdgas soll so schnell wie möglich auch die Lieferung von E-LNG folgen, das kein Kohlenstoff mehr enthält.
Dieser aus Wasserstoff gewonnene Treibstoff soll einen klimaneutralen Betrieb des Kreuzfahrtschiffes ermöglichen. Ab 2026 sagt Gasum die Lieferung von mehreren Tausend Tonnen E-LNG pro Jahr zu. Außerdem sind auch neue Bunkerschiffe in Planung.

Die Überführung der MSC Euribia von der Werft in St. Nazaire nach Kiel erfolgte mit erstmals 400 Kubikmetern Bio-LNG als Treibstoff. Dabei kam LNG zum Einsatz, das aus Biogas-Anlagen von Gasum gewonnen wurde. Dieser Treibstoff kann bei sauberer Verbrennung ohne Methanschlupf bereits heute einen fast klimaneutralen Betrieb ermöglichen.
Da das Schiff für den Start der vier Wärtsilä-Motoren noch Marinediesel benötigt und deshalb auch rund 2000 Kubikmeter Marinediesel an Bord hat, ist die volle Klimaneutralität noch nicht ganz erreicht. Der Diesel wird auch noch zukünftig mitfahren, da LNG-Schiffe immer noch ein Backup benötigen, falls die Logistikkette von LNG unterbrochen wird. Das war zuletzt 2022 der Fall, als wegen des Angriffskriegs Russland LNG zur Auffüllung der Gasspeicher in Deutschland genutzt wurde und sich der Preis zum Teil verzehnfachte.
In Kiel bekommt die neue MSC Euribia ihre LNG-Lieferungen aus dem Tanker Coralius vom finnischen Energiekonzern Gasum. Der Tanker holt den Kraftstoff aus Norwegen und verteilt ihn an Schiffe in Bereich der westlichen Ostsee. Rund 1000 Kubikmeter LNG wurden zum Auffüllen der Tanks der MSC Euribia am 10. Juni in Kiel genutzt. 3800 Kubikmeter beträgt das Fassungsvermögen der beiden LNG-Tanks in dem 331 Meter langen Schiff. „Das reicht etwa zwei Wochen. Vielleicht auch länger, wenn das Schiff sparsam gefahren wird“, so Michele Francioni, bei MSC Senior Vice President und zuständig für die Optimierung.

Für die MSC Euribia war es am 10. Juni auch der Erstanlauf in Kiel. Die gerade einen Tag zuvor ins Amt eingeführte neue Kieler Stadtpräsidentin Bettina Aust (Grüne) überbrachte Kapitän Stefano Martinelli die Erstanlaufplakette für sein 181541 BRZ großes Schiff. Mit einer Passagierkapazität von 6327 Reisenden ist es nur geringfügig kleiner als die 183858 BRZ große AIDAnova mit 6600 Passagieren. Die beiden Schiffe sind in diesem Jahr die größten Kreuzfahrtschiffe in deutschen Häfen.
Die MSC Euribia war von der Werft Chantiers de l‘Atlantique aus St. Nazaire über Amsterdam zunächst nach Kopenhagen gefahren, wo das Schiff am 8. Juni durch die italienische Filmdiva Sophia Loren getauft worden. Kiel war der Endhafen der Überführung.
„Unser Bio-LNG wird aus Bio-Gasanlagen gewonnen und eignet sich optimal für den klimaneutralen Betrieb in der Schifffahrt“, so Grégorie Hartig, Manager von Gasum bei der Premiere in Kiel. Gasum hat den Auftrag zur Belieferung der MSC Euribia bekommen. Die benötigten Mengen werden aber vorerst noch durch LNG aus fossilen Quellen geliefert, so Hartig. Dafür sei der Bedarf der Schifffahrt einfach zu groß. Die Schifffahrt benötigte 2022 weltweit immerhin über 135 Millionen Tonnen Öl als Schiffstreibstoff.
Die Belieferung von Schiffen mit Bio-LNG in kleinerem Umfang für einen klimaneutralen Betrieb ist aber bereits heute möglich. „Das können wir schon leisten. Wir werden die Produktion in den Bio-Gas-Anlagen in den kommenden Monaten stark steigern. Dann wird das irgendwann auch Normalität“, so Hartig. Bei MSC will man diesen Weg mitgehen und sicherte sich deshalb vertraglich die benötigten Mengen bei Gasum.
„Das Schiff ist bereit dafür. Wenn es genüg Bio-LNG gibt, können wir den Betrieb umstellen“, so Michele Francioni von MSC. Vorerst bekommt MSC Euribia in Kiel aber überwiegend LNG aus fossilem Erdgas. Der Bunkertanker Coralius füllt seine Tanks in dem norwegischen Hafen Tananger, wo Gasum ein eigenes LNG-Terminal hat.
Der von Gasum eingesetzte LNG-Tanker Coralius hat seit der Indienststellung 2017 bereits über 110000 Kubikmeter LNG an Schiffe abgegeben. Im November 2022 feierte die Besatzung die 500. Schiffsbebunkerung in Göteborg.
Bislang waren die Hauptkunden Reeder von Autotransportern, Tankern und Spezialschiffen, die meist in Malmö, Göteborg oder auf Ankerplätzen im Skagerrak versorgt wurden. Für die LNG-Bebunkerung dürfen nur Spezialtanker eingesetzt werden, deren Besatzung im Umgang mit dem bei Minus 162 Grad transportierten Treibstoff geschult sind.
Die LNG-Bebunkerung in Kiel wurde durch die Maklerei Sartori & Berger zusammen mit dem Seehafen Kiel, Gasum und der Reederei MSC vorbereitet. Zwischen Tanker und Kreuzfahrtschiff wurde dabei ein Ponton gelegt, der von einer Hamburger Reederei für den Sommer gechartert wurde.
Der Ponton ist erforderlich, da die Bunkerschiffe bei den neuen Kreuzfahrtschiffen wegen der überhängenden Rettungsboote auf Abstand gehalten werden muss. Außerdem ist der Schlepper Helmut der Reederei Schramm als Schlepper während des Bunkervorgangs in Bereitschaft. In Kiel wurden am Sonnabend rund 1000 Kubikmeter LNG in die MSC Euribia gepumpt. Bei der AIDAnova ist ein Schlepper der Kieler Reederei SFK in Bereitschaft.
Die MSC Euribia wird 2023 und 2024 von den deutschen Häfen Kiel und Hamburg aus eingesetzt. Im Sommer wird das Schiff in Kiel stationiert und hier am Liegeplatz 1 im Ostuferhafen abgefertigt. Ab Oktober ist die MSC Euribia in Hamburg am Terminal in Steinwerder.
Aus diesem Grund hat die Reederei MSC Cruises auch Verträge zur Nutzung von Landstrom in Hamburg und Kiel abgeschlossen. Im Ostuferhafen wird bis zum Spätsommer am Liegeplatz 1 eine Landstromanlage von Siemens errichtet. In Hamburg steht die Anlage in Steinwerder.
Die MSC Euribia ist das zweite LNG-Schiff in der Flotte von MSC Cruises. Zwei weitere sind in Bau. Aktuell besitzt das Unternehmen 22 Kreuzfahrtschiffe, die sein 2001 in Dienst gestellt wurden. Es ist die größte Kreuzfahrtreederei in Europa. FB