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„Livemusik und Windjammer“

Alle fünf Jahre findet in Bremerhaven die SAIL statt – dieses Jahr musste sie pandemie-bedingt abgesagt werden. Dafür wurde die lütte sail gegründet, die ab 2021 jährlich an den Start gehen soll. Michael Wolf sprach mit Dr. Ralf Meyer, Geschäftsführer von „Erlebnis Bremerhaven“, über kreative Lösungen in der Krise, die Kreuzfahrt in Bremerhaven und neue Ideen im Tourismus.

Wie sieht für Bremerhaven die Bilanz des Jahres 2020 im Kreuzfahrtbereich aus?

Die Pandemie hat uns nach besten Zahlen zuvor ein katastrophales Ergebnis beschert.

Wie viele Schiffe werden im nächsten Jahr nach der Rekordsaison 2019 erwartet?

Im nächsten Jahr erwarten wir etwa 250.000 Passagiere so wird u.a. die „Costa Favolosa“ elfmal von Bremerhaven aus fahren.

Dr. Ralf Meyer, Geschäftsführer von „Erlebnis Bremerhaven“, Foto: enapress.com

Wie wichtig ist der Faktor Kreuzfahrt in Bremerhaven geworden?

Das kann man konkret darstellen – allein bei den Hoteliers sind in diesem Jahr 26.000 Übernachtungen nur von Kreuzfahrtgästen weggefallen. Die jährliche Wertschöpfung durch den hiesigen Kreuzfahrtmarkt beträgt etwa 15 Millionen Euro, dazu kommen die Passagiere, die den Vorabend einer Kreuzfahrt in Bremerhaven übernachten. Viele lernen so die Stadt kennen. Im Fokus sind natürlich Klimahaus und Deutsches Auswandererhaus. Besonders profitiert von den Kreuzfahrtgästen hat witzigerweise unser Zoo.

Ist bekannt, wieviel Geld jeder Kreuzfahrtgast in Bremerhaven lässt?

Wir sehen das als Gesamtsumme und haben es nicht auf einzelne Teile heruntergerechnet. Die Wertschöpfung setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen wie die Beladung oder Betankung der Schiffe, die Übernachtungen, auch die Besatzungen gehen hier regelmässig einkaufen.

Übernachten die Gäste eher nach oder vor einer Kreuzfahrt?

Fast immer davor. Man möchte locker und entspannt ankommen, abends noch einen guten Fisch essen gehen, relaxed auf das Schiff kommen. Viele profitieren auch von den Park-Angeboten der Hoteliers. Nach der Kreuzfahrt geht es direkt nach Hause, da soll der Koffer nicht noch einmal ausgepackt werden. Bei Befragungen haben wir aber festgestellt, dass etliche Gäste noch gerne mehr von Bremerhaven gesehen hätten oder nach Worpswede gefahren wären. Sogar Helgoland stand bei einigen auf der Wunschliste. Übereinstimmend waren aber alle überrascht von der Nähe der Stadt mit ihren Attraktionen zum Terminal.

Was hat man in Bremerhaven aus der Krise gelernt?

Wir haben gelernt, kreativer zu denken. Wir mussten laufend ändern und anpassen, da war Kreativität gefragt; wie kann man Veranstaltungen trotz der Pandemie stattfinden lassen, wie können bestimmte Einrichtungen dennoch geöffnet bleiben, wie kann das Marketingkonzept angepasst werden. Bei einigen Veranstaltungen mussten wir Vollbremsungen mitten in der Vorbereitungen machen, um gleich wieder mit Vollgas und in viel kürzerer Zeit eine neue aufzubauen. Das waren neue Herausforderungen trotz reduzierter Belegschaft. In dieser Zeit sind wir viel digitaler geworden als zuvor. Wir haben gelernt, über Videokonferenzen zu arbeiten. Aber klar gesagt: Gerade im Tourismus fehlten uns dabei ganz besonders die menschlichen Kontakte. Die Herzlichkeit des Willkommensgrußes der ist uns von der Pandemie völlig genommen worden – das tut einem Touristiker weh.

Was sind die nächsten Ziele im Kreuzfahrtbereich?

Der Terminal soll modernisiert werden und sich in Richtung Stadt noch mehr öffnen. Das würde bedeuten, dass man den Terminal von der Innenstadt aus zu Fuß bestens erreichen kann. Die Kaje soll auch in den nächsten Jahren saniert werden.

Könnte auch die Flusskreuzfahrt neue Akzente setzen? Wie wäre das am besten umzusetzen?

Wir haben festgestellt, dass die Menschen in diesen Tagen immer mehr Interesse daran haben, auf kleineren Schiffen wie Flusskreuzfahrtschiffen zu fahren. So konnten wir diesem Jahr bereits einige in Bremerhaven wie die „Sans Souci“ oder die „Princess“ begrüßen. Wir möchten uns hier als Region neu aufstellen und den Reedereien ein attraktives Angebot machen. Denn Bremerhaven hat touristisch einiges an Attraktionen zu bieten. Wir sind dabei, uns hier regional noch besser zu vernetzen.

Die „Princess“ in Bremerhaven, Foto: Wolfhard Scheer

Wie viele Liegeplätze gibt es bereits vor Ort?

Im Gebiet Schaufenster Fischereihafen gibt es bereits einige, und im Alten Hafen – es gibt genug Platz. Die Schiffe würden damit mitten im Herz der touristischen Areale wie den Hafenwelten liegen.

Die SAIL musste dieses Jahr wegen der Pandemie leider abgesagt werden. Dafür soll es nächstes Jahr eine „lütte Sail“ geben? Was sind die wichtigsten Programmpunkte?

Es soll ab jetzt jedes Jahr eine lütte Sail geben, im nächsten Jahr vom 11.-15. August, zu der wir etwa 800.000 Besucher erwarten. Dann 2025 in Zusammenarbeit mit der Stadt Amsterdam wieder eine „große“ SAIL mit 1,2 Millionen Besuchern. 2008 hatten wir bereits einmal eine lütte Sail gemacht. Nach der ausgefallenen SAIL dieses Jahr erwarten wir viele hungrige Schiffsgucker.

Mit welchen besonders interessanten Schiffen rechnen Sie zur „lütten Sail“?

Kommen werden etwa 150 Schiffe aus zehn Nationen, darunter Kultschiffe wie die „Alexander von Humboldt“, die „Earl of Pembroke“ oder die „El Galéon“. Die beiden letztgenannten sind Repliken, die auch schon in Filmen eine Rolle gespielt haben. Die großen Windjammer sind immer die beliebtesten, sie machen den Charakter der SAIL aus. Aber auch die kleinen historischen Schiffe sind interessant. Auf dem Programm stehen auch 500 Stunden Live-Musik auf diesmal vier Bühnen. Die Großkonzerte werden bestritten von Sarah Connor, Ben Zucker und Revolverheld. Wir freuen auch uns besonders darüber, dass der Bundespräsident die Schirmherrschaft übernommen hat und wohl auch anwesend sein wird, wenn es die Pandemie zulässt. Wir haben die große Hoffnung, dass mit einem Impfstoff die Voraussetzungen besser sein wird. Auf jeden Fall werden wir für die „lütte Sail“ ein kreatives Konzept entwickeln, das sich den Gesundheitsbedingungen anpasst.

https://www.youtube.com/watch?v=wOVoNjjDlFM
Video: Erlebnis Bremerhaven GmbH

Gibt es neben der „lütten Sail“ noch andere maritime Highlights im nächsten Jahr?

Ja, eine brandneue Meldung, die wir nächste Woche ausführlich bekannt geben werden: Das IMM, das „International Multihull Meeting 2021“ wird erstmals in seiner Geschichte an der Nordseeküste in Bremerhaven stattfinden, vom 29. Juli bis zum 1. August. Es beinhaltet ein Treffen der außergewöhnlichsten Segelschiffe aus sieben europäischen Ländern – von Luxuskatamaranen, superschnellen Open Bridge Cats bis zu Familienbooten. Das wird für Bremerhaven eine maritime Bereicherung von höchster Qualität werden.

„lütte sail“ 2021 in Bremerhaven: abspecken, munter bleiben, weiter feiern!

Bremerhaven ist immer eine Reise wert. Das gilt einmal mehr, wenn die Menschen an der Außenweser ihre SAIL feiern. Dieses internationale Windjammertreffen, das hier alle 5 Jahre ausgetragen wird, musste in diesem Jahr jedoch, in der Corona-Flaute ihre Segel streichen. Die sturmerprobten Küstenanwohner ließen sich davon jedoch nicht aus Planken heben. Sie schoben die SAIL einfach ins nächste Jahr und machten sie etwas „lütter“ (kleiner). Die neue „lütte sail“ soll vom 11. bis 15. August gefeiert werden, so Corona die Beine stillhält. Zehn Segelschiffe, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Sängerin Sarah Connor haben auf jeden Fall schon mal zugesagt. Ahoi „lütte sail 2021“.

Getreu dem Motto das Zelt ist längst aufgebaut und das Bier steht kalt, startet die „lütte sail“ gleich mal mit einem richtigen Spektakel – einer „Sail-In-Parade“ bei der alle zum Fest eigeladenen Segler in die Stadt einfahren. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, der seine Schirmherrschaft bereits zugesagt hat übernimmt die feierliche Eröffnung. Spektakulär werden wohl auch die tollen Open-Air-Konzerte, in Bremerhaven direkt auf der Seebäderkaje am Meer stattfinden. Popgrößen wie Sarah Connor, Revolverheld und Ben Zucker sind fest gebucht, fürs Fest. Hoch hinaus geht’s am Samstagabend, beim atemberaubendes Höhenfeuerwerk direkt über der Weser. Vielleicht mit einem schmucken Kreuzfahrtschiff, dass darunter kreuzt. Wem das alles zu viel Tamtam ist, der kann sich auch einfach 5 Tage lang vom maritimen Flair Bremerhavens in den Arm nehmen lassen und den besonderen Zauber einer Hafenstadt genießen.

Foto: Tall Ship Company

Windjammer und Seefahrt, gehören zu Bremerhaven wie salzige Luft und Möwengeschrei. Jeder der schon einmal in der größten Stadt an der deutschen Nordseeküste war weiß das. Seit langem schon feiern die Menschen dort ihre große Verbundenheit zum Meer, ihre Liebe zu den Schiffen und ihr großes Herz für die Seefahrt. Als in diesem Jahr die SAIL – das Königsfest unter den maritimen Events der Stadt – abgesagt werden mußte, wog das schwer auf den Seelen der Seestädter*innen. Doch Küstenmenschen wischen sich die Gischt auf den Gesichtern und machen aus einer Not eine Tugend. Kurzerhand retteten Sie was noch zu retten war, speckten Sie SAIL gehörig ab und schoben sie einfach ins nächste Jahr – et voilà – die „lütte sail“ war geboren. Aber damit noch nicht genug, denn weil Pragmatismus an der Waterkant kein Seemannsgarn ist wurde aus der „lütte sail“ auch gleich ein jährlich wiederkehrendes Fest, das nur alle 4 Jahre von der großen „SAIL“ unterbrochen wird. Das nächste Mal zur „SAIL Bremerhaven 2025“ – Zack und fertig!

Foto: Maurizio Gambarini/dpa/DSST

Selbstredend dreht sich auch bei der „lütte sail“ alles um Segelschiffe in allen Farben, Formen und Größen. Bremerhaven nennt sich schließlich „Hauptstadt der Windjammer“. Rund 250 große Tiefwassersegler wurden hier gebaut. Einige von ihnen segeln heute noch um die Welt. Deshalb haben die Veranstalter sich zur Premiere der „lütte sail“ etwas ganz Besonderes ausgedacht. Eine Hommage an die Pioniere der Seefahrt. Jene Teufelskerle, die mit nichts außer dem Schiff unter ihren Füßen, den Segeln über ihren Köpfen und Furchtlosigkeit in ihren Herzen aufbrachen, um unbekannte Lande zu entdecken. Diese Ära der Seefahrt und ihrer Helden war von berühmten Seefahrern und ihren legendären Gefährten geprägt. Schiffe, die allesamt längst auf dem Gründen der Ozeane ruhen. Die Organisatoren der „lütte sail“ konnten jedoch ein paar fantastische Nachbauten dieser historischen Segelschiffe nach Bremerhaven locken.

Einer dieser Nachbauten ist die „Nao Victoria“. Eine Replik des ersten Schiffes, dem eine komplette Erdumsegelung gelang. Die „Victoria“ war Teil Flotte des berühmten Entdeckers Ferdinand Magellan, der 1519 zur ersten Weltumseglung aufbrach. Magellan selber verlor dabei auf den Philippinen sein Leben. Juan Sebastián Elcano, einer seiner Offiziere, vollendete sein Werk. Die „Nao Victoria“ erreichte als einziges von ursprünglich 5 Schiffen das Ziel der Reise – nach 3 Jahren. An Bord des Nachbaus kann man sich ein sehr eindringliches Bild davon machen warum Erdumsegelung im 16. Jahrhundert so gar nichts von Cocktail-Stimmung am Pool Deck hatte.

Mit der „El Galéon“ bricht man zu einer Kaperfahrt in das Goldene Zeitalter der Piraten auf. Der imposante 3-Master ist ein Nachbau einer Spanischen Galeone, der es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. Im Bauch, dieses schwimmenden Traums aller „Captain Blackbeard’s“ dieser Welt, befindet sich nämlich ein schwimmendes Museum. Die Überlegenheit der Galeonen machte sie für mehr als 3 Jahrhunderte zum dominierenden Schiffstyp auf allen Weltmeeren. Ihr Ruf als schnelle, wendige Kriegsschiffe mit großer Hochseetauglichkeit ist bis heute legendär.

Foto: Scarlet Sails Ltd.

Ebenso legendär wie die “Earl of Pembroke”. So lautete nämlich der erste Name der „Endeavor“, jenes Schiffes, mit dem der britische Entdecker James Cook 1770 erstmals Australien erreichte. Die „Earl“ ist zudem ein schwimmender Hollywoodstar. Bei dem Rekonstruktionsbau des Schiffes wurde großer Wert darauf gelegt, dass es den besonderen Ansprüchen von Filmproduktionen genügt. Ein Aufwand der Früchte trug. Bis heute ist der Segler in über 20 Filmen zu sehen. In „The Cloud Atlas“ standen Tom Hanks und Halle Berry am Streuer, in „Alice im Wunderland“ liefen Johnny Depp und Anne Hathaway über ihre Planken und „Mary Reilly“ waren Julia Roberts und John Malkovich an Deck des Schiffes.

Foto: Marco Butzkus

Mit der „Ubena von Bremen“ letztlich, schaut man in die große Zeit der „Hanse“. Sie ist ein 1:1 Nachbau der 1962 in Bremen gefundenen Hansekogge aus dem 14. Jahrhundert. Das Original kann gleich nebenan, im Deutschen Schifffahrtsmuseum bestaunt werden. Schwimmen kann es allerdings nicht mehr.

Foto: Jens Meyer

Deutlich moderner geht es an Bord der „Alexander von Humboldt 2“ zu. Die grüne Bark ist eine waschechte Bremerhavener Deern. Undenkbar also, dass die „lütte sail“ ohne das Ausbildungsschiff der „DSST“ stattfindet. Der weltberühmte Windjammer ist das Flaggschiff der „Lütten SAIL“ und wird die SAIL-In-Parade anführen. Dort wird auch das norwegische Vollschiff „Christian Radich“ zu sehen sein. Der elegante Dreimaster mit Heimathafen Oslo ist eine wahre Schönheit unter Segeln und gehört mit ihren rund 73 Metern Länge wohl zugleich zu den größten Gästen der „lütte sail“. Marco Butzkus