Gibt es bald eine deutsche Staatswerft? Diese überspitzte Frage lässt sich mit einem verhaltenen Vielleicht beantworten. In Kiel bestätigte am 12. September Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius entsprechende Meldungen zur Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Der Bund will sich so ein Mitspracherecht bei Marineaufträgen sichern.
Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer Übernahme eines Minderheitsanteils der Werft im Rahmen der Verselbstständigung von TKMS.
Foto: Frank Behling
„Wir überlegen das und sind in den Prüfungen“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag bei einem Besuch der Werft. „Ich denke, dass wird aber bis Ende des Jahres dauern.“
Dabei gehe es um einen Anteil von maximal 24,5 Prozent. TKMS ist mit 3901 Beschäftigten Deutschlands größte Werft. Sie hatte im Rahmen des Ausbaus am Standort Kiel und der Übernahme der MV Werft in Wismar neue Mitarbeiter eingestellt und dabei die bislang führende Meyer Werft in der Werftenrangliste der IG Metall überholt.
Zuvor hatte der Bund bereits die MV Werft in Warnemünde gekauft und in Marinearsenal Warnemünde umgetauft. Dort werden jetzt Marineschiffe repariert. Hier ist der Bund selbst mit eigenem Personal aktiv.
Mit einem Einstieg bei TKMS würde der Bund sich ein weiteres Mitspracherecht im Schiffbau sichern. Noch gehört die Kieler Großwerft mit Tochterstandorten in Hamburg, Bremen, Emden und Wismar zum ThyssenKrupp-Konzern in Essen. Im Rahmen des Projekts „Road to Independence“ wird die Ausgliederung der Werft aus dem ehemaligen Stahl-Konzern vorbereitet.
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In Kiel wurde am 12. September auch die neue Schiffbauhalle bei TKMS eingeweiht und der Baustart für das U-Boot-Projekt 212CD gemeinsam mit Norwegen gefeiert. Mit einem Auftragsvolumen von derzeit 5,5 Milliarden Euro ist es der größte Auftrag in der Geschichte der deutschen Werftindustrie.
Mit dem U-Boot-Auftrag wird der 2015 bei Meyer platzierte Auftrag über den Bau von fünf Kreuzfahrtschiffen der Helios-Klasse abgelöst. Dieser Auftrag hatte ein Volumen von rund fünf Milliarden Euro.
Bei TKMS in Kiel stehen in der neuen Halle jetzt sieben Bauplätze für U-Boote und andere Projekte zur Verfügung. Außerdem wurde die neue Fertigungshalle für Brennstoffzellen in Kiel eingeweiht. TKMS investiert fast 250 Millionen Euro in den Ausbau in Kiel.
Parallel ist die Werft in Wismar auch Partner der Meyer Werft beim der Fertigstellung des neuen Kreuzfahrtschiffes für die Disney Cruise Line. 2025 soll das Schiff als Disney Adventure ausgeliefert werden. Dabei handelt es sich um die ehemalige Global Dream der Dream Cruises der Genting Gruppe.
Die Umrüstung der Motoren auf Methanol statt Schweröl als Treibstoff ist ebenfalls angelaufen. Ob es neben der aktuelle Kooperation bei der Disney Adventure zwischen Meyer und TKMS noch weitere Projekte geben wird, lässt sich noch nicht absehen. FB
Ein Schiff ist voller Wertstoffe. Stahl, Edelmetalle und auch Holz oder Kunststoffe sind in ihrer Lebensdauer nicht auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage begrenzt. Die Folge: Auch ein nach 30 oder 40 Jahren wirtschaftlich nicht mehr zu betreibendes Schiff hat durchaus einen hohen Wert. Der Schrottwert eines Schiffes schwankt deshalb auch zwischen 400 und 600 Dollar pro Tonne – jedenfalls in Indien, Pakistan oder Bangladesch.
Der Verkauf von Schiffen an Abwracker östlich von Suez ist aber verpönt und in Deutschland inzwischen auch strafbar, wie der ein oder andere Reeder aus Norddeutschland im vergangenen Jahr erfahren musste.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag auch ein Ziel festgelegt. Dort steht die Stärkung der gesamten Wertschöpfungskette als Ziel drin. Der Deutsche Nautische Verein von 1868 e. V. (DNV) und das Maritime Cluster Norddeutschland e. V. (MCN) haben das Thema nun auch auf die Agenda gehoben.
Ziel ist die Verwertung auch großer Schiffe in Deutschland. Das soll dann möglicherweise sogar Fähren und auch Kreuzfahrtschiffe umfassen. So hat die Kieler Werft German Naval Yards im vergangenen Jahr mit der Cuxhavener Firma Leviathan ein Pilotprojekt gestartet.
Fotos: Frank Behling
Ein 41 Meter langes Landungsboot wird in Kiel umweltgerecht in seine Bestandteile zerlegt. Die Firmen wollen nach der erfolgreichen Testphase die Zulassung nach EU-VO 1257 (EU Ship Recycling Regulation) beantragen.
„Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man mit alten Schiffen umgehen kann und sie umweltgerecht verwertet“, so Andreas Burmester, der maritime Koordinator der Landesregierung Schleswig-Holsteins.
Die Kieler Werft nutzt mit der Firma Leviathan ihren 900 Tonnen-Kran und ein 426 Meter langes Trockendock. Den Begriff „Abwracker“ hört Karsten Schumacher, Geschäftsführer der Firma Leviathan, aber nur ungern. „Wir bringen die Wertstoffe zurück in den Kreislauf. Das schont Ressourcen und ist damit auch nachhaltig“, so Schumacher.
Für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement gilt es vor dem Hintergrund eines stark wachsenden Schiffsrecyclingbedarfs, Kapazitäten zur vollständen maritimen Kreislaufwirtschaft zu schaffen.
Die Industrie geht für die kommenden Jahre von einem Schiffsrecyclingbedarf über dem Niveau des Rekordjahres 2012 aus. Damals waren wegen der Bankenkrise hunderte Containerschiffe verschrottet worden. Während der Corona-Pandemie hatte es Kreuzfahrtschiffe besonders getroffen. Seit dem Jahreswechsel steigen aber auch wieder die Verschrottungen der normalen Handelsschiffe an.
Es ist damit zu rechnen, dass sämtliche global verfügbaren Schiffsrecyclingkapazitäten – unabhängig von deren Standards – den erwarteten Bedarf zukünftig nicht abdecken können. Gerade angesichts der sich verschärfenden gesetzlichen Vorgaben beim Arbeits- und Umweltschutz.
In Dänemark und Belgien haben sich auch bereits Schiffsverwerter in Grena, Esbjerg und Gent etabliert, die ebenfalls die europäischen Standards erfüllen.
Der Betrieb nachhaltiger Schiffsrecyclinganlagen liegt im europäischen Interesse. Bei den Abwrackeinrichtungen steht das Zerlegen im Fokus. Für diese Arbeiten eignen sich die Werften besonders. Werften verfügen über Docks, Krananlagen und Flächen. Darum schlagen der DNV sowie das MCN eine Abstimmung aller zuständigen Ministerien und Behörden vor, um eine rasche Zulassung von Schiffsrecyclinganlagen in Deutschland zu ermöglichen.
Neben Kiel sind aber auch Anlagen in Emden, Stralsund, Hamburg oder Bremen im Blick. Bevor Leviathan nach Kiel zur Werft German Naval Yards kam, hatte man auch in Stralsund über einen Platz verhandelt.
Ob in Kiel auch irgendwann auch so große Schiffe wie in der Türkei oder Indien recycelt werden, steht noch nicht fest. Bei German Naval Yards sieht man hier zunächst nur eine begrenzte Kapazität. „Wir bauen Schiffe“, so Geschäftsführer Rino Brügge.
Die Beteiligung an dem Projekt mit Leviathan bringt für die Werft aber die Erfahrung in dem Bereich mit. Leviathan nutzt für das Zerschneiden der Schiffsteile Wasser statt der Brennschneidtechnik. Der Kieler Schrotthandel nutzt für die Verwertung von ehemaligen U-Booten der Marine und anderen kleineren Schiffen das konventionelle Brennschneidverfahren. FB
Wann wird der weltweit größte Kreuzfahrt-Konzern wieder an neue Aufträge denken können? Diese Frage treibt gerade besonders Werftbeschäftigte von Finnland bis Italien um. Das Orderbuch der Carnival Corporation schrumpft weiter. Mit der Ablieferung der Arvia von der Meyer Werft sank das Auftragspolster auf nur noch fünf Schiffe. Drei Neubauten sind bei Fincantieri in Bau und je ein Schiff bei Meyer in Papenburg und Mariotti in Genua. Ende 2020 waren noch zwölf Neubauten im Autragsbestand.
Die Queen Anne ist aktuell das letzte Schiff für eine europäische Carnival-Marke im Orderbook. Das 3000-Betten-Schiff soll zur Sommersaison 2024 zur Cunard-Flotte stoßen. Im Sommer 2025 steht bei Fincantieri die Auslieferung des letzten Carnival-Neubaus an. Es ist für Princess Cruises bestimmt. Danach ist dann erstmal Schluss.
Selbst wenn jetzt neue Aufträge vergeben würden, wäre die Lieferung erst ab 2026 möglich. Die Folge für die Werften sind ein Umschwenken auf andere Produkte. Alle drei großen europäischen Anbieter für Kreuzfahrtschiffe setzen bereits auf andere Produkte für die zweite Hälfte der Dekade. Dazu gehören Spezialschiffe für Offshore-Projekte, Luxusyachten und ganz besonders Rüstungsprojekte, die seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine überall starken Aufwind bekommen.
Die Carnival Cruise Corporation verweist auf die weiter deutlich zu schwachen Passagierzahlen. So lag im Geschäftsjahr 2022 (bis 30.11.) die Zahl der beförderten Passagiere bei 7,7 Millionen. Zum Vergleich: 2019 wurden 12,9 Passagiere befördert. Und wenn der nordamerikanische Markt 2022 nicht so überproportional zugelegt hätte, wäre auch dieses Ergebnis nicht erreicht worden. In Europa kamen die Carnival-Marken 2022 nur auf 2,1 Millionen Passagiere, statt 4,2 Millionen in 2019.
Die aktuellen Neubauprogramme der Reedereien bringen die Passagierkapazitäten der gesamten Branche bis 2025 von heute 563000 auf 764000 Betten. Bei Carnival steigen die Kapazitäten durch die Neubauten von heute 259000 auf dann rund 272000 Betten. Diese Kapazitäten gilt es nicht nur zu füllen, sondern auch wieder in die Profitzone zu bringen.
Auch 2022 fuhren die Carnival-Marken ein dickes Minus ein. Bei den Carnival-Marken standen am 30. November zwar Einnahmen von 12,168 Milliarden Euro aus Ticketverkauf und Bordumsatz (5,1 Milliarden) auf der Habenseite. Doch die operativen Ausgaben für die 91 Carnival-Schiffe lagen bei 16,5 Milliarden Dollar. Dabei sind Treibstoff und Personal mit je 2,1 Milliarden Dollar mit die größten Einzelposten.
Aktuell soll das Ziel eines profitablen Schiffsbetrieb der Flotten wieder für 2024 erreicht werden. Das ist abhängig von einer gewissen Sicherheit in den Zielgebieten und beim robusten Konsumverhalten. Der profitable Betrieb ist wichtig für den Abtrag des Schuldenstands.
Deshalb sind in der Finanzplanung aktuell auch 2025 nur noch 895 Millionen Euro für Neubauten eingestellt. Für 2026 und 2027 sieht der Haushaltsplan keine neuen Schulden für Neubauten vor. Bis 2027 sind 32 Milliarden Dollar allein für Schuldendienst eingeplant, wobei rund vier Milliarden auf die noch aussehenden Neubauten entfallen.
Wann wieder die berühmte Tinte unter einen Neubaukontrakt gesetzt wird, steht aktuell in den Sternen. Ein wichtiger Aspekt könnte der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit sein, die die Reedereien irgendwann zur Ausmusterung der Alttonnage drängt und neue Schiffe mit neuen Technologien wirtschaftlich attraktiv macht.
Bei AIDA in Rostock wird bereits an einem Zero-Emission-Ship geplant. Der Neubau könnte zum Beginn des nächsten Jahrzehnts in Fahrt kommen. Dabei sollen auch die Erfahrungen mit der Brennstoffzelle auf der AIDAnova und der neuen Batterietechnik der AIDAprima mit einließen. AIDA will innerhalb der Carnival-Gruppe die Rolle als Technologieführer für Zukunftsprojekte ausbauen. FB
Die pandemiebedingte Krise der Kreuzfahrtindustrie hat die dramatische Entwicklung der deutschen und europäischen Schiffbauindustrie offengelegt. Denn die Konzentration der heimischen Schiffbauindustrie auf die High-End-Märkte wie Kreuzfahrtschiffe, Yachten, Marineeinheiten und andere Behördenfahrzeuge war als Ausweg aus den jahrzehntelangen Marktverzerrungen gesehen worden. Gegen Dumpingpreise in anderen Marktsegmenten waren europäische Werften wehrlos, so dass zahllose Produktionsstandorte schließen mussten, stellte der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) bei der diesjährigen Vorlage seines Jahresberichts fest.
Das Marktsegment der Kreuzfahrtschiffe mit einem Bestellvolumen von rund 80 Mrd. € in den Jahren 2016-2019 habe die zivile Schiffbauproduktion in Europa dominiert. Doch neue Bestellungen blieben in den vergangen zwei Jahren bis auf wenige Ausnahmen aus. Zwar konnte 2021 die Schiffbauproduktion stabilisiert und im Vergleich zum schwachen Vorjahr wieder deutlich erhöht werden, der schwache Auftragseingang weise aber schon jetzt auf eine erhebliche kommende Unterauslastung hin. Die Situation in Deutschland lasse sich eins zu eins auf ganz Europa übertragen. Der jahrelange Substanzverzehr an Schiffbaukapazitäten sei insbesondere vor dem Hintergrund der erwarteten stark wachsenden Nachfrage besorgniserregend. Um einen unwiederbringlichen Fähigkeitsverlust zu vermeiden, sei eine dringende Korrektur politisch gesetzter Rahmenbedingungen erforderlich: Trotz einer Verdopplung der globalen Schiffbaunachfrage, nahmen die Bestellungen in Europa auch im Vergleich zum extrem schlechten Vorjahr noch einmal um 20% ab. 85% aller Aufträge 2021 weltweit gingen an China und Korea, die beiden Nationen, die ihre maritimen Industrien seit Jahren mit massiven Subventionen unterstützen, erläuterte VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. Selbst Japan, das immer noch eine hohe Inlandsnachfrage aufrechterhält, trägt inzwischen keine 10 Prozent mehr bei. Europas Marktanteil fiel auf unter 4%. Gleichzeitig sehen sich viele maritime Zulieferunternehmen wie in anderen Branchen mit wachsenden Problemen in ihrem Chinageschäft konfrontiert. Local-Content, Diskriminierung, Gängelung durch Parteifunktionäre – gute Geschäfte lassen sich nur noch machen, wenn der chinesische Kunde auf das Produkt unbedingt angewiesen ist.
Es drohe ein dramatischer Verlust schiffbaulicher Fähigkeiten in der EU. Deutsche Werften könnten nur bei auskömmlichen Vertragspreisen Aufträge akquirieren. Sie könnten weder subventionierte Preise anbieten noch darauf hoffen, dass der Staat Verluste ausgleicht. Obwohl einige Marksegmente eine Rekordnachfrage verzeichnet haben, böten chinesische Werften heute Baupreise, die um bis zu 30% niedriger sind als vor 15 Jahren, während im selben Zeitraum die durchschnittliche Entlohnung in China um knapp 400% gestiegen ist. Koreanische Werften, die in diesem Preiskampf mitgehalten haben, hätten einen Verlust von 3,3 Mrd. $ in 2021 zu verzeichnen. „Ohne durchgreifende Veränderung der politischen definierten Rahmenbedingungen wird Europa in den kommenden zehn Jahren die Fähigkeit zum zivilen Seeschiffbau in signifikanten Umfang verlieren“, warnt VSM-Präsident Harald Fasssmer. Schon heute sei die maritime Wirtschaft in Europa und überdurchschnittlich in Deutschland – in erheblichem Umfang von Lieferungen aus China abhängig. Deutsche Reeder platzierten Neubaubestellungen im Wert von 4 Mrd. €, davon 55% in China und 44% in Korea, der G20-Volkswirtschaft mit der größten Abhängigkeit von chinesischen Vorprodukten. Obwohl die Reedereiwirtschaft durch erhebliche Steuermittel unterstützt werde, verblieben gerade einmal 1% der Neubauinvestitionen in der EU. Dank europäischer Investitionen wachse der Einfluss Chinas auf den globalen Güterverkehr Tag für Tag. China produziere 96% aller Container und 80% aller Containerbrücken. Der Einfluss des Reichs der Mitte auf den globalen Güterverkehr sei schon heute exorbitant, wie die aktuellen Störungen durch die covidbedingten Hafenschließungen zeigten. Gleichzeitig baue China auch über günstige Finanzierungen der platzierten Neubauaufträge seinen weltweiten Einfluss auf die Handelsflotten kontinuierlich weiter aus. Die Bundespolitik habe die schmerzhafte Abhängigkeit von russischen Energieträgern erkannt und adressiere diese entschlossen. Der VSM fordert die Bundesregierung auf, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und auch die stetig wachsende maritime Abhängigkeit und den drohenden Verlust der Freiheitsindustrie Schiffbau entschlossen und mit strategischem industriepolitischem Weitblick entgegenzutreten. Dabei reichen die Wünsche von einem dauerhaften KfW-Förderprogramm für den Bau besonders umweltfreundlicher Schiffe über einen durch staatliche Garantien abgesicherten Investitionsfonds für eine umweltfreundliche Küstenschiffsflotte bis zu kostenneutralen Hermeskreditversicherungen für inländische Schiffseigner auch dann, wenn sie ihr Deutschland gebautes Schiff im Ausland einsetzen. JPM
Der Neubaumarkt für Kreuzfahrtschiffe wird auf absehbare Zeit nicht wieder wachsen. Die drei großen europäischen Kreuzfahrtwerften Fincantieri, Chantiers de l’Atlantique und Meyer sind deshalb auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern.
Eine große Bedeutung hat deshalb jetzt das sogenannte After-Sale-Geschäft. Gemeint ist die Betreuung und Bindung der Reedereien über den Zeitpunkt hinaus, wenn die vereinbarte Gewährleistungsfrist endet.
Dieses Geschäft beinhaltet nicht nur die Wartung der Flotte im Rahmen der Werftintervalle. Es geht auch um die Anpassung der Schiffe an die technologisch neuen Konzepte. Ein Beispiel sind die Auflagen durch strengere Umweltvorschriften, wie die Annahme von Landstrom oder die Umstellung auf saubere Treibstoffe.
350 Kreuzfahrtschiffe sind derzeit weltweit im Einsatz. Ein jährliches Auftragsvolumen im dreistelligen Millionen-Bereich wartet auf die Werften. Die Meyer Werft hat deshalb jetzt die neue Tochter Meyer RE zu ihrem Kerngeschäft erklärt. Mit dem Ziel einer „lebenslangen Betreuung“ der Kreuzfahrtflotte will die Werftgruppe mit ihren Standorten in Papenburg, Rostock und Turku in Zukunft neue Aufträge generieren. Werftchef Bernard Meyer bezeichnet diese Firma als „wichtigen Baustein für unsere Zukunft“.
Neben der Erneuerung von Kabinen im Rahmen des Refurbishments sollen auch „innovative Engineering-Projekte“ angeboten werden. Damit will die Werft ihr Knowhow für den Einbau neuer Antriebsanlagen oder Anlagen zur Steigerung der Effizienz anbieten. Dabei sollen die Entwürfe und Ingenieurarbeit an den Meyer-Standorten erfolgen.
Eine Rückkehr der Schiffe zur Meyer Werft selbst ist dabei nicht geplant, was auch die Umweltschützer an der Ems aufatmen lässt. Für die Umbauarbeiten will die Meyer Werft Kapazitäten bei Partnerwerften mit Docks und Pieranlagen nutzen. Diese Werften sollen in der Nähe der jeweiligen Fahrtgebiete der Schiffe liegen.
Ein Beispiel für die Nachrüstung von Kreuzfahrtschiffen liefert AIDA Cruises. Bei zwei Pilotprojekten werden Batterien und Brennstoffzellen nachgerüstet. Die AIDAprima wird in diesem Sommer eines der größten Batteriepakete der Schifffahrt bekommen. Die 2018 von Meyer abgelieferte AIDAnova soll im Sommer mit moderner Brennstoffzellentechnologie nachgerüstet werden. Beide Projekte werden im laufenden Betrieb umgesetzt.
IONA, Foto: Frank Behling
Diese Projekte könnte auch die Meyer Werft für andere Schiffe aus ihrer Produktion vollziehen. Die Werft hatte 2020 mit der Iona das 50. Kreuzfahrtschiff abgeliefert. Ein Großteil der Flotte ist jünger als 20 Jahre.
Die Abkürzung RE wurde mit Bezug auf die Kernbegriffe „Rethink“ und „Revalue“ gewählt. Das Angebot umfasst komplette Wartungsverträge für Reedereien. Das neue Konzept präsentierte die Werft auf der Fachmesse Seatrade Cruise Global 2022 in Miami.
Foto: Frank Behling
Die erfolgreiche Perspektive dieses Projekts zeigt der Rüstungsbereich. Die Werft ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel bietet für die weltweit über 100 U-Boote seit Anfang der 70er Jahre dieses Angebot. Ein Großteil des Geschäfts erstreckt sich bis heute auf die Betreuung der Marinen von Peru bis Indien bei der Anpassung der ausgelieferten U-Boote mit neuer Technologie aus Kiel. Dazu gehört zum Beispiel neue Technologie für Batterien, Brennstoffzellen oder neue Elektronik.
Das Geschäft umfasst bei TKMS einen Bereich von mehreren hundert Millionen Euro. So hat die Werft aktuell Aufträge über die Modernisierung der in den 80er Jahren gelieferten U-Boote in Indien, Israel und Peru. Allein aus Peru bekam TKMS 2016 einen Auftrag über 40 Millionen Euro für die Modernisierung von U-Booten, Indien lässt gerade zwei Kieler U-Boote in Mumbai für 35 Millionen Euro modernisieren.
Bei den Kreuzfahrtreedereien schrumpfen die Bestellungen weiter. Bei Beginn der Pandemie waren über 100 Kreuzfahrtschiffe weltweit im Bau oder bestellt. Inzwischen ist das Orderbook auf 75 Schiffe zusammengeschmolzen. Signifikante Auftragseingänge werden angesichts der hohen Verschuldung der großen Kreuzfahrtgesellschaften nicht erwartet. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf Konsolidierung und die Abnahme der bestellten Schiffe. Sie haben nach einer Übersicht der „Cruise Industry News“ ein Auftragsvolumen von 48,5 Milliarden Dollar. 169000 Betten sind allein im Zulauf. FB
Die Pandemie hat ihren Schrecken verloren. Seit dem Einfall der russischen Truppen in die Ukraine ist Covid-19 aus den Schlagzeilen verdrängt worden. Die Welt hat längst neue Probleme zu lösen. Doch die Pandemie wirkt nach. Die Auswirkungen von Covid-19 auf die Kreuzfahrt werden bis in die zweite Hälfte des Jahrzehnts reichen.
Der Indikator für die Lage der Kreuzfahrt ist seit Jahren das Orderbook. Die Bestellungen von Neubauten bei den Werften geben die Signale für die mittelfristige Entwicklung. Die bereits zu Beginn der Pandemie 2020 bei den Werften erkannte Zurückhaltung der Reedereien, ist jetzt eingetreten. „Unsere Kunden brauchen für lange Zeit keine weiteren Neubauten“, so hatte Werftchef Bernard Meyer seine Mitarbeiter bereits 2020 auf die kommende Zeit eingeschworen.
Und so kam es. Bislang sind Spezialschiffe wie das neue Forschungsschiff Meteor, Tanker für die Marine und ein Appartementschiff für Superreiche die einzigen Erfolge der Meyer Werft.
Von neuen Kreuzfahrtschiffen redet man in Papenburg gerade eher selten. Das letzte echte Kreuzfahrtschiff wurde bei Meyer am 31. März 2021 bestellt. Ein 228 Meter langes und etwa 51950 BRZ großes Schiff für die japanische Reederei NYK. Bei der Vermessung liegt dieser Neubau weit hinter den Giganten vom Schlag der AIDAcosma oder einer Disney Wish.
Die Reedereien haben alle großen Neubauprojekte auf Eis gelegt. Das Schicksal der Genting-Gruppe mit der Dream Cruises ist für die Manager Abschreckung genug. Das vordringliche Ziel ist es, jetzt wieder einen profitablen Betrieb auf die Beine zu stellen. „Über Neubauten können wir wieder reden, wenn Geld verdient wird“, so das oft gehörte Argument aus den Reedereien.
Fast alle Kreuzfahrtgesellschaften schieben gewaltige Schuldenberge vor sich her. Wenn es im Sommer wieder gelingen sollte, die Kabinen mit zahlenden Passagieren zu füllen, geht es jetzt auf Jahre zunächst nur um eine Aufgabe: Geld für Zins und Tilgung der Schulden zu verdienen. Viele Banken haben den Reedereien zur Überbrückung der Pandemie die Tilgung der Schulden für die letzten Neubauten ausgesetzt. Waren in den Vorjahren oft sogar Sondertilgungen die Regel, ging es seit April 2020 fast nur darum, die Reedereien und Flotten liquide zu halten.
Foto: Frank Behling
„Über Neubauten kann man nur sprechen, wenn auch Eigenkapital hat“, so ist zu hören. Und genau hier hapert es noch. Deshalb wurden sich Werften und Reedereien auch schnell bei der Streckung der Aufträge einig. Zum Teil sind Schiffe um ein bis zwei Jahre geschoben worden. „Wir müssen Stornierungen vermeiden“, so auch Meyer. Das ist gelungen.
Das Orderbook schmilzt deshalb rasant gerade ab. Waren beim Start der Pandemie am 1. April 2020 bei den Werften noch 114 Neubauten mit einem Auftragswert von 66 Milliarden Dollar in den Büchern, so sind es am 1. April 2022 nur noch 77 Neubauten mit einem Auftragsvolumen von 49 Milliarden Euro.
2022 und 2023 werden nur vereinzelt Neubauplatzierungen erwartet. Reedereien wie zum Beispiel MSC sind durch ihre Milliarden-Gewinne in der Containerfahrt weiter hoch liquide. Dort ist auch das Eigenkapital für neue Projekte vorhanden. Ob aber MSC kurzfristig in neue Kreuzfahrtschiffe investiert, bleibt abzuwarten.
Bei den großen US-Reedereien Carnival, Royal Caribbean und NCL geht es um die Konsolidierung. Als erste Reedereien der großen Konzerne sind jetzt AIDA Cruises und Costa Cruises mit ihrem Neubauprogramm zum Ende gekommen.
Foto: Frank Behling
Die AIDAcosma und die Costa Toscana werden die letzten Neuzugänge auf Jahre gewesen sein. Beide Reedereien werden vorerst nur noch ältere Schiffe abgeben.
„Jetzt geht es vorrangig darum, die fahrende Flotte zu dekarbonisieren“, so ist bei AIDA zu hören. Mit einem zweistelligen Millionen-Aufwand werden in den kommenden Monaten die Schiffe AIDAprima und AIDAnova weiterentwickelt.
Im Trockendock der Damen Werft in Rotterdam liegt seit Anfang März die AIDAprima. Im Rumpf werden die Räume für große Batterie-Pakete geschaffen. Noch in diesem Frühjahr soll das Schiff das größte Batteriepaket bekommen, das je auf einem Kreuzfahrtschiff eingebaut wurde. Der kanadisch-norwegische Batterie-Anbieter Corvus Energy lässt die Batteriezellen in einem neuen Werk in Bergen herstellen. Erfahrungen hat Corvus bereits seit sie Fähren von Scandlines mit Batterien ausgerüstet haben.
Die Blöcke von der Größe mehrerer Seecontainer sollen der AIDAprima bis zu 10 Megawatt-Stunden Energie liefern. Damit soll die AIDAprima zukünftig ohne Betrieb der vier MaK-Generatoren in Fjorde und Häfen in Nordeuropa einlaufen können.
Da fast alle seit 2000 gebauten Kreuzfahrtschiffe als Antrieb eine Kombination aus Dieselgeneratoren und elektrischen Fahrmotoren nutzen, können bestehende Schiffe so nachgerüstet werden und ihre Klimabilanz deutlich steigern. Die Aufladung dieser Batterien kann entweder durch Landstrom in den Häfen oder durch die Generatoren an Bord während der Nachtfahrt erfolgen.
Bei AIDA sind neben der AIDAprima auch die AIDAperla und die sieben Sphinx-Schiffe für eine Nachrüstung geeignet. Aber auch die Schiffe von TUI Cruises, Costa und MSC besitzen theoretisch diese Möglichkeit.
Die nächste Stufe ist die Nachrüstung mit Brennstoffzellen. Bei der AIDAnova ist das im Herbst geplant. Große Brennstoffzellen können den Strom liefern, mit dem dann die Fahrmotoren angetrieben und die Bordnetze versorgt werden.
Und Neubauten? Bei der Meyer Werft erfolgt eine Ausrichtung auf Spezialschiffe. Mit dem Neubau für NYK wird Mitte 2025 der vorerst letzte Kreuzfahrtneubau Papenburg verlassen. International sind die letzten derzeit die Neubauten „Prima 6“ für NCL und die „World 4“ für MSC bei Chantiers de l‘ Atlantique in Frankreich 2027 die aktuellen Schlusslichter im Orderbook. FB
Die Global Dream soll auf jeden Fall fertiggebaut werden. Diese Botschaft sendeten politische Vertreter des Landes und des Bundes nach Krisengesprächen in Mecklenburg-Vorpommern am 6. Januar aus. Das erste Kreuzfahrtschiff der „Global“-Klasse der MV Werften ist zu über 70 Prozent fertiggestellt. Die für die Fertigstellung erforderlichen Kredite sollen demnach auch im Fall einer Insolvenz der Werft gewährt werden.
Foto: Frank Behling
Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens wird inzwischen immer öfter als Ausweg für die schwer angeschlagenen Werftengruppe genannt. Durch ein Insolvenzverfahren könnte sichergestellt werden, dass Gelder nicht durch die Muttergesellschaft Genting nach Asien abgeleitet werden. In der Ostseezeitung gab die neue maritime Koordinatorin des Bundesregierung, Claudia Müller, jetzt den Kurs in Richtung Fertigstellung des ersten der beiden Schiffe vor. „Diese Variante wäre immer noch besser als verschrotten“, sagte die Grünen-Politikerin der Zeitung.
Unterdessen hat der Betriebsrat der MV Werften einen Brief an den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben und ihn zur Unterstützung aufgefordert. Als Teil der Bundesregierung schaltete sich aber die frisch ernannte maritime Koordinatorin ein und beteiligt sich an der Suche nach einem Konzept für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Global Dream liegt seit November im Dock der MV Werft in Wismar und ist inzwischen schwimmfähig. Die Maschinen wurden bereits getestet und sind betriebsklar. Beim Innenausbau des für 9000 Passagiere ausgelegten Neubaus geht es ebenfalls auf die Zielgerade. Bis zum Jahresende könnte das Schiff im Idealfall fertiggestellt sein.
Genting Dream, Foto: enapress.comWorld Dream, Foto: Frank Behling
Was nach der Fertigstellung aber mit dem Schiff passiert, ist noch unklar. Das Schiff sollte für die Marke Dream Cruises zum Einsatz kommen. Dort ist das Schiff aktuell aber noch nicht Bestandteil des Fahrplans. Dream Cruises setzt aktuell nur die bei Meyer gebauten Schiffe Genting Dream, World Dream und Explorer Dream ab Hongkong, Singapur und Taiwan ein.
Weiter unklar ist die Zukunft des zweiten Schiffes der „Global“-Klasse. Der Rohbau des Mittelschiffes liegt weiter in Warnemünde im Dock. An dieser Sektion ruht seit fast 18 Monaten die Arbeit. FB
Zu den Hilfsmaßnahmen sprach an Bord-Chefredakteur Michael Wolf mit dem maritimen Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann.
MW:Mit „Debt Holidays“ sollen Kreuzfahrtreedereien für ein Jahr die Schuldentilgung ihrer mit Hilfe staatlicher Exportkreditgarantien finanzierten Kreuzfahrtschiffe aussetzen können. Wie weitreichend ist diese Hilfe, welches Volumen umfasst es?
NB: Aktuell sichert der Bund über Exportkreditgarantien Finanzierungen von in Deutschland gefertigten Kreuzfahrtschiffen in Höhe von rund 25 Mrd. Euro ab. Für diese Finanzierungen können Kreuzfahrtreedereien für die Dauer eines Jahres die Tilgungsraten, das entspricht zwei Raten, gegenüber den kreditgebenden Banken aussetzen.
MW: Wie funktioniert das im Detail?
NB: Die Reedereien müssen die Tilgungsaussetzung beantragen. Der Bund müsste diesen Anträgen eigentlich in jedem Einzelfall, d.h. pro Schiff, zustimmen. Das ist aber ein umständliches und bürokratisches Verfahren. Zur Vereinfachung erfolgt unsere Zustimmung zu diesen Anträgen auf Ebene der Reedereien. Damit geben wir das Signal in den Markt, dass man sich über die Genehmigung keine Sorgen machen muss: wir werden diese Anträge – unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen – pauschal positiv bescheiden für diese beiden nächsten Raten.
MW: Haben Sie eine Übersicht, wieviel Neubauten das derzeit betrifft?
NB: Der Bund hat bereits mehreren Anträgen auf Stundung unter der „debt holiday“ Initiative zugestimmt. Insgesamt sind bisher fünf Anträge eingegangen. Das Volumen der zu stundenden Tilgungsraten beträgt rd. USD 1,2 Mrd. Für uns ist wichtig, dass die Reedereien die Mittel haben, ihre fälligen Raten bei den Werften zu bezahlen. So vermeiden wir Folgeprobleme bei den Werften und vor allem bei den mehr als 3000 Zulieferbetrieben. Um den Ausfall des gesamten Systems zu vermeiden, ist es wichtig, an der ersten Stelle einzugreifen und die Reedereien liquide zu halten, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können.
MW: Die meisten Neubauten werden von US-Reedereien bestellt. Inwieweit sind deutsche Reedereien betroffen?
NB: Das wäre z.B. AIDA als deutscher Ableger der britisch-amerikanischen Carnival Corporation.
MW: Das Programm kommt aber in erster Linie den Werften zugute.
NB: Der Schutz der Werften ist das höhere Ziel.
Die Reedereien haben in den letzten Jahren gut verdient und derzeit auch noch ein finanzielles Polster. Da wir aber nicht wissen, wie lange diese schwierige Situation anhält, dürfen wir auch keine Strukturen komplett zerschlagen. Was nutzen neugebaute Schiffe, wenn die niemand abnimmt?
MW: Wie beurteilen Sie selbst die Lage der Kreuzfahrt und der Werften im deutschen Bereich?
NB: Im Moment ist der Markt völlig zusammengebrochen. Wenn gebuchte Urlaubsreisen aufgrund von COVID-19 storniert werden und bereits gezahlte Beträge zurückerstattet werden müssen, dann kann das für Reiseveranstalter existentielle Probleme verursachen. Das gilt auch für die Kreuzfahrtbranche. Die Bundesregierung hat eine freiwillige Gutscheinlösung eingeführt, durch die es Reiseveranstaltern ermöglicht wird, den Reisenden statt der sofortigen Erstattung der Vorauszahlungen Gutscheine für spätere Pauschalreisen anzubieten. Ich kann nur dafür werben, dass Urlauber die Gutscheine in Anspruch nehmen. Die Gutscheine gewährleisten die volle Werthaltigkeit der getätigten Anzahlung – übrigens auch für den Fall der Insolvenz des Reiseveranstalters. Auf der anderen Seite mindern sie gerade das Insolvenzrisiko, weil die Reiseveranstalter nicht auf einen Schlag alle Anzahlungen zurückerstatten müssen und damit in Liquiditätsprobleme kommen. Unser Anliegen ist es dabei, die unvermeidbaren Verluste so klein wie möglich zu halten. Die aktuelle Situation hat aber auch psychologische Auswirkungen. Einige Länder haben Schiffen die Zufahrt in die Häfen verweigert – sogar Schiffen, die unter der eigenen Landesflagge fahren. Zum Beispiel Malta, das einem Schiff einer deutschen Reederei, das unter maltesischer Flagge fährt, die Einfahrt in den Hafen von Valletta verweigert hat. Dadurch sind Szenen entstanden, die bei den Touristen abschreckende Wirkung hatten. Wir können nicht einschätzen, wie so etwas das mittelfristige Buchungsverhalten beeinflusst. Insgesamt kommen wir zu der Einschätzung, dass die Reeder 2021 und wahrscheinlich auch 2022 kein neues Schiff in Auftrag geben werden. Wegen der Vorläufe, die so etwas hat, könnten dann frühestens Mitte der zwanziger Jahre Schiffe wirklich wieder auf Kiel gelegt werden. Immer vor dem Hintergrund, dass die Werften keinen Leerlauf haben und so größerer Schaden abgewendet werden kann.
MW: Würden Sie heute mehr tun können, wenn die deutschen Reedereien ihre Schiffe unter deutscher Flagge fahren lassen würden, oder ist das irrelevant?
NB: Das ist natürlich nicht irrelevant. Alle Pakete, die wir im Moment schnüren, dienen dem Wiederaufschwung der deutschen Wirtschaft und zielen ab auf die Vorhaben in Deutschland. Diese Unterstützung der Wertschöpfung im eigenen Land ist von der EU-Kommission abgesegnet. Bei der Prüfung, ob es sich um ein Vorhaben in Deutschland handelt, haben Schiffe unter deutscher Flagge auf jeden Fall Vorteile.
„Dept Holidays“ für Kreuzfahrtreedereien Mit Ausbruch der Corona-Krise ist das Kreuzfahrtgeschäft zum Erliegen gekommen. Weltweit haben Reedereien ihren Geschäftsbetrieb nahezu eingestellt. Die schlagartig verschlechterte Ertragslage der Reedereien wirkt sich auch auf die europäischen Werften und deren Orderbücher negativ aus. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund fehlender Liquidität Schiffsbestellungen storniert und Neubau-Investitionen verschoben werden. Dies hätte fatale Auswirkungen für Tausende von Beschäftigten – sowohl in der europäischen Werftindustrie als auch bei den zahlreichen Zulieferbetrieben. Die für den Erwerb neuer Kreuzfahrtschiffe notwendigen Finanzierungen werden regelmäßig über staatliche Exportkreditgarantien abgesichert. Allein Deutschland sichert so aktuell Zahlungsverpflichtungen für Finanzierungen von in Deutschland erstellten Kreuzfahrtschiffen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro ab. Um Liquiditätskrisen bei den Kreuzfahrtreedereien vorzubeugen, haben sich die Regierungen in Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien und Norwegen auf Prinzipien verständigt, wie Kreuzfahrtreedereien die Schuldentilgung ihrer Schiffe aussetzen können, sogenannte „Debt Holidays“. Die Umsetzung dieser Maßnahme erfolgt in enger Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium. „Die nun mit den europäischen Partnern getroffene Vereinbarung hilft der maritimen Wirtschaft in Deutschland und deren Zulieferern. Wir sorgen für eine Liquiditätsentlastung bei den Kreuzfahrtreedereien und stabilisieren damit in der aktuellen Krisensituation die langjährigen Geschäftsbeziehungen der europäischen Werften. Die ergriffenen Maßnahmen dienen so auch dem Schutz Tausender von Arbeitsplätzen. Zugleich reduzieren wir für den Bund das Risiko des Ausfalls der staatlich abgesicherten Schiffsfinanzierungen“, so der maritime Koordinator der Bundesregierung Norbert Brackmann. Reedereien, die eine Aussetzung der Schuldentilgung beantragen möchten, können sich ab sofort über ihre kreditgebenden Banken (ECA-Agenten) an die jeweiligen staatlichen Exportkreditagenturen wenden. JPM
Video der Meyer Werft-Gruppe zu COVID-19 und die Auswirkungen
Video: Meyer Werft
Foto: BMWi/Susanne Eriksson ; Inklusive Update vom 22. Mai 2020
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