Vor mehr als 100 Jahren versank die Endurance im Südpolarmeer, jetzt wurde sie geortet. Roland Mischke ist fasziniert von diesem Fund.

Das Forschungsschiff ist wieder da. 3008 Meter in der Tiefe vor der Antarktis liegt die Endurance (Ausdauer) so friedlich, als sei sie nicht auf dem Schiffsfriedhof, sondern als Betrachtungsobjekt im Museum. Das liegt am dauerkalten Wetter in der Region, die Antarktis hat einen Kühlschrankeffekt im Megaformat. Der Tauchroboter, den die Crew der Agulhas II im Südpolarmeer herabließ, gelangte zu einem Schriftzug am Heck des Wracks, unterhalb der Reling: Endurance. Es ist nicht von holzfressenden Organismen zermürbt worden, vielmehr haben diese sich dort bevölkert. Der Fund ist eine Sensation. „Das ist das schönste Schiffswrack aus Holz, das ich je gesehen habe“, sagt der britische Archäologe Mensun Bound. Es steht aufrecht auf dem Meeresboden, in „brillantem Zustand“. Das liegt, so der mitgereiste Dan Snow, ein Historiker, an der „Klarheit von destilliertem Wasser“.
Im November 1915 war die Endurance im Eis festgefahren, sie wurde eingefroren und war funktionsunfähig, dann von den gewaltigen Eisschollen bedrängt, zerquetscht und unters Wasser gedrückt worden. Der britische Polarforscher Ernest Shackleton (1874-1922) irischer Abstammung war ein umsichtiger und kühner Mann. Drei Expeditionen im Eis führte er, er wollte den Kontinent Antarktis durchqueren und vermessen. In der unruhigen Weddelsee lag der Segler lahm, die Besatzung musste aufgeben. Unter schwierigen Bedingungen gelang es ihr, an Land zu kommen, Geräte und Vorräte hatten sie im Gepäck. Dieser Vorgang machte die Endurance zur verlorenen Berühmtheit. „She’s gone“, sagte Shackleton, als die Seefahrer sich gerettet hatten und vor ihren Augen das Schiff absackte. Für immer, glaubte man, aber seit dem 5. März ist es wieder da.

2019 gab es einen ersten Versuch, die Versunkene zu finden, die Expedition scheiterte. Der jetzigen Forschergruppe gelang es anhand der Positionsbestimmungen von Shackletons Crew das Wrack an einer Stelle in der Meeresströmung zu entdecken. Tauchroboter schickten atemraubende Bilder nach oben. Das Steuerrad ist noch mit Eisen fest an seine Kurbel gebunden, die Geländer sind erhalten, selbst die Leinen. Welche Artefakte noch entdeckt und geborgen werden, ist noch ungewiss. Fest steht, dass die Endurance nicht aus dem Meer gezogen wird – das fast gänzlich von Eis bedeckte Schiff bleibt an seinem Platz.

Die wahre Leistung von Ernest Shackleton ist die Rettung der Überlebenden, die in verzweifelter Lage monatelang durchhalten mussten. Sie kampierten auf Eis in einer Gegend, die häufig von polaren Stürmen aufgesucht wird, die Temperaturen bleiben beständig in Minusgraden. Der Anführer hielt seine Männer zusammen, sie hatten ein Rettungsboot mit auf Elephant Island gebracht, das zum umgedrehten Schutzort wurde. Shackleton ermutigte sie auch, als die lange Dunkelheit einsetzte, bis sie von einem anderen Schiff aufgenommen worden. Er starb 1922, exakt vor 100 Jahren.