Auf eine wechselvolle Geschichte unter finnischer, schwedischer und estnischer Flagge zurückblicken kann die 1987 von der polnischen Gdansk Shipyard erbaute Ro/Pax-Fähre Sailor. Das zunächst als Finnsailor für die finnische Reederei Neste Oy bzw. Finnlines in Fahrt gekommene und nach einem 2000 begonnenen Leasing-Zwischenspiel für den in Malmö ansässigen Fährbetreiber Nordö Link von Finnlines 2015 nach Estland weiterverkaufte und in Sailor umbenannte Schiff hat jetzt innerhalb Estlands erneut den Eigentümer gewechselt. Das nunmehr von der estnischen Tallink Grupp für 8,5 Mio. Euro vom letzten Eigentümer, der estnischen Reederei Navirail OÜ, angekaufte Schiff war seit 2016 im Rahmen einer Vier-Jahres-Charter der dänischen Fährreederei DFDS als Sailor auf der Route Paldiski-Kapellskär im Einsatz. Das unter estnischer Flagge betriebene Schiff, das bei einer Länge von 157 m und einer Breite von 25 m auf eine Vermessung von 20921 BRZ kommt, verfügt über insgesamt 60 Kabinen für 23 Besatzungsmitglieder und 119 Passagiere. Darüber können auf mehr als 1500 Spurmetern Ro/Ro-Ladungen und Passagierfahrzeuge befördert werden. Die 19 kn schnelle Sailor wurde am 30. Juni für die Tallink Grupp im zyprischen Schiffsregister registriert und wird am 9. Juli 2020 in Paldiski an die Tallink Grupp übergeben. Es wird auch künftig unter seinem jetzigen Namen auf seiner bisherigen Route eingesetzt, Entscheidungen über den Fahrplan des Schiffes sollen in „naher Zukunft“ getroffen werden.
„Die jüngste Krise hat sehr deutlich gemacht, dass wir unsere Flotte mit RoPax-Schiffen stärken müssen, um sicherzustellen, dass wir auf alle Veränderungen in der Welt schnell reagieren können und die notwendige Flexibilität innerhalb unserer Flotte haben, um jede Kapazität bei der RoRo-Fracht- oder Personenbeförderung nach Bedarf zu vergrößern“, begründet Paavo Nõgene, CEO der Tallink Grupp, die Transaktion. „Während der COVID-19-Pandemie bestand ein dringender und großer Bedarf, den RoRo-Frachttransport zwischen unseren Heimatmärkten zu sichern, und dies erfolgte hauptsächlich mit unseren Passagierfähren, die auf einen praktikablen Betrieb ausgelegt sind, wenn sie sowohl Fracht als auch Passagiere befördern. Ausschließlich RoRo-Ladung mit einer Mindestanzahl von Passagieren mit solch großen Passagierfähren zu befördern, ist wirtschaftlich nicht rentabel und kann nur für kurze Zeit mit Subventionen durchgeführt werden. Zum Beispiel haben wir derzeit die RoRo-Frachtkapazität auf der einzigen Strecke Estland-Schweden zwischen Paldiski und Kapellskär mit unserer Passagierfähre Isabelle erhöht. Das Schiff transportiert überwiegend nur Fracht, da der Tourismus zwischen Estland und Schweden aufgrund der schwedischen Coronavirus-Situation immer noch nicht empfohlen wird. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass wir täglich über 600 leere Kabinen zwischen den beiden Ländern hin und her transportieren“. Der Einsatz von Passagierfähren ausschließlich für den Frachtverkehr sei für das Unternehmen nicht kosteneffektiv. Vor diesem Hintergrund und mit mehreren Lehren aus der jüngsten Pandemie sei es daher absolut sinnvoll, die Flotte für die Zukunft zu diversifizieren und zu stärken.
Das an den Börsen in Tallinn und Helsinki notierte Unternehmen besitzt 14 Schiffe und verkehrt unter den Marken Tallink und Silja Line auf sieben verschiedenen Routen im nördlichen Ostseeraum. Im vergangenen Jahr wurden mit den Fähren der Reederei rd. 9,8 Mio. Passagiere befördert. Darüber hinaus betreibt die Gruppe, die mehr als 7000 Mitarbeiter in sechs Ländern beschäftigt, vier Hotels in Tallinn und Riga. JPM
Text: JPM, Foto: Tallink