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„Trend zu kleinen Schiffen“

nicko cruises eröffnete mit der nickoVISION die Flusskreuzfahrt nach Neubeginn der Pandemie. Ab dem 13. August soll es auch auf dem Meer wieder losgehen. Geschäftsführer Guido Laukamp im Interview.

Guido Laukamp, GF nicko cruises, Foto: enapress.com

Seit März stand die Welt der Kreuzfahrt still. Anfang Juni wagte nicko cruises als erster Veranstalter mit nickoVISION den Neustart. Wie haben Sie diese Wochen erlebt und welches Resümee ziehen Sie aus den ersten Fahrten „nach“ der COVID-19 Pandemie?

Für uns war es sehr wichtig, nach dem langen Stillstand wieder in Fahrt zu kommen und zu zeigen, das man sicher auf einem Flussschiff kreuzfahren kann. Es ist sehr gut gelungen. Wir haben sehr, sehr positives Feedback von den Gästen. Und inzwischen auch von Reisebüromitarbeitern, die wir auch auf diese allerersten Kreuzfahrten mitgenommen haben, um die Maßnahmen einmal live erleben und festzustellen: wie viel Beeinträchtigung ist das, wie viel Spaß kann man dennoch haben. Das ist natürlich gerade für den Counter sehr wichtig. Wir sind froh, dass wir das so gemacht haben, auch wenn es auf den ersten Reisen wirtschaftlich kein Erfolg war. Es ist trotzdem wichtig zu zeigen, das Konzept funktioniert. Damit sind wir inzwischen ganz gut wieder in Fahrt gekommen. Nun fahren wir nicht nur innerdeutsch, sondern auch grenzüberschreitend Donau, Portugal und Kroatien, ab Mitte Juli dann auch wieder in Frankreich.

Es ist ein tägliches Standby, eine laufende Neuüberlegung, welche Ziele man anbieten und wie man sich dann öffnen kann.

Das ist richtig und auch noch nicht abgeschlossen. Auf den ersten Fahrten war es noch so, dass wir unterschiedliche Regelungen von Bundesland zu Bundesland hatten und immer schauen mussten, was dürfen wir in Rheinland-Pfalz nicht, was wir vielleicht in NRW schon dürfen. Das hat sich zum Glück etwas normalisiert. Zuallerletzt hat jetzt auch Bayern seine Regelung für Flussschiffe herausgegeben. Die besagt, dass auf einem Flussschiff alles so gestaltet werden muss wie in einem Hotel oder Restaurant. Wir sind froh, dass jetzt alles geregelt ist. Das Gleiche erleben wir auch auf der Donau. Die Donauanrainerstaaten haben auch alle unterschiedliche Tempi. Teilweise gibt es noch bestimmte Beschränkungen von wo man wie einreisen darf und mit welchem zeitlichen Abstand. Wir regeln das über Fahrtzeitanpassungen. Wir können selbst auch die lange Donaustrecke wieder fahren und tun das auch. Allerdings legen wir in Serbien nicht an, fahren einfach nur durch.

Die erste Reise der nickoVISION war eine sehr lange Fahrt. Gab es dafür einen besonderen Grund? Laufen jetzt im Augenblick die langen oder die kurzen Fahrten besser?

Die erste Fahrt der nickoVISION war einfach die dann geplante Fahrt, die zufälligerweise innerdeutsch verlief. Deshalb haben wir sie so durchgeführt. Wir haben danach einen Charter-Ausfall gehabt und nickoVISION auf drei kurzen Reisen eingesetzt, dort eben auch mit Reisebüromitarbeitern.

Wie nehmen die Passagiere und auch die Crew die veränderten Reisebedingungen und Einschränkungen auf?

Das durchgängige Feedback, was wir von den Reisebüromitarbeitern und von den Gästen, teilweise auf Facebook gepostet, erhalten haben: es schränkt viel weniger ein als man denkt. So haben sich auch die Leute gegenüber dem ZDF geäußert, das auch eine der Reisen begleitet hatte. Es ist bei uns per se kein Urlaub, der von Leuten wahrgenommen wird, die an der Bar schmusen wollen. Insofern sind unsere Highlights und Aktivitäten sowieso andere. Die kann man mit genügend Abstand alle realisieren und genießen. Auf dem Sonnendeck gibt es auch genügend Abstandsmöglichkeiten. Wenn man auf dem Sonnendeck, im Restaurant, der Lounge usw. sitzt, und beispielsweise sein Getränk genießt, benötigt man natürlich auch keinen Mundschutz. Der Mundschutz ist nur für die Wege, die man auf dem Schiff zurücklegt oder auch dann wieder im Ausflugsbus notwendig, wie es auch in jedem öffentlichen Verkehrsmittel inzwischen gang und gäbe ist. Es war bei den Deutschen einfach nur eine Zeitverzögerung hinsichtlich einer Mundschutzempfehlung. Die Chinesen haben schon immer gesagt nehmt Mundschutze. Es ist eine optimale Bremse für die Infektionsentwicklung. Deutschland hatte aber damals einfach keine auf Lager.

Vor Kurzem haben Sie den Katalog für die Flusssaison 2021 vorgestellt. Was sind die Highlights? Welchen Flottenneuzugang oder welche Route finden Sie persönlich am spannendsten?

Für uns ist die Entwicklung in Portugal, die wir dort erleben dürfen, ganz toll. Wir haben dort bereits zwei Schiffe im Einsatz: DOURO CRUISER und DOURO PRINCE. Die DOURO PRINCE ist natürlich sehr klein und im Boutique-Style. Wir können hier auf ein modernes, schönes 5-Sterne-Schiff wechseln, was wir sozusagen aus dem amerikanischen Markt übernehmen, die DOURO SERENITY. Da sind wir ganz happy, im Land unseres Gesellschafters weiteres Wachstum für nicko zu erzeugen. Ein Highlight ist sicher das Galicien-Programm mit Santiago de Compostela für Neukunden und Wiederholer, die Portugal mögen. Mit einem neuen Schiff und einer entsprechenden Verlängerung nach Galicien sieht das Produkt nochmal gleich ganz anders aus, für Douro-Neulinge als auch Douro-Repeater spannend. Wir haben in der letzten Phase auch nochmal die Anzahl deutscher Strecken erhöht, weil wir schon den Trend Urlaub in Deutschland gesehen haben. Nicht nur für dieses Jahr sondern wohl auch anhaltend. Wir haben hier Fahrpläne zum Beispiel Potsdam – Münster oder umgekehrt. Da wird man zunächst einmal sagen: wo liegen die Reize des Mittellandkanals. Sicherlich nicht in den windungsreichen Flusstälern, die es am Mittellandkanal nicht gibt, sondern eben in den Städten wie der Studentenstadt Münster und mit tollen Ausflügen und interessanten Punkten die man so sonst nicht sieht. Schon gar nicht auf diese bequeme Art und Weise. Das sind, so würde ich sagen, zwei meiner persönlichen Highlights.

Absolutes Nischenprodukt – besonders für viele Russland-Gäste die nicko cruises hat – ist Sibirien. Auf Ob, Tom und Irtysch sind wir unterwegs bis hoch zum Polarkreis. Diese Reiseziele sind einmalig.

2021 für nicko cruises auf Ob, Tom und Irtysch unterwegs: Die Remix, Foto: nicko cruises Schiffsreisen GmbH

Welche Tour würde sich für Erstkreuzfahrer anbieten, die zum ersten Mal auf dem Fluss unterwegs sein wollen?

Insbesondere unsere kürzeren Rheintouren mit 5 Tagen Dauer sind sehr geeignet um mal zu schnuppern. Die große Einstiegsdestination ist aber nach wie vor die Donau. Wir sind hier mit ausreichend Kapazität unterwegs. Die BELVEDERE, die in diesem Jahr neu hinzugekommen ist, verstärkt uns da, wir sind mit sieben Schiffen unterwegs. Es ist nach wie vor der wichtigste Fluss für Einsteiger. Zum einen hat man den Abfahrtspunkt noch in Deutschland, was vielen wichtig ist. Zum anderen fährt man dann schon in eine Gegend, die eigentlich oftmals doch noch sehr unbekannt ist, etwas von dem Blick hinter den Eisernen Vorhang hat, das ist für viele spannend.

Ist eigentlich bekannt, wie viele Kunden jetzt aus dem Hochseebereich auf den Fluss gehen?

Ja, es gibt eine lange parallele Nutzungsphase, viele Gäste, die auch sowohl noch Hochsee fahren haben auch schon den Fluss entdeckt. Es gibt ein regelmäßiges Tracking. Etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Gäste hat Hochseevorerfahrungen. Ein weiteres Drittel kommt von den Landrundreisen, also Busrundreisen und vielleicht auch Selbstfahrer, die es inzwischen aber zu anstrengend finden. Die beiden Quellen Hochsee und Rundreise sind sozusagen Vorstufen für die Flusskreuzfahrt.

Es gibt in diesem Jahr Flottenzuwachs mit nickoSPIRIT und es ist ein Schiff, das sich nicht nur außen von den „klassischen“ Flussschiffsformen unterscheidet. Was kann man zur nickoSPIRIT sagen? Was ist das Besondere? Wie schreitet vor allem auch der Bauprozess voran und wann wird wahrscheinlich jetzt die erste Fahrt respektive die Taufe stattfinden?

Foto: nicko cruises Schiffsreisen GmbH

Die Taufe hängt ein bisschen von den Veranstaltungsbeschränkungen ab, wie lange die anhalten und ob es für uns dann noch Sinn macht vom Vorlauf her, eine größere Taufveranstaltung zu machen. Wir sind im Baufortschritt inzwischen so, dass das Schiff überführt ist. Der Innenausbau sollte eigentlich komplett in Holland stattfinden, nun wurde damit bereits in Polen begonnen.

Wann gehen Sie persönlich davon aus, dass Fahrten beispielsweise in Russland wieder starten können? EU/Schengen sind wieder zu bereisen, aber wann wird es bei den anderen wieder soweit sein?

Russland weiß ich ehrlich gesagt nicht, dass hängt nicht nur vom Auswärtigen Amt ab, sondern auch die Russen selbst lassen nicht rein. Im Moment werden keine Visa erteilt. Es ist sehr schwer vorhersagbar wie lange diese Situation andauert. Wir hoffen schon, dass wir diese Saison noch Russlandfahrten machen können, vielleicht im September / Oktober. Aber gewiss sind wir da nicht.

Was mir ansonsten zu schaffen macht, ist diese Brandmarkung einer gesamten Industrie durch das Auswärtige Amt mit den Kreuzfahrt-Warnungen. Wir haben die Einschränkung für Flusskreuzfahrten in der EU und im Schengen-Raum gesehen, das ist schon einmal löblich, aber es ist trotzdem gar nicht zu verstehen, warum wir mit einem 200-Betten-Flussschiff explizit fahren dürfen und vor Hochseekreuzfahrten pauschal und undifferenziert abgeraten wird. Immerhin entsprechen unsere Hochseeschiffe der Größe unserer Flussschiffe. Es ist wirtschaftlich verantwortungslos was da passiert. Es ist keine Reisewarnung bei der Hochsee, das ist auch mal wichtig anzumerken, es ist ein Reisehinweis. Trotzdem ist der natürlich sehr sehr beeinträchtigend und ich finde auch unangemessen für unser Geschäft.

Gibt es bei der WORLD VOYAGER Pandemie-bedingte Verzögerungen beim Bau?

Wir sind zufrieden mit dem Baufortschritt. Die Erfahrung von letztem Jahr hat jedoch gezeigt, dass es besser ist die Dinge nicht zu überstürzen. Quark Expeditions hat seine diesjährige Arktis-Saison mit der WORLD EXPLORER gecancelt. Wir sind somit in der glücklichen Lage, dass die WORLD EXPLORER „in der Garage“ steht und wir unseren Hochsee-Schiffsbetrieb auch mit ihr aufnehmen könnten.

Es ist im Prinzip noch nicht klar, wann die Fahrten vor allem international wieder stattfinden werden. Gibt es vielleicht Reisen mit regionalen Akzenten im Heimatmarkt? Deutsche Destinationen, also Fahrten die hiesige Destinationen haben.

Unser Konzept von Kreuzfahrten ist nicht, sich mit den großen Schiffen darum zu streiten, wer die Schnuppertour nach Helgoland besser macht, das wäre auch wirtschaftlich für uns nicht erfolgreich. Da kann man preislich immer nur verlieren. Unser Konzept ist sehr Destinations-orientiert, dorthin wo die Großen nicht hinkönnen.

Auch für unsere Seereisen orientieren wir uns durchgängig an den zielgebietsbezogenen Reisewarnungen und behördlichen Auflagen. Das auf dem Fluss bereits erfolgreich etablierte Infektionsschutz-Konzept kommt auch auf unseren Hochsee-Expeditionsschiffen, deren Größe der unserer Flussschiffe entspricht, zur Anwendung. Unsere Seereisen starten ab 13. August 2020 auf der Route Hamburg – Lissabon.

2020 wird für alle in der Branche ein Verlustjahr werden. Wie ist die Buchungslage für 2021?

2021 ist offen zur Buchung – sowohl Hochsee als auch Fluss. Im Fluss tut sich deutlich mehr als in der Hochsee. Es wird wohl wahrscheinlich als sicherer wahrgenommen – das ist meine Interpretation. Ich denke trotzdem, dass wir 2021 nicht direkt ein Boomjahr haben werden. Wahrscheinlich werden wir 2021 nicht den Frühbucherschub haben wie in der Vergangenheit, weil Leute noch beobachten. Ich schätze schon das wir dann Januar / Februar, erste Märzhälfte auf jeden Fall Nachholbedarf haben werden. Das wäre so mein „best guess“ jetzt sozusagen für die Saison 2021 und wie sich die Verkäufe dort und vor allem die Frühbuchung verhalten.

Manifestiert sich das jetzt schon oder wird sich das später entscheiden?

Es ist noch sehr früh um das so detailliert ausmachen zu können. Wir sind erst ganz am Anfang der Kurve. Wir sind sogar früher zur Buchung offen gewesen als letztes Jahr, da sind noch keine eindeutigen Trends zu vermelden.

Foto: enapress.com

Lassen sich eigentlich derzeit neue Trends im Fluss- oder Hochseebereich erkennen?

Der Trend Urlaub in Deutschland ist auf jeden Fall auch widergespiegelt auf dem Fluss. Und wir haben uns versucht länger darauf einzurichten auch im Katalog 2021. Für uns der wichtige Trend war schon vorher der Trend zu kleinen Schiffen, der ist jetzt noch wichtiger für den Kunden, weil er sagt, ein kleines Schiff ist einfacher zu managen, einfacher kontrollierbar. Auch das Personal kann natürlich mit Verhaltenshinweisen besser auf 200 Gäste einwirken als auf 5000. Ich denke, dass der Trend zu kleinen Schiffen sich einfach noch verstärken wird. Wohin übermäßiger Gigantismus führt, hat die Evolution schon anhand der Dinosaurier gezeigt.

Fotos: enapress.com, nicko cruises Schiffsreisen GmbH