Fast ein Jahr lang wird die traditionsreiche Cunard Line ihren Betrieb aussetzen. Deutschland-Chefin Anja Tabarelli über Home-Office-Arbeit, Kontakt zu den Gästen und neue Routen.
Wie ist die Stimmung bei Cunard in Deutschland „nach“ der Pandemie?
Wir haben eine herausragende Kommunikation miteinander aufgebaut. Dass so etwas möglich ist, hätten wir alle vorher selbst nicht geglaubt. Ich habe innerhalb von zwei Stunden alle Mitarbeiter ins Home-Office geschickt, innerhalb von 48 Stunden waren die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen geschaffen. Das war noch in der Zeit als unsere Weltreisen 2020 abgebrochen bzw. umgeroutet werden mussten – da musste abgesagt, Gäste zurückgeholt werden, was mit einer sehr großen Logistik und Arbeitsaufwand verbunden war. Jeder im Team war jederzeit erreichbar. Der Teamgeist ist unglaublich – in Krisenzeiten so zusammenzuwachsen ist ein wirklich schönes Gefühl. Selbst unsere Reservierung ist ins Home-Office verlegt worden. Wir haben von den Gästen und Reisebüros sehr positives Feedback bekommen. Auch unser Präsident Simon Palethorpe hat sich investiert und stand für das gesamte weltweite Cunard Team einmal pro Woche eine Stunde für alle Fragen Rede und Antwort. Ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl hatten wir noch nie.
Die Kreuzfahrt-Angebote kehren langsam zurück – auch mit Landgang. Sind das die richtigen Maßnahmen für die Zukunft?
Meiner Meinung nach ist es der richtige Schritt in die Zukunft. Wir beobachten natürlich die Maßnahmen, die von den anderen Reedereien getroffen werden. Irgendwann muss man anfangen, die Branche möchte zurückkommen und wird es auch schaffen.
Cunard hat kürzlich bekannt gegeben, dass man den Betrieb bis ins Frühjahr 2021 unterbricht. Warum die Entscheidung, gleich so lange zu pausieren? Hängt es auch mit dem Hinweis des UK-Außenministeriums Foreign and Commonwealth Office (FCO) zusammen, der ähnlich wie der AA Hinweis*, sich gegen Kreuzfahrten ausspricht?
Da kamen mehrere Dinge zusammen. Natürlich zum einen aufgrund der Empfehlungen des Außenministeriums des Vereinigten Königreiches, das noch vor Kreuzfahrten warnt. Zum anderen auch wegen der Routings – unsere Reisen wären zum Jahresbeginn 2021 die Weltreisen und Weltentdeckerfahrten gewesen, mit der Queen Elizabeth die Fahrten nach Asien und Australien. Wegen der aktuellen Situation und der noch geschlossenen Häfen weltweit haben wir nach langem Überlegen diese Reisen abgesagt. Es wäre in der derzeitigen Situation nicht vernünftig gewesen, diesen Fahrplan wieder aufzunehmen.
Bringt Ihnen die verlängerte Betriebsaussetzung mehr Planungssicherheit?
Ganz genau. Dazu kommt unser spezieller Mix von Passagieren aus der ganzen Welt. Reedereien, die nur einen oder wenige Märkte bedienen, haben es da einfacher. Das können wir derzeit noch nicht, dazu gibt es zu viele Restriktionen.
Wurde eine Wiederaufnahme von Reisen beispielsweise mit einem Schiff, einen bestimmten Kreuzfahrt-Markt (z.B. nur UK, nur DACH) und für Kurztouren geprüft? Oder war das keine Option?
Im Moment noch nicht. Aber die Fahrpläne werden geändert. Wenn die sogenannte Betriebspause beendet ist, also für die Queen Elizabeth am 25. März, für die Queen Mary 2 der 18. April und am 16. Mai bei Queen Victoria, werden überarbeitete Fahrpläne vorliegen. Besonders natürlich für die QE, die Asien- und Alaskareisen gemacht hätte. Es wird mehrere 3 bis 14-tägige Abfahrten von Southampton geben, darunter also auch Kurzreisen. Es sind spannende Reisen rund um die Küsten von Cornwall, zu den Westküsten Irlands und den schottischen Inseln, das wäre auch ein persönlicher Favorit. Andere Kurzreisen führen nach Amsterdam mit Overnight, später im Sommer dann Richtung Mittelmeer. Die neuen Routings werden ab 29. September buchbar sein.
In den letzten Tagen gab es nach der Bekanntgabe der erneuten Absagen wieder etliche Umbuchungen. Wie entscheiden sich die Kunden – wie viel Prozent storniert, wer bucht um?
Wir bieten seit Beginn der Pandemie einen Future Cruise Credit von 125 Prozent in Höhe der von den Gästen geleisteten Anzahlungsbeträge an. Kunden, die Erstattungen wollten, haben sie natürlich bekommen. Im deutschen Markt haben fast 70 Prozent der Gäste den Future Cruise Credit angenommen, der bis zum Ende des nächsten Jahres auf alle zu diesem Zeitpunkt buchbaren Reisen anwendbar ist. Das Feedback von den Gästen ist sehr positiv, darunter sind natürlich auch viele Stammgäste.
Wo liegen die Schiffe aktuell?
QM2 und QE liegen in Weymouth auf Reede, QV im Hafen von Southampton.
Sollen die Schiffe aufgelegt werden oder auf Reede, in den Häfen verbleiben?
Sie bleiben mit einer Notbesatzung auf Reede.
Wie will Cunard QM2, QE und QV für die Saison 2021 an die neuen Hygiene-Forderungen anpassen?
Es wird sicherlich Veränderungen geben wie Plexiglasscheiben an den Buffets und viele weitere Modifikationen. Aber mir liegen hier noch keine Details vor. Natürlich sprechen sich die Carnival-Reedereien untereinander ab und die operativen Teams bereiten bereits sehr viele konkrete Maßnahmen im Hintergrund vor. Wir möchten aber erst Details bekannt geben, wenn die Maßnahmen hundertprozentig vorbereitet sind.
Die vierte Queen: Wie ist hier der aktuelle Stand? Gibt es Änderungen beim Ablieferungstermin?
Die einzige News, die wir haben, ist die einer Verzögerung der Indienststellung.
Wann gibt es gute News beispielsweise zum Namen?
Die sogenannte Naming Ceremony des Schiffes, bei der der Name vorab verkündet werden sollte, wäre im April gewesen, dann kam Corona. Aber wir freuen uns schon jetzt auf unser neues Schiff, so häufig bauen wir nicht…
Wann gibt es Ihrer Auffassung nach wieder eine Art „Normalität“ bei Kreuzfahrten?
Wir schauen uns genau an, wie sicher die Fahrten jetzt mit den verschiedenen Maßnahmen bei den Kollegen-Reedereien sind. Es ist gut, dass schon jetzt wieder schöne Kreuzfahrterlebnisse geboten werden. Wenn sich die Dinge weiter so entwickeln, sehe ich für Mitte des nächsten Jahres durchaus positive Signale. Aber ein endgültiges „back to normal“ wird es für mich nicht vor 2022 geben. Das sind natürlich nur Prognosen, ein Impfstoff könnte vieles ändern. Im Augenblick gibt es meiner Meinung nach noch zu viele Fragezeichen weltweit.
Wie können die Gäste in diesen Tagen etwas Cunard-Feeling auch zu Hause bekommen?
Wir waren wohl eine der ersten Reedereien, die schon während des Lockdowns ständig mit den Kunden kommunizierte. Da ging es um Rezepte von unseren Executive-Chefs, Anleitungen zum Mixen unserer Bar-Cocktails oder ganz einfach Geschichten aus unserer 180-jährigen Firmenhistorie. Wir fragten mit einem Kreuzworträtsel: Sind Sie Cunard-Experte? Das dazugehörige Feeling kam ganz natürlich. Die Klickraten und Verweildauern auf unseren Newslettern war extrem hoch, das Feedback grandios.
*Anmerkung der Red.: Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Reisehinweisen folgendes:
„Von der Teilnahme an Kreuzfahrten wird aufgrund der besonderen Risiken dringend abgeraten. Hiervon ausgenommen sind Flusskreuzfahrten innerhalb der EU bzw. Schengen mit spezifischen Hygienekonzepten. Ebenfalls hiervon ausgenommen sind Kreuzfahrten auf Schiffen mit spezifischen Hygienekonzepten, deren Reise in einem Hafen in Deutschland beginnt und ohne ein Anlegen in einem ausländischen Hafen wieder in einem Hafen in Deutschland endet.“