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Unter Dampf und Segeln

Die Hammonia war nach der Stadtgöttin der Hansestadt Hamburg benannt. Sie gehörte zu den ersten Schiffen, die Auswanderer unter akzeptablen Bedingungen nach Amerika brachten.

Repro: U. Horn

In Hamburg ist heute ein Fahrgastschiff namens MS Hammonia unterwegs. Es ist, Baujahr 1993, sehr beliebt, weil es von schicker Eleganz ist. 300 Passagiere haben Platz auf dem Schiff, das immerhin knapp 90 Meter lang ist. Es gibt ein Büfett, ausgewählte Speisen, einen Barbereich, Musik und eine Sprechanlage, und wenn Gruppen darauf sind, wird schon auch mal das Tanzbein auf einer vorgesehenen Fläche geschwungen. Die Technik ist auf dem neuesten Stand, die Motoren sind leise, die Fahrt geht zügig durch Hafen und Kanäle.

Das alles war für eines der ersten Schiffe mit dem Namen Hammonia noch nicht möglich. Es hatte zwei Segelmasten und wurde als Dampfschiff mit Kohle betrieben. Es gab einen Speiseraum, zünftiges Essen und etwas Alkohol an Bord, aber weder Musik noch eine Sprechanlage und getanzt wurde ohnehin nicht auf dem schwankenden Schiff. Es ging schließlich nur um den Transport von Menschen zwischen Hamburg und New York.

Hammonia ist der lateinische Begriff für Hamburg. Am Rathaus wird die Stadtgöttin über dem Haupteingang auf dem Thron sitzend gezeigt. Sie ist in Gewändern aus Hermelin gekleidet und erscheint als tatkräftige Person vor vergoldetem, purpurrotem und blauem Hintergrund. Auf dem Kopf trägt sie eine Krone, in der rechten Hand hält sie einen Lorbeerkranz und ihre linke Hand ruht auf einem Steuerrad. Sie ist die sichere Schutzgöttin für Passagiere und Schiffsbesatzungen.

Im 18. Jahrhundert wurde Hammonia vom Komponisten Georg Philipp Telemann bei Festlichkeiten musikalisch unterstrichen als starke Frau, die alles in der Hand hat. Sie gilt auch in anderen Städten als fürstliche Landesmutter, so in Rom, in Griechenland und im alten Orient. Am stärksten aber wohl in Hamburg, in der Stadthymne von Albert Methfessel „Stadt Hamburg an der Elbe Auen“ heißt es: „Hammonia, oh wie herrlich stehst du da.“

Die Hammonia war seit 1867 im Dienst der Reederei HAPAG im Einsatz auf der Nordatlantikstrecke. Als Teil einer Schiffsklasse, die zwischen 1866 bis 1874 entstand und Hammonia-Klasse genannt wurde. Insgesamt elf Schiffe, zu denen die Cimbria oder die Germania gehörten, bei der HAPAG galt sie als zweite Generation der Dampfschiffe ab 1850. Die Schiffe waren in der Regel zwischen Mai und Oktober im Dienst und stets gut gebucht. Alle wurden von der Werft Caird & Company im schottischen Greenock gebaut. Von den vorherigen Schiffen der HAPAG unterschieden sich in der Elfer-Klasse die neuen Dampfer durch eine mehr gerade ausgerichtete Form des Bugs und der Anzahl der Masten. Die Hammonia trug auf ihrem Rumpf nur noch zwei Segelmasten.

Am Beispiel der Hammonia lässt sich erklären, was die Reederei HAPAG geleistet hat, als sie geordnete Überfahrten für Auswanderer organisierte. Mehr als 90 Prozent derer, die in die Neue Welt wollten, wählten die Überfahrt auf Segel- oder Dampfschiffen. Es waren vor allem Flüchtlinge, sie rissen das „Wochenblatt zur Allgemeinen Auswanderungs-Zeitung“ den Vertreibern aus den Händen. Viele von ihnen kamen aus meerfernen Regionen, sie wussten nichts von der Schifffahrt, kannten auch nicht Berichte über das Leben in Amerika, die Bestimmungen und rechtlichen Vorgaben dort. Sie wollten einfach nur weg aus ihren schwierigen Lebensbedingungen, verbunden mit viel Armut.

Die Auswanderer hatten einige Klippen zu überwinden, zunächst den Weg an die Seehäfen, wie Bremen und Hamburg, aber auch Antwerpen, Rotterdam und Le Havre. Die Eisenbahn gab es schon, aber längst nicht überall, so dass die Auswanderungswilligen eine lange und beschwerliche Route Abreisehäfen absolvieren mussten. Das Gros dieser Menschen bewegte sich mithilfe einer Postkutsche oder eines Pferdewagens, die Armen gingen zu Fuß mit Kind und Kegel sowie Gepäck dorthin. Auch die Anfahrt auf der Elbe wurde genutzt. Sie verließen die deutschen Länder, weil sie – zumeist in der Landwirtschaft tätig – nicht mehr ihre Familien durchbringen konnten.

Unterwegs wurden sie nicht selten beraubt oder bestohlen. Mit ihrem knappen Geld versuchten sie, auf ein Schiff zu kommen, in der Mitte des 19. Jahrhunderts mussten sie die Kosten dafür noch ausschließlich mit den Kapitänen der Schiffe aushandeln. Spezielle Auswandererschiffe gab es noch nicht, wie die Überfahrt gelingen würde, war ungewiss. Geldgierige Kapitäne von Frachtschiffen fuhren mehrere Häfen an, um möglichst viel Profit zu erzielen. Zudem war die Abreise vom Wetter abhängig und konnte sich auf unbestimmte Zeit verzögern. Das kostete die Reisewilligen sehr viel Geld, manche mussten zurückbleiben, weil ihre Finanzen nicht ausreichten.

Die Schiffe waren für Passagiere notdürftig eingerichtet. Die allermeisten Auswanderer konnten sich keine Kajüte in der Zweiten oder gar Ersten Klasse leisten, sie mussten die Zeit der Überfahrt im Zwischendeck aushalten, einem Einbau zwischen Laderaum und Oberdeck. Anstatt Betten gab es nur einfache Holzverschläge, Matratzen, Bettzeug, Geschirr und Verpflegung hatten Reisende mitzubringen. Zudem waren sie nicht selten in Lebensgefahr, weil sie inmitten ihres Gepäcks aber auch der Ladung ausharren mussten. Weil die Atlantik-Überquerung mit Segelschiffen mehrere Wochen dauerte, starben viele Auswanderer an Hunger und Krankheiten. Ab den 1850er Jahren konnte der Einsatz der Dampfschiffe die Reisezeit auf zwei bis drei Wochen verringern, die Todesfälle wurden sehr viel weniger.

Wenn das Wetter schlecht war, blieben die Luken zum Deck geschlossen, es konnte nicht gelüftet werden. In einer solchen Unterbringung waren schwache Menschen dem Ersticken nahe. Die Menschen waren eingepfercht, es drohten gesundheitliche Probleme, es kam sogar zu Epidemien. Ein weiteres Problem war die häufige Seekrankheit, die Schiffe waren nicht stabilisiert. Die Hoffnung vieler Auswanderer auf ein besseres Leben verlor unter diesen Umständen ihre Berechtigung. Erst 1897, übrigens, zwang das „Reichsgesetz über das Auswanderungswesen“ die Schiffseigner, menschenwürdige Zustände auf den Schiffen zu garantieren.

Die 1847 gegründete Hamburg-Amerikanische Packet- und Actiengesellschaft (HAPAG) gehörte zu den ersten Reedereien, die soziale Bedingungen einbrachte. Die Kosten wurden korrekt geregelt, ab 1856 bezahlten Passagiere der Dritten Klasse für die Überfahrt 160 bis 200 Mark, die im Zwischendeck 130 bis 160 Mark. 1858 kam es zu einem schweren Rückschlag, die Austria, ein Schiff der Hamburger Reederei, verunglückte, 449 Menschen bezahlten das mit ihrem Leben.

Die Hammonia, die am 8. Dezember 1866 zu Wasser gelassen wurde, war 103,6 Meter lang, ihre Tonnage lag bei 3035 BRT. 1878 wurde der Dampfer an die Russische Freiwillige Flotte (Dobroflot) verkauft, dort wurde sie umbenannt in Moskwa.

Am 6. Juni 1882 kam es am östlichsten Punkt Afrikas, dem Kap Guardafai, das heute zu Somalia gehört, nahe dem Zugang zum Golf von Aden zu einer Katastrophe. Der 275 m hohe Gardaf ist in der Schiffshistorie berüchtigt wegen seiner gefährlichen Klippen und zahlreicher Schiffbrüche. Bei 11°50 nördlicher Breite und 51°17 östlicher Breite ging der Dampfer durch Strandung verloren.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer