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VOM EXPRESSDAMPFER ZUM KREUZFAHRTSCHIFF

Die HOMERIC sollte 1922 als Passagierschiff von der britischen White Star Line eingesetzt werden. Ursprünglich war sie von dem Norddeutschen Lloyd bestellt und auf den Namen COLUMBUS getauft worden. Sie wurde vorwiegend für Kreuzfahrten genutzt.

Das wird den Erbauer des Schiffes nicht erfreut haben. 1913 lief es vom Stapel, wurde aber danach für viele Jahre zurückgestellt und blieb lange unvollendet. Der Erste Weltkrieg (ab 1914) war schuld daran, obwohl der Dampfer zu 80 Prozent fertiggestellt und ausgerüstet war. Am 17. Dezember 1913 war er anlässlich seines Stapellaufes auf den Namen Columbus getauft worden.

Vier herausragende Expressdampfer waren 1913 – neben einigen kombinierten Passagier- und Frachtdampfern – für den Norddeutschen Lloyd auf dem Nordatlantik im Einsatz, die als eines von zwei größeren Schiffen mit ökonomischer Geschwindigkeit bei der Schichau-Werft in Danzig bestellte Columbus hätte das fünfte sein sollen.

Zur Indienststellung des als Bau-Nr. 891 geführten Schiffes kam es erst am 15. Februar 1922. Das Schiff war 232,59 Meter lang und 24,64 Meter breit. Die Vermessung lag bei 34.351 BRT. Die Maschinenanlage bestand aus zwei 4-Zylinder-Verbunddampfmaschinen, die auf zwei Propeller arbeiteten. Die indizierte Leistung wurde mit 32.000 PS (23.536 kW) angegeben. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 18 Knoten (33 km/h). Das Drei-Klassen-Schiff hatte Platz für 529 Personen in der Ersten Klasse, 487 in der Zweiten Klasse und 1750 Passagieren in der Dritten Klasse. Ab 1932 verschob sich die Einteilung in 472 Personen in der Ersten Klasse, 832 in der Zweiten Klasse und 659 in der Dritten Klasse.

Das Schiff war unter der Flagge des Vereinigten Königreichs auf den Meeren unterwegs, der Heimathafen war Southampton. Dass lag daran, dass das noch nicht ganz fertige Schiff nach Kriegsende an Großbritannien als Kriegs-Mitsieger abgetreten werden musste. Es hatte bis 1920 in Danzig gelegen.


Foto: Sammlung JSA

Die Columbus war eigentlich viel zu groß als Passagierschiff, verfügte aber über eine ökonomische Geschwindigkeit ähnlich wie der Dampfer George Washington, einem 25.000-Tonner, mit dem die Reederei gute Erfahrungen im Expressdienst nach New York und zurück, gesammelt hatte.

1920 übernahm die White Star Line die Columbus durch Ankauf vom britischen Staat. Der Bedarf an Großschiffen mit ihrer Tonnage war damals gewaltig. Die Kriegsverluste wurden somit kompensiert, auch musste der Verlust der Titanic noch ausgeglichen werden.

Allerdings betrieb man auf der deutschen Bauwerft die Fertigung ab 1919 demonstrativ schleppend. Zugleich wurden die britischen Inspektoren der White Star Line, die den Weiterbau kontrollierten, nicht sonderlich geschätzt. Das Unternehmen und die Arbeiter waren keineswegs begeistert, das Schiff für den ehemaligen Kriegsgegner arbeitsmäßig aufzupäppeln und vollenden zu müssen. Die Folge der schlechten Stimmung war das sogenannte „Columbus-Abkommen“, der Deal zwischen Deutschen und Briten wurde am 5. August 1921 abgeschlossen.

Der Norddeutsche Lloyd und die Regierung des Deutschen Reiches sagten in dem Abkommen zu, mit ihrem Einfluss dafür zu sorgen, dass die Fertigstellung des Schiffes zügig vorangetrieben werden sollte. Auch mussten die rechtlichen Gegebenheiten bedacht werden. Danzig gehörte nach Kriegsende nicht mehr zum Deutschen Reich, es hatte sich zu Freien Stadt erklärt. Nach den verhandelten Übereinstimmungen verzichteten die Engländer auf die Auslieferung des Schwesterschiffes Hindenburg, das der Norddeutsche Lloyd nach der Fertigstellung unter dem Namen Columbus zu betreiben begonnen hatte und die sechs weiteren Schiffe des Norddeutschen Lloyd, die im Krieg nach Südamerika verbracht worden waren. Diese Verabredung war für die deutsche Reederei viel wichtiger als der Riesendampfer.

Foto: Sammlung JSA

Am 21. Januar 1922 war das Schiff unter Beachtung der Bevölkerung zum ersten Mal in Southampton eingelaufen. Am 15. Februar des Jahres begann die Jungfernfahrt nach New York. Es war der größte Dampfer, der je in den Hafen von Southampton gelangt war.

Inzwischen war der Schiffsname entsprechend der typischen Namensgebung der White Star-Schiffe angepasst und in Homeric geändert worden. Der Dampfer hatte durchlaufende Decks. Es gab ein darüber liegendes Brückendeck und auf dem Bootsdeck befanden sich mehrere kleinere Aufbauten. Der Rumpf des Schiffes war in 14 wasserdichte Schotten unterteilt worden. Zudem gab es sechs Luken und Laderäume mit ausreichender Lagerkapazität.

Seinerzeit war die Unterteilung der Kabinen von Bedeutung, sie waren trotz ihrer Unterschiede im Komfort gut ausgestattet. Die Erste Klasse war bevorzugt im hinteren Schiffsbereich untergebracht, mittschiffs der anderen Passagiere. Der größte Teil der Gesellschaftsräume befand sich auf dem Brücken- und Bootsdeck.

1923 wurde das Schiff überholt, die Geschwindigkeit 19,5 Knoten gesteigert. Somit konnte das Schiff zum Expressdampfer deklariert werden. Es war nun auf dem Niveau der damaligen Giganten, der Majestic und Olympic, angekommen. Sie galten als Schnelldampfer der White Star Line auf der Route nach New York. Obwohl es nicht für diesen Expressdienst gebaut worden war und stets der Langsamste unter den Schnellen war. Sein Vorteil war die Größe.


Foto: Sammlung JSA

Die Passagiere waren zufrieden mit den Bedingungen auf der Homeric, das Schiff galt als robust und zuverlässig. Als die Weltwirtschaftskrise und in Folge die anschließende Rezession eintrat, ging der Passagierverkehr zurück und damit ebenso die Einnahmen. Es war ein gelungener Coup 1932, als die Reederei die Homeric aus der Expressdampfer-Linie nahm und fortan in der Kreuzfahrt einsetzte. Denn das Großschiff hatte eine wirtschaftlich gute Maschinenanlage zu bieten, es gab viel Platz auf den Decks und in den geräumigen Wohnräumen. Das wussten die Passagiere zu schätzen.

Die White Star Line schloss sich 1934 mit Cunard zusammen zu einer gigantisch großen Reederei. Bis 1935 befand sich die Homeric weiterhin auf Kreuzfahrten. Anschließend, nach nur 13 Dienstjahren, wurde sie jedoch aus dem Dienst genommen und aufgelegt. Das kam überraschend, zumal es immer noch ein Schiff mit guter Ausstattung war. Im März 1936 brachte man sie zu Thomas W. Ward im schottischen Inverkeithing. Dort wurde sie abgebrochen, was bis 1938 dauerte. Der Kreuzfahrtdienst der Homeric war von der viel kleineren Franconia übernommen worden.

Ein Teil der hochwertigen Innenaustattung der Homeric wurde nicht im Schrott hinterlassen, sondern in ein neues Kino namens Rex Cinemain Southampton integriert. Übernehmer war die Familie JE Sheran. Die Zeitkapsel aus den 1930er Jahren konnte komplett erhalten werden. Und das mit originalen Sitzen, Teppichen, Vorhängen, Leinwand und Projektoren. Auch eine Mahagoni-Treppe und ein riesiger Kronleuchter waren gerettet worden. Allerdings wurde Mitte der 1950er Jahre das Kino aufgegeben, heute steht dort ein Lagerraum. Die Stadtbewohner sollen getrauert haben.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer