Die „Argentina“ war ein von der Ingalls Shipbuilding Corp. in Pascagoula erbauter Ozeandampfer. Er bediente vorrangig die Route von Nord- nach Südamerika. 2003 wurde er abgewrackt.
Das war peinlich. Gerade war am 9. Dezember 1958 das Schiff abgeliefert und mit viel Pomp und Gloria in Fahrt gesetzt worden. Am 12. März des Jahres war es vom Stapel gelaufen, die Gattin von William T. Moore, Frau des Präsidenten der US-Reederei McCormack, hatte es getauft. Es war ein Ersatz für die Argentina von 1929 und zugleich einer der letzten Linienpassagierschiffsneubauten in den USA. Die erste Reise führte von Pascagoula nach New York. Das erfolgte unter dem Kommando des Kommodore der Moore-McCormack Lines, Thomas N. Simmons, und da gab es schon ein Problem.
Die Tour war zwar erst mal nur eine kombinierte Probereise, sie führte über New York weiter nach Argentinien. Vier Tage danach, am 12. Dezember, rammte die Argentina auf ihrer Jungfernfahrt im Hafen von Rio de la Plata den Tanker Atlantic Viscountess. Es war eine leichte Kollision, keine Verletzten, aber blamabel, ja, beschämend. Denn der Dampfer wurde als einer der Besten entlang der Ostküste von Nord- und Südamerika gefeiert.
Zumal das Schiff eine Konkurrenz war für das Schwester- und Typschiff Brasil, das bereits Anfang September 1958 abgeliefert worden war. Beide Schiffe, deren Passagierkapazität 1963 von der Bethlehem Steel-Werft in Baltimore durch ein zusätzliches Aufbaudeck auf jeweils 671 erweitert worden war, wurden im Südamerikadienst der Reederei Moore-McCormack beschäftigt, bei der Brasil handelte es sich um eine Charter (1976 und 1978 unter dem Namen Monarch Star). In den folgenden Jahren gab es bei der Argentina weitere, wenngleich keine großen Probleme.
1972 griff die Holland America Line nach dem Schiff und seiner Schwester Brasil, die seit 1969 zusammen aufgelegt waren. Die für zusammen rd. 20 Mio. Dollar angekauften und in Veendam ex Argentina) bzw. Volendam (ex Brasil) umbenannten Schiffe wurden anschließend bei der Lloyd Werft in Bremerhaven zu reinen Passagierschiffen umgebaut, wodurch sich ihre Vermessung von 14984 auf 23872 BRT und die Passagierkapazität auf 739 vergrößerte. Am 17. Juni startete die Veendam zu ihrer ersten Kreuzfahrt von Rotterdam nach New York, wurde jedoch bereits am 14. Mai 1974 in Hampton Roads aufgelegt. Im Dezember des gleichen Jahres charterte die Agence Maritime International das Schiff und setzte es als Brasil für Kreuzfahrten ab Rio de Janeiro ein, ehe es im April 1975 wieder als Veendam an die HAL zurückgeliefert wurde. Von 1976 bis 1978 wurde es von den Monarch Cruise Lines als Monarch Star beschäftigt.
1984 verkaufte das Unternehmen die seit 1981 in Willemstad/Niederländische Antillen registrierte Veendam ex Argentina als Bermuda Star an die Bermuda Cruise Line (ab 1989 Bermuda Star Line) mit Sitz in Panama-Stadt, 1990 ging das Schiff an die Commodore Cruise Line, die es in Enchanted Isle umbenannte und u.a. ab Mai 1993 zu Kreuzreisen von Kiel nach Norwegen einsetzte. Im Dezember 2000 musste die 1995 in New Commodore Cruise Line umbenannte Reederei Konkurs anmelden, das Schiff wurde festgesetzt, weil ausstehende Schulden auf ihm lagen. Im Zuge einer Auktion in New Orleans wurde es in New Orleans umbenannt und kam danach großteils auf der Route Rotterdam – New York und wieder als Veendam in Fahrt.

Mit dem Bau des Schiffes vom MARAD-Typ P2-S2-9a war als Baunummer 468 Anfang der 1950er Jahre bei der Ingalls Shipbuilding Corp., in Pascagoula, Mississippi, begonnen worden. Der Heimathafen war New York (bis 1972). Das Projekt verschluckte 24.444.181 US-Dollar, heute wären das ca. 248 Millionen Dollar. Als größte Förderin wurde Frau William T. Moore benannt. Die von ihr vollzogene Taufe fand am 12. März 1958 statt, die Übergabe am 9. Dezember des Jahres in New York. Die offizielle US-Nummer war 277850, das Rufzeichen 3FMG2.
Die Tonnage betrug 14.984 BRT (5744 NRT). Das Schiff war 188,21 bzw. 175,1 Meter lang und 25,6 Meter breit. Der Tiefgang betrug 8,31 m und die Tragfähigkeit 8706 tdw.. Angetrieben wurde das Schiff durch vier DR-Getriebeturbinen von General Electric mit einer Leistung von 19023 kW, die auf zwei Propeller arbeiteten und für eine Geschwindigkeit von max. 24 kn (44 km/h sorgen sollten. Die Kapazität der Passagiere wurde mit 557 Personen angegeben, später waren es mehr.

Ab Dezember 1973 startete die Veendam von Baltimore aus als Kreuzfahrtschiff, das Schiff war beliebt und häufig ausgebucht. Im Februar 1974 kam es zur Annullierung der Kreuzfahrten durch die Reederei, Begründung: zu hohe Betriebskosten.
Das Schiff blieb in Hampton Roads, Virginia, es wurde von der Agencia Maritima Intermares SA gechartert. Im Winter wurde es von der Monarch Cruise Lines gechartert und war wieder im panamaischen Register verzeichnet. Im Januar 1977 erlebte das Schiff einen Motorschaden vor der Küste Kubas, alle 368 Passagiere waren genötigt, auf das Schwesterschiff Monarch Sun ex Brasil umzusteigen.
Der Dampfer war nun von Westtours Seattle gechartert, Menschen hatten Anteile erworben. Als das Schiff 1979 vor Alaska auflief, geriet es auf ein Riff, die Schäden waren relativ minimal. 1981 wurde es mit neuen Kabinen im einen der Ladenräume auf Kreuzfahrten nach Bermuda geschickt, danach nach Willemstad.
1983 kam es zum Einsatz durch die Bahama Cruise Line in Panama. Die Fahrten im Sommer gingen von New York nach Bermuda, im Winter von Miami nach Mexiko. 1987 organisierte die eingetragene Muttergesellschaft zusammen mit der Betreibergesellschaft, dass der Dampfer in Bermuda Star umbenannt wurde.
Die Reederei schickte ihre Schiffe an verschiedene Orte, die beiden alten Moore-McCormack-Schiffe wurden 1988 kurzfristig nochmal umbenannt, der Bekanntheitsgrad sollte auf den Bermuda-Kreuzfahrten aufrecht erhalten bleiben. Interessant war, dass eine Charterreise von RSVP Vacations Kreuzfahrten nur mit Schwulen an Bord durchgeführt wurde. Das Schiff wurde Brenda Star umbenannt, war präpariert worden und stach im Februar 1987 von New Orleans in See. Im Jahr darauf war der Abfahrthafen San Diego in Mexiko.
Alarm gab es im Dezember 1989, als auf der Bermuda Star nach dem Start von Southwest Portland ein Feuer ausbrach. Das Schiff war inzwischen für 25 Millionen US-Dollar überholt worden, das wären heute 59 Millionen Dollar. Fünf Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder erlitten eine Rauchvergiftung sie wurden in ein Krankenhaus gebracht. Das Feuer war auf dem Promenadendeck ausgebrochen, wo Schneidbrenner genutzt worden waren, der Schaden betrug ca. 2 Millionen Dollar.
1990 geriet das Schiff bei miserabler Sicht in Buzzards Bay nahe Massachusetts auf Grund, ein starker Riss zerfetzte den Rumpf in der Nähe des Treibstofftanks, Motoren, Kessel, Ausrüstung und Zubehör waren akut gefährdet. Mehr als 1000 Passagiere wurden evakuiert, das Schiff sollte zur Generalreparatur in ein Trockendeck von New York geschleppt werden.
Es kam zu Rechtsstreitigkeiten zwischen den Unternehmen, die Anteile am Schiff hatten. Die Kläger waren Bahama Cruise Line, Incorporated, Bermuda Star Line, Incorporated, sowie SS Bermuda Star. Sie alle kämpften mit und gegen einander, ein Fall für die Equal Empoyment Opportunity Commission. Die Bermuda Star konnte sich – da zu klein – nicht gegen die großen Unternehmen durchsetzen. Aktien und mehrere Millionen Dollar verfielen. Man kam auf die Idee, die alten Schiffe – ab 1957 – in die Flotte der Commodore-Linie einzubinden, Effjohn International übernahm die Führung, eine in den USA kaum bekannte Marke.
Bald darauf entschied das schwedische Unternehmen Effjohn, die neu erworbenen Schiffe unter der Marke Commodore als Vier-Schiffs-Linie zusammenzuführen und damit den US-Markt zu beeindrucken. Die Bermuda Star wurde umbenannt in Enchanted Isle, unter diesem Namen startete das Schiff zu seiner letzten Kreuzfahrt von San Diego aus nach Miami.


Das Schiff wurde nach Russland gebracht, in den Hafen von St. Petersburg. Von hier aus sollte es Kreuzfahrten durch die Ostsee unternehmen, was nicht viel einbrachte. 1994 wurde es zum Einsatz als schwimmendes Hotel nach St. Petersburg, überführt, das elektrische amerikanische Stromsystem musste in das europäische 220-Volt-System umgebaut werden. Im August 1994 brachte man das Schiff nach Bremerhaven, später diente es britischen Arbeitern als Quartier, Stromausfälle erschwerten alles. Die Kreuzfahrt wurde zur Quartierfahrt, außerdem standen Bezahlungen aus, es gab Geldstrafen und Festnahmen. Die einstige Argentina wurde in Violet, Louisiana, aufgelegt und am 6. Dezember 2001 in New Orleans versteigert. Effjohn erwarb das Schiff, es gab Pläne, sie wurden nie realisiert.
Nach fast drei Jahren Aufliegezeit in Louisiana wurde das Schiff im Juli 2003 in New Orleans umbenannt und zum Abbruch nach Alang verkauft, wo es im am 9. Dezember 2003 eintraf und in den folgenden Monaten verschrottet wurde.
Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer, großes Foto oben: Sammlung JSA