Die DDR-Staatspartei SED wollte auch Luxus können und leistete sich einen Kreuzfahrtschiff-Neubau, die „Fritz Heckert“. Doch es lief alles anders, als die Funktionäre gedacht hatten.
Nur einer wie er kam infrage, als das Schiff benannt werden sollte: Der in Chemnitz 1884 geborene Fritz Heckert war Kommunist und Gewerkschaftsführer, seine Mutter Handschuhweberin, der Vater Messerschmied – das passte bestens ins Bild. Denn der Kreuzfahrtdampfer sollte mit fleißig arbeitenden Menschen im sozialistischen Land über die Meere schippern.
Heckerts Leben währte nicht lange, als den Deutschen die Nazi-Herrschaft drohte, hatte er sich 1932 schon nach Moskau abgesetzt. Dort starb er 1936 an einem Schlaganfall, seine Urne wurde an der Kremlmauer beigesetzt. In Karl-Marx-Stadt und Ost-Berlin waren gleich mehrere Betriebe nach ihm benannt worden. Das Schiff sollte den Namen des Mitbegründers der KPD und „Helden der Arbeit“ in die Welt tragen.
Am 28. November 1959 wurde das 141,17 Meter lange, 17,60 Meter breite und max.5,57 Meter tiefgehende Schiff als Solidarität beim VEB Mathias-Thesen-Werft in Wismar auf Kiel gelegt, am 25. Juni 1960 lief es nach seiner Taufe vom Stapel. Es kam auf eine Vermessung von 8115 BRT, maximal konnten 369 Passagiere an Bord sein, die Besatzung umfasste 181 Personen. Wie der im Januar 1960 aus Schweden angekaufte und zur Völkerfreundschaft umgebaute Veteran Stockholm gehörte auch der Neubau Fritz Heckert dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und wurde in der Zeit, als an ihrem Heck die DDR-Flagge mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz flatterte, in der Bevölkerung FDGB-Urlauberschiff genannt. Weltniveau sollte es sein, deshalb besaß das neue Schiff nicht den üblichen Schornstein, sondern verfügte mittschiffs über zwei nebeneinander angeordnete Abgaspfosten und erhielt ein Kreuzerheck. Die Indienststellung erfolgte im April 1961 und am 1. Mai desselben Jahres ging es auf Jungfernfahrt nach Riga, Leningrad und Helsinki. Bis zum Mai 1972 war der Neubau überwiegend im Ostseeraum unterwegs, fuhr aber auch nach Island und ins Mittelmeer. Der Bau- und Ausstattungspreis des einzigen in der DDR für die DDR erstellten Neubaus eines seegehenden Kreuzfahrtschiffes wurde mit 35,45 Millionen Ost-Mark angegeben, wovon 29,5 Millionen Ost-Mark durch Spenden aufgebracht wurden.
Die Maschinenanlage, die über zwei Festpropeller eine Höchstgeschwindigkeit von 19 kn ermöglichte, bestand aus einer Kombination von zwei DMR-8-Zylinder-Zweitaktdieseln à 2300 PS mit sechs Freikolben-Gasgeneratoren (Demag AG) und zwei Pescara-Getriebe-Gasturbinen mit einer Nennleistung von je 2820 PS.
Das war fortschrittlich in den 1960er Jahren. Die Gaserzeuger wurden in der Bundesrepublik gekauft, sie waren überaus laut und führten zu gesundheitsgefährdenden Schallpegeln in den Kabinen. Doch die Fritz Heckert war damals das einzige Passagierschiff der Welt, das mit dieser Technik ausgestattet war.
Allerdings hatte man seinerzeit wenig Erfahrung, so dass es bereits auf der ersten Reise nicht nur mit der komplizierten Antriebsanlage zu erheblichen Schwierigkeiten kam. Der Rumpf war zu weich konstruiert worden, es zeigten sich Stabilitätsmängel und das Schiff „rollte“ zu stark, es gab Durchbiegungen und Risse an den Fenstern in der Schiffsmitte. Stabilisatoren waren aus Kostengründen gestrichen worden, so dass das Schiff bei bewegter See verlässlich ins Schaukeln geriet. Zudem steuerte die Fritz Heckert schlecht und war luvgierig, so dass sie 1963/64 eine neue Ruderanlage erhielt, die jedoch diverse Mängel nicht kompensieren konnte. Hochmoderne Technik auf einem wackligen Kahn auf See. So war das nicht geplant bei der ersten Ideenskizze für ein FDGB-Schiff bereits 1953. Zwei weitere Schiffe sollten folgen, aber dazu kam es nicht.
Die „verdienten Werktätigen“ hatten es auch an Bord nicht leicht. Zur Ausstattung für Fahrgäste gehörten 112 einfache Kabinen, 33 Dreibett- und 14- Vierbettkabinen. Das Schiff hatte acht Decks, zwei Swimmingpools (offiziell „Schwimmbäder“), Restaurants und „kulturelle Einrichtungen“. Die Gastronomie wurde von Passagieren als einfallsreich bezeichnet, es gab exotische Früchte, die Sektkorken knallten und es wurde getanzt.
Zwischen 1960 und 1972 brachte es die Fritz Heckert auf 494.345 Seemeilen, in dem Zeitraum waren 63.000 Passagiere befördert worden. Das Schiff hatte 59 Häfen in 24 Ländern angefahren. Die meisten Attraktionen waren nur vom Sonnendeck aus zu sehen, es gab aber auch Führungen zu den Pyramiden in Ägypten oder dem Olympiastadion in Helsinki.
Und genau das wurde zum Problem. Der Luxusliner fuhr im scheinbaren Siegeszug der DDR-Ideologie über die Wellen, aber wo sich Möglichkeiten eröffneten, nutzten viele der Genossen die Chance zur Flucht. Es durfte nicht sein, dass ein Urlaubsdampfer für Arbeiter und Bauern zum Abgang der Abtrünnigen wurde. Die Staatsmacht war entsetzt, manche Flucht war fotografiert oder gefilmt worden und wurde im „imperialistischen“ BRD-Fernsehen gezeigt.
Als die Kreuzschifffahrt-Idee aufkam und es im rohstoffarmen Land an Material, aber auch an Arbeitskräften und Geld sowieso fehlte, hatte die Partei eine „Solidaritätsaktion“ ins Leben gerufen. Spenden der volkseigenen Betriebe gingen in Millionenhöhe auf ein Sonderkonto des FDGB, eine republikweite Tombola brachte Einnahmen und Junge Pioniere tingelten mit Spendenbüchsen von Haus zu Haus. Die Combo „Vier Brummers“ heizte noch die Stimmung an: „Unsere Braut ist die See, ich schiffe mit dem FDGB“.
Unter Schwierigkeiten kam der Bau des „weißen Schwans der Ostsee“ doch noch zustande, es war zuletzt eine Frage des Prestiges. Zur Taufe wurde erleichtert gejubelt: „Dieses herrliche Schiff zeugt vom kühnen Vorwärtsschreiten der Werktätigen unserer Republik auf dem Wege zum Sieg des Sozialismus, zu Wohlstand, Glück und Frieden.“
So viel Aufwand – und Undankbarkeit mancher Passagiere. Ein Fall für Polizei und Stasi, die einen „Maßnahmeplan“ ersannen. Ab 1964 wurde das Gepäck der Passagiere inspiziert, wenn sie im Rostocker Hafen an Bord gingen. Wer darin Seekarten hatte, Schwimmflossen oder Wäscheleinen geriet automatisch in Verdacht. An neuralgischen Punkten der Routen – Fehmarn-Belt oder Straße von Messina – bewachten Besatzungsmitglieder die Gäste an der Reling, ein Rettungsboot war parat, sollte es zu „Absprüngen“ kommen, was nach DDR-Gesetzen eine Straftat war. Flüchtige konnten auf der offenen See leicht eingefangen werden. Es waren ausschließlich jüngere, kräftige Männer, die vom Schiff sprangen.
Schon 1964 wurden die Reisen ins Mittelmeer eingestellt, die Pläne für eine Kreuzfahrtflotte kamen in die hinterste Schublade. Zudem hatte das Schiff Macken. Der Gasturbinenantrieb funktionierte oft nicht, der Rost fraß sich immer weiter durch die Platten und auf dem mitunter heftig schwankenden Schiff hielten sich die Seekranken an der Reling fest. 1970, nach nur neun Jahren, wird die Fritz Heckert aus dem Verkehr gezogen. Das Schiff war so abgerottet, dass man es aufgab. Es hätte eine hohe zweistellige Millionensumme gekostet, den maroden Dampfer auf Vordermann zu bringen.
Am 22. Februar 1971 wird die Bereederung der Fritz Heckert vom VEB Deutsche Seereederei Rostock (DSR) übernommen. Nachdem sie vom 2. Mai bis zum 6. Juli 1971 zunächst im Rostocker Stadthafen aufgelegen hatte, wird sie zunächst nach Wismar verschleppt, wo sie als Wohnschiff für DSR-Mitarbeiter dient. Ab 2. Mai 1972 macht die Fritz Heckert als Arbeiterwohnheim für den VEB Volkswerft in Stralsund fest. Am 15.April 1982 geht das Schiff in den Besitz des VEB Deutfracht Seereederei Rostock über und wird von diesem weiter als Wohnheim in Stralsund genutzt, ab 1986 dann von Mitarbeitern des VEB Kombinat Kernkraftwerk „Bruno Leuchner“ in Lubmin.
Anfang 1991 erfolgt der Verkauf für 1 Mio. DM an die Hamburger Stahlbaufirma Gulf Offshore Engineering, die die Fritz Heckert zum Hotelschiff umbaut. Anschließend kommt das Schiff in den Arabischen Emiraten unter dem neuen Namen Gulf Fantasy zum Einsatz, wechselt mehrfach den Eigner und wird schließlich 1999 zur Verschrottung nach Mumbai in Indien gebracht, der Schlepper traf mit der Fritz Heckert am 4. März 1999 dort ein.
Roland Mischke