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Von Piräus in die Karibik

Die in Griechenland gebaute Aquarius, später in Adriana umbenannt, hat fünf Mal ihre Eigner gewechselt. 2019  endet ihre Geschichte auf dem Strand von Aliaga.

Das Schiff war lange ein Star der Mittelmeerkreuzfahrt, wo auch immer es in seiner hellen beige-weißen Lackierung aufkreuzte. Sein Bau erfolgte bei  der in Perama ansässigen griechischen United Shipping Yard  als Werft-Nummer 54. Am  15.September 1971 lief es vom Stapel, im Juni 1972 wurde es dem Seereiseveranstalter Hellenic Mediterranean Lines übergeben. Die Aquarius  kam unter griechischer Flagge mit Heimathafen Piräus in Fahrt. Ein elegantes Schiff von mittlerer Größe,  in fast kühner, geschmeidiger Anmutung, in seiner frühen Lebenszeit modern und beliebt bei den Passagieren, die stolz mit ihm von einer Mittelmeerdestination zur anderen reisten. 

Die Aquarius, die 1987 nach einem Verkauf an die Jadranska Linijska Plovidba zur Adriana wurde und noch im gleichen Jahr bei Brodogradiliste D.D. in Rijeka umgebaut wurde, war 103,71 Meter lang, 14 Meter breit und ihr Tiefgang lag bei 4,50 Metern. Vermessen war sie mit 4.591 BRT, die Maschinenanlage bestand aus zwei Pielstick-Atlantique 4 SA 8PC2V-400 –Dieseln. Die Maschinenleistung lag bei 5.885 kW (8.001 PS) und das Schiff erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 19,5 kn (36 km/h). Die zugelassene Passagierzahl lag bei 312, die Besatzung konnte bis zu 135 Personen aufgestockt werden. Die Aquarius war unter der IMO-Nummer 7118404 registriert. 

Das Mittelmeer als Urlaubs- und Erholungsziel war seit dem 19. Jahrhundert immer wichtiger geworden und gewann in den 1970er Jahren enorm an Bedeutung. Das überschaubare Meer mit seiner Inselvielfalt, die historischen Häfen und Städte und die Möglichkeit, einmal sein Gepäck aus dem Koffer in den Kabinenschrank zu tun und dann mehrere Länder und Regionen kennen zu lernen, die spannenden Landgänge in fremde Kulturen – diese Verheißung zog immer mehr Menschen an. Die Kreuzfahrt wurde seinerzeit schon als komprimiertes Erlebnis empfunden. Sanft befördert werden, schlafen in einem „schwimmenden“ Zimmer und am Morgen aufwachen in einem anderen Hafen oder einer hippen Destination – das hat Sogkraft bis heute. 

Insofern kam das moderne Schiff aus Piräus zur exakt richtigen Zeit auf das Wasser. Es war das erste HML-Kreuzfahrtschiff und zugleich das erste Kreuzfahrtschiff, das in Griechenland gebaut worden war. Es galt auch als gemütlich, allein wegen seiner geringen Dimensionen. Die Hellenen waren stolz auf dieses Schiff und in den Anrainerländern wurde es bewundert. 

Foto: JSA

15 Jahre lang lief das Kreuzfahrtschiffgeschäft gut, bis im Oktober 1985 palästinensische Terroristen die Achille Lauro entführten und die Mittelmeerkreuzfahrt in Folge riesige Verluste hinnehmen musste. Die Griechen hielten noch zwei Saisons bis 1987 durch, dann gaben sie auf.

1991 wurde die Aquarius an den jugoslawischen Seereiseveranstalter Jadrolinja Cruises verkauft, in Adriana umbenannt und in  Kingstown/St.Vincent beheimatet. Im Juni 1992 übertrug man es der kroatischen Reederei Rijeka Cruises, es erfolgte ein Flaggenwechsel und das dann in Rijeka beheimatete Schiff erhielt den 3-Sterne-Standard. Mit Kreuzfahrten der Jadrolinija Cruises an der Adria versuchte man das Geschäft zu vitalisieren, das geschah im Zusammenarbeit mit der HAPAG, die Passagiere in Charterflügen an die Adria brachte. In dieser Zeit fanden viele Passagiere, darunter auch Deutsche, dass die kroatische Crew äußerst freundlich und gesellig war. 

Foto: JSA

Nach dem furchtbaren Jugoslawienkrieg lag das Land am Boden, die einzelnen Nationen gründeten ihre eigenen Staaten. In diesem turbulenten Geschehen stand die Kreuzfahrt hinten an. 1997 wurde die Adriana an Marina Cruises verkauft, die Übergabe fand am Plein Cap in Nizza statt, Heimathafen wurde wieder Kimgstown/St.Vincent. 

Zwischen April 2008 und September 2010 wurden weitere Verkäufe getätigt: das Schiff ging  2008 an die spanische Reederei Tapas  Inc., hieß nun offiziell Adriana III und war in Port Vila auf der Südseeinsel Vanuatu beheimatet. 

Ab 2010 segelte es unter der Flagge des Karibikstaates St. Kitts und Nevis mit einer russischen Besatzung, jetzt wieder als Adriana ohne die III. Schiffseigner war Kapitän Sergej Ponyatovsky, unter seinem Kommando und für die Black & Baltic Seas Cruise Company wurden 2011 und 2012 Fahrten von Mexiko nach Havanna, Santiago de Cuba und zu weiteren Karibikinseln organisiert. Das Geschäft nannte sich Cuba Service und man versprach sich gute Resonanz, die aber nicht zustande kam. Es ist unklar, ob das Schiff in dieser Zeit  den SOLAS 2010-Vorschriften entsprach, obwohl eine fünftägige Testphase positiv verlaufen war.

2013 holte der Eigner sein Schiff ins Schwarze Meer, wo es bis 2014 zwischen Odessa und Sotschi unterwegs war, aber auch in Noworossijsk, Sewastopol, Jalta und Istanbul vor Anker ging. Als im August 2014 der Ukraine-Krieg begann, war das Schwarze Meer nicht mehr ohne Gefahren schiffbar.

Ponyatovsky gab sein Schiff an die West Indies Cruise Line, es gelangte wieder in die Karibik, wo von Port of Spain in Trinidad und Tobago aus Kreuzfahrten durch die Karibik unternommen wurden. In dieser Zeit befand sich die Adriana, inzwischen blau-weiß lackiert, schon nicht mehr in einem guten Zustand. Das Schiff wurde in die Türkei gebracht, am 31. Juli 2019 traf es in Aliaga ein, wurde auf den Strand  gesetzt  und abgebrochen.

Roland Mischke

Maritimes Lektorat Jens Meyer

Fotos: Archiv Udo Horn, Jürgen Saupe