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„We are shaping the future of exploration“

Fünf Fragen an Selar-Mitgründerin und CEO Sophie Galvagnon

Was hat ihre Begeisterung für die Seefahrt geweckt und die Faszination für die Polarnavigation ausgelöst?

Ich habe einen französisch-schwedischen Hintergrund und fühlte mich dem Meer schon immer sehr verbunden. Von klein auf fühlte ich mich zu kalten Umgebungen hingezogen – der Zauber der skandinavischen Winter, zugefrorene Seen und endlose schneebedeckte Landschaften faszinierten mich. Meinen Weg in die Polarschifffahrt fand ich durch praktische Erfahrungen und Reisen mit Experten, die ihr Wissen und ihre Leidenschaft mit mir teilten. Ich studierte an der französischen Handelsmarine-Akademie in Marseille und fuhr dann auf verschiedenen Schiffen, von Containerschiffen bis zu Fähren. Um mein Fachwissen zu erweitern, zog ich nach Schweden, wo ich eine modernere, egalitäre maritime Kultur vorfand, die es mir ermöglichte, mich als Nautikerin zu entwickeln. Dort hatte ich die Möglichkeit, mit hochqualifizierten Polarcrews zu arbeiten und praktische Erfahrungen in eisigen Gewässern zu sammeln. Dieses Umfeld ermöglichte es mir, als erste Frau einen Eisbrecher zu kommandieren – ein wichtiger Meilenstein in meiner Karriere.

Sophie Galvagnon, Selar-Mitgründerin und CEO. Foto: Selar
Rendering: Selar

Ich arbeitete auch eng mit dem schwedischen Polarinstitut zusammen und nahm an wissenschaftlichen Forschungsmissionen an Bord der staatlichen Eisbrecher teil. Später arbeitete ich mit berühmten Forschern wie Jean-Louis Étienne beim Projekt Polar Pod zusammen und war an der Bauaufsicht für das Unterstützungsschiff Persévérance beteiligt.

Wie und warum kam es zur Gründung von Selar ?

Die Navigation in der Arktis erfordert mehr als technisches Geschick – es geht darum, das Eis zu verstehen, seine Bewegungen zu lesen und sich an eine sich ständig verändernde Landschaft anzupassen. Diese Fähigkeit, in extremen Umgebungen zu navigieren, wurde zu meiner wahren Leidenschaft und führte schließlich zur Gründung von Selar.

Was macht den ersten Selar-Neubau „Captain Arctic“ so einzigartig gegenüber modernen Polarexpeditionskreuzern wie z. B. dem mit einem Flüssigerdgas und Elektrobatterien kombinierenden Hybridantrieb ausgestatteten und über Eisbrecher-Eigenschaften verfügenden Ponant-Flaggschiff „Le Commandant Charcot“?

Vor allem und zu allererst ist die Captain Arctic kein Eisbrecher. Anders als Schweröl oder andere schadstoffreiche fossile verbrennende Schiffe, die sich ihren Weg durch das Eis bahnen, ist es unsere Philosophie, mit der Natur zu navigieren. Wir haben unser Schiff so konstruiert, dass es keine Spuren hinterlässt und das empfindliche arktische Ökosystem schützt, indem es zwischen dem Eis hindurchfährt. Als Solarsegelschiff, das von Wind und Sonne angetrieben wird, gleitet die Captain Arctic nahezu lautlos durch die Polarregionen und ermöglicht es den Gästen, sich tief mit der rauen Schönheit der Arktis zu verbinden. Außerdem glauben wir, dass Mikro-Kreuzfahrten die einzige wirklich nachhaltige Art sind, Polarregionen zu erkunden. Mit nur 36 Passagieren garantieren wir einen erlebnisreichen Ansatz mit geringen Auswirkungen. Die Ausschiffung ist nicht begrenzt, unsere Gäste verbringen täglich viel Zeit an Land und erleben die Arktis hautnah, gemeinsam und ohne die Zwänge des Massentourismus. Unsere Philosophie ist keine feste Reiseroute. Hier gibt die Natur den Kurs vor, statt einem festen Zeitplan zu folgen. Unsere Reisen passen sich der Umgebung und der Qualität der Erlebnisse an. Wenn es viele Wale gibt oder wenn wir von einer tollen Eisbärenstelle begeistert sind, können wir länger bleiben usw. Keine obligatorischen Checkboxen! Was uns außerdem wirklich auszeichnet, ist der Abenteuergeist unserer Expeditionen. Captain Arctic bietet ein All-inclusive-Erlebnis mit geringem CO2-Ausstoß: Kajakfahren zwischen hoch aufragenden Eisbergen, Paddleboarding in unberührten arktischen Gewässern, Schnorcheln in eisigen Fjorden, Skifahren auf unberührten Pisten, Polarbad, Wanderungen, Schneeschuhwandern usw. Außerdem wollen wir unseren Passagieren helfen, sich während ihrer Reise vom Internet zu befreien, im Einklang mit dem Rhythmus der Natur zu sein, in einer Welt, in der die Zeit langsamer läuft und jedes Detail zählt. Dieser frische, aktive Ansatz definiert das Erlebnis einer Polarkreuzfahrt neu und zieht ein junges, dynamisches und bewusstes Publikum an, das eine Kreuzfahrt normalerweise nicht in Betracht ziehen würde. Unsere Vision ist nicht die Arktis zu erkunden, sondern die Art und Weise, wie wir dorthin reisen, neu zu erfinden.

Lounge, Rendering: Selar

Wird die „Captain Arctic“ auch auf dem Chartermarkt oder für wissenschaftliche Forschungs-Aufgaben zur Verfügung stehen?

Ja, die Captain Arctic ist über ausgewählte Partner für Chartereinsätze verfügbar. Für dieses erste Schiff arbeiten wir mit Reiseveranstaltern in Frankreich und Großbritannien zusammen, die einen Teil unserer Expeditionen bei ihrem Klientel vermarkten. Über den Tourismus hinaus ist die Captain Arctic eines der wenigen Polarschiffe, die ganzjährig in dieser Region der Arktis operieren. Als lokaler Akteur können wir eine wertvolle Rolle in wissenschaftlichen und Umweltprogrammen übernehmen. Unsere ganzjährige Präsenz ermöglicht eine langfristige Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen wie „Clean Up Svalbard“, wo Selar dazu beiträgt, fünf Tonnen Plastikabfall pro Jahr zu sammeln, indem eine Woche der Beseitigung von Plastik mit Freiwilligen gewidmet wird. Die Captain Arctic ist auch als mögliches Einsatzschiff für das französische Polar Institut (IPEV) vorgesehen, das eine emissionsarme wissenschaftliche Logistik unterstützt. Dies umfasst den Transport von Forschern, Ausrüstung und Vorräten zu entlegenen wissenschaftlichen Stützpunkten. Dank unserer flexiblen Reiseroute können wir unsere Routen bei Bedarf an wissenschaftliche Missionen anpassen. Außerdem haben wir ein wissenschaftliches Labor an Bord und werden Wissenschaftler von norwegischen Universitäten an Bord nehmen.

Wie sehen Sie die Entwicklung von Selar in den nächsten zehn Jahren – werden Schwesterschiffe folgen, gibt es bereits Optionen?

Selar wurde mit einer langfristigen Vision gegründet: Wir wollen einen neuen Standard für nachhaltige Exploration setzen. Unser Ziel ist es, unsere Flotte um weitere Segelschiffe zu erweitern, die den gleichen Prinzipien folgen: umweltfreundliches und erlebnisreiches Reisen. Die Finanzierung dieser Art von Innovation ist jedoch mit Kosten verbunden. So ist der Bau eines Schiffes wie der Captain Arctic 40 Prozent teurer als ein konventionelles Schiff, da wir modernste nachhaltige Technologien integrieren. Wir hoffen, dass sich diese Technologien im Laufe der Zeit weit verbreitet und der gesamten Branche zugänglich werden. Neben der Arktis wollen wir auch andere abgelegene und empfindliche Regionen erkunden, die es verdienen, erhalten zu werden. Auch wenn die Polargebiete weiterhin im Mittelpunkt der Mission von Selar stehen, werden unsere zukünftigen Schiffe auch in andere wilde und unberührte Gebiete fahren, immer mit dem gleichen Ethos: Minimale Auswirkungen, tiefe Verbundenheit mit der Natur und eine Verpflichtung zu verantwortungsvollem Reisen. Im Moment konzentrieren wir uns noch auf den erfolgreichen Start der Captain Arctic, aber wir denken bereits über Schwesterschiffe nach, die unsere Reichweite vergrößern und unsere Vision verstärken könnten. Bei Selar bauen wir nicht nur Schiffe – wir gestalten die Zukunft der Exploration.

Interview: Jens Meyer

Mehr zur „Captain Arctic“ lesen Sie auch unter: Mit „Captain Arctic“ auf Nachhaltigkeitskurs: Polarexpeditions-Kreuzer in Dubai auf Kiel gelegt 

oder im neuen Printheft AN BORD 1/25.

Abbildungen und Fotos: Selar