Till Bartels sprach mit mit Daniel Skjeldam von HX Hurtigruten Expeditions.

Wieso wurde Hurtigruten in zwei Marken und zwei Unternehmen aufgeteilt?
Wir haben einen großen Transformationsprozess durchgemacht. Ursprünglich hatten wir elf Schiffe an der norwegischen Küste und ein Expeditionsschiff. 2019 kamen die neuen Hybridschiffe MS Roald Amundsen und MS Fridtjof Nansen dazu, und während der Pandemie erhöhte sich die Flotte auf sechs Expeditionsschiffe. Die Marke Hurtigruten hat einen sehr hohen Bekanntheitsgrad für Norwegen, nicht aber für die Antarktis, Alaska, Grönland und Galapagos-Inseln.
Die Postschiffe sind eigentlich keine Kreuzfahrtschiffe?
Seit 1893 sind es Versorgungsschiffe mit einheimischen Gästen an Bord, Fracht und Post. So sieht uns insbesondere der deutsche Markt. Aber in den USA fragten sich potenzielle Kunden: Warum soll ich eine Expeditions-Kreuzfahrt zu den Galapagos-Inseln mit einem norwegischen Postdienstleister unternehmen?
Haben die Preise für die Expeditionsreisen nicht ein viel höheres Niveau?
Es handelt sich bei HX um ein ganz anderes Produkt, nicht nur wenn es um den Preis geht. Im Gegensatz zu den eher günstigeren Reisen entlang der norwegischen Küste sind die Expedition-Seereisen ab Oktober 2024 ein All-inclusive-Produkt. Es fallen keine Extrakosten an, auch nicht für alkoholischer Getränke, bis auf wenige Ausnahmen für Champagner oder Top-Exkursionen. Damit setzen wir uns nicht nur geografisch ab, sondern das erforderte die neue Marke HX Hurtigruten Expeditions.
Haben beide Marken unterschiedliche Kunden?
Der größte Teil von HX besteht aus neuen Gästen. Auf den Expeditionsschiffen sehen wir 20 Prozent Passagiere von der Küstenroute, am Anfang waren es noch 100 Prozent. Aber wegen des hohen Stellenwertes im deutschen Markt wollten wir nicht zu radikal vorgehen und haben bei HX weiterhin das Wort Hurtigruten im Titel. Wir möchten damit signalisieren, dass wir dieselben Wurzeln haben, aber inzwischen zwei Unternehmen mit eigenen Management-Teams sind.
In den vergangenen Jahren sind im Segment der Expeditionsschiffe viele Neubauten getauft worden. Wie unterscheidet sich HX von Wettbewerbern?
Bei Expeditions-Seereisen gibt es ein starkes Wachstum: Traditionelle Anbieter von Luxuskreuzfahrten haben Schiffe in Auftrag gegeben, weil sie ein hohes Ertragspotential sehen. Das Fahrtgebiet spielt weniger eine Rolle, wichtiger scheint zu sein, welche Champagnerorte serviert wird und wie viele Butler sich um die Gäste kümmern. Wir dagegen fahren einen anderen Ansatz: Bei uns geht es um das Erlebnis in der Destination, um einzigartige Naturerfahrungen, um Begegnungen mit Tieren und in den besuchten Orten um Begegnungen mit Menschen.
Was ist das Besondere an den Hybridschiffen neben dem Antrieb?
Wir haben das beste Expeditionsschiff auf dem Planeten. Denn in die Neubauten MS Roald Amundsen und MS Fridtjof Nansen sind 130 Jahre Erfahrung von unseren Leuten eingeflossen. Neben der Antriebstechnik mit Akkus für die Speicherung überschüssiger elektrischer Energie sind die großen Fenster in den öffentlichen Bereichen ein Beispiel, weil wir die Restaurants nicht wie andere auf den unteren Decks, sondern weiter oben platziert haben. Oder nehmen sie das Dynamic Positioning System: Statt den Anker zu werfen, der unter Wasser Zerstörungen anrichtet, drücken wir einen Knopf und das Schiff bleibt automatisch auf seiner Position. Das ermöglicht auch Anlandungen in abgelegenen Gebieten. Denn es gibt Schiffe, die haben ihre Plattformen für die Tenderboote ungeschützt im Heck untergebracht. Wir dagegen haben die ausklappbare Plattform auf der Steuerbordseite und positionieren das Schiff als eine Barriere, die Zodiacs können so im Strömungs- und Windschatten operieren. Daher müssen wir viel seltener Ausflüge absagen.
Welche Bedeutung hat der deutschsprachige Markt für HX?
Die DACH-Region mit Deutschland, der Schweiz und Österreich sind für uns die wichtigsten Märkte. Deshalb gehören Englisch und Deutsch zu unseren Standard-Bordsprachen. Aufgrund der Markenbekanntheit von Hurtigruten in Deutschland werden wir auf den Namen HX nicht so schnell umschwenken wie in anderen Märkten.
Teilweise sollen die Kabinen 2023 bei HX nur zu 60 Prozent belegt gewesen sein?
Wir befinden uns noch in der Aufbauphase. Während der Pandemie stießen weitere Schiffe zur Flotte: Wir hatten mehr Tonnage aber keine Passagiere. Wie andere Reedereien verloren wir viel Geld. Jetzt aber sind wir mit den Ergebnissen zufrieden und verzeichnen gute Wachstumsraten. Bei den Buchungen für 2025 sehen wir eine Steigerung der Nachfrage von 23 Prozent.
Wo sehen sie HX in fünf Jahren, planen sie mit zusätzlichen Schiffen?
Nein, im Moment konzentrierteren wir uns auf die neuen Regionen Alaska, Grönland und die Galapagos-Inseln, die wir etabliert haben. Außerdem werden wir mit HX und einem neuen Produkt nach Norwegen zurückzukommen: Ab dem ersten Quartal 2026 wird die MS Spitsbergen zu kürzeren, einwöchigen Wintereisen ab Tromsø zu den Inselgruppen Lofoten und Vesterålen aufbrechen. Das ist perfekt für die DACH-Märkte, denn Tromsø ist in drei Flugstunden zu erreichen.
Bei welchen Reisezielen sehen sie eine starke Nachfrage?
Am gefragtesten sind bei uns Antarktis-Reisen. Das ist für uns die Destination Nummer eins, dort sind wir auch der größte Veranstalter, gefolgt von Grönland und den Galapagos-Inseln auf dem dritten Platz. In naher Zukunft sehen wir in Grönland, gerade durch die Eröffnung des neuen Flughafens in Nuuk und durch die Erweiterung unserer Routen das größte Wachstumspotential, aber auch bei den Expeditions-Seereisen zu den Galapagos-Inseln, nach Alaska sowie Spitzbergen, wo 1986 unsere erste Expeditionsreise begann.
Welche Bedeutung hat der neue Flughafen in Nuuk ab 2025 für HX?
Die Eröffnung des neuen Flughafens in Nuuk ist eine Revolution für Grönland, den Tourismus und für HX. Wir wissen von unseren Gästen, dass sie direkt nach Grönland reisen möchten und nicht über Island. Island haben wir als eigenes Ziel im Programm, was wir mit Umrundungen bedienen. Aber durch einen zukünftigen Passagierwechsel in Grönland sparen wir die An- und Abreisetage mit dem Schiff von Reykjavik.
Werden dann die HX-Schiffe ab Nuuk fahren?
Ja, das unterstützt auch die lokale Wirtschaft Grönlands, denn wir werden unsere Gäste direkt nach Nuuk fliegen und bieten Vor- und Nachreisepakete für mehrtägige Aufenthalte vor Ort an. Wir planen mit den Schiffen Fridtjof Nansen, der Fram und zukünftig auch mit weiteren. Im Moment sind solche Kapazitäten über den Airport in Kangerlussuaq mit den Inlandflügen durch kleine Propellerflugzeuge nicht zu realisieren.
Wird sich die Saison in Grönland verlängern?
Statt im Juni können Seereisen schon im Mai beginnen und bis in den Herbst ausgeweitet werden. Schon 2025 bieten wir drei neue Reisen ab Nuuk an, die zum Teil viel weiter in den Norden Grönlands führen. Das ganze Jahr über gilt Nuuk als ein eisfreier Hafen, und unser Partner Arctic Umiaq Line bedient die Häfen weiter südlich auch im Winter. Das sind interessante Zukunftsaussichten für uns.
Daniel Skjeldam stieß 2012 als Chef Executive Officer zu Hurtigruten und ist heute Mitglied des Vorstandes der Hurtigruten Group. Mit der Indienststellung der weltweit ersten Hybrid-Expeditionsschiffe gilt der 49-Jährige als Nachhaltigkeits-Pionier in der Kreuzfahrtbranche. Neben der Postschiff-Sparte baute er HX Hurtigruten Expeditions zum Marktführer für Expeditions-Seereisen aus. Inzwischen fungieren die Norwegerin Hedda Felin als CEO von Hurtigruten und der gebürtige Österreicher Gebhard Rainer als CEO von HX Hurtigruten Expeditions.
Lesen Sie mehr zu Expeditionskreuzfahrten in unserem Special in der neuen AN BORD Ausgabe 1/2025.
Fotos: Till Bartels