Schon am Vorabend dümpelt sie im flimmernden Meer vor der Kulisse der historischen Mauern von Dubrovnik, ein Bild für eine Postkarte. Während die Gäste der letzten Reise den Abend in der Altstadt genießen und bis in die Nacht ihren eigenen Tenderservice haben, checkte Michael Wolf am nächsten Nachmittag im neuen Cruisehafen der kroatischen Stadt an Bord der SEADREAM II ein.
In kleinen Grüppchen, paarweise oder auch alleine kommen die neuen Passagiere über die Gangway. Am Pool stehen bereits die wichtigsten Personen der SEADREAM II zum Empfang bereit: Kapitän Steinar Holmsteinsson, Hoteldirektor Christophe Cornu und Club Director Taylor Davies. Es ist für viele ein bisschen wie nach Hause kommen: Man umarmt sich, kennt sich.
Das obligatorische Glas Prosecco wird von den beiden charmanten Thailänderinnen aus dem Spa gereicht, dazu kalte Tücher – eine Wohltat. Fast alle Gäste auf der heutigen Cruise sind, das sieht man sofort, „Wiederholungstäter“, eine echte Community. Die sich noch nicht kennen, finden sich schnell am Sandwich-Buffet oder beim ersten Cocktail zusammen: „Socialising“ ist das Motto.
Die meisten Repeater kennen natürlich „ihre“ SEADREAM II und die Historie: 1985 als SEA GODDESS II gebaut, galt sie zusammen mit ihrer ein Jahr älteren und baugleichen Schwester SEADREAM I (ex-SEA GODDESS I) als der Inbegriff der luxuriösen Kreuzfahrtyacht schlechthin. Dazu elegante Linien, viele Außendecks. Die Nobelreedereien Cunard und Seabourn setzten die beiden Schiffe ein, 2001 wurden sie von der jungen Reederei SEADREAM übernommen. Obwohl das Schiff auch heute noch in exzellentem Zustand ist, sieht man natürlich hier und da etwas angesetzte Patina an manchen Metallteilen, auf den hölzernen Decks oder auch am Mobiliar der Suiten. Für SEADREAM-Fans ist das Nostalgie pur, sie stört es auch nicht, dass die Suiten keine Balkone haben. Patrick aus New Orleans ist bereits zum dritten Mal an Bord: „Das ist ein Schönwetter-Schiff voller Nostalgie. Wir sind sowieso den ganzen Tag an Deck – da brauchen wir keine Balkone.“
Nostalgischer Charme
Die Erkundungstour dauert auf einem solchen Schiff nicht lange. Die Gangway führt direkt zum Pooldeck mit seinen großen Holzflächen und den metallenen Liegestühlen, dem Pool, in dessen blauen Fliesen das SEADREAM-Logo im Wasser schillert, sowie einer kleinen Poolbar, die tagsüber geöffnet ist. Von hier aus gelangt man auf der einen Seite zur Main Lounge in grauen und beigen Farben und einer Metall-Deckendekoration im Retrolook über einer kleinen Tanzfläche mit einem Flügel. Hier haben alle 112 Passagiere Platz. Besonders schön ist eine kleine gemütliche Eck-Bar und Holztheke für kleine Buffets. Auf der anderen Schiffsseite führt ein Außengang vom Pool direkt zum Rezeptionsbereich mit vielen Holzelementen und Messinggeländern, dem Herz der Yacht. Hier finden sich Kreuzfahrtberatung, Concierge, Rezeption und Internetplatz am selben Platz, die Boutique besteht aus einer größeren Vitrinenwand mit Luxusartikeln.
Viel Holz, Glasvitrinen und rote Vorhänge auch im Dining Salon, am Heck liegt auf demselben Deck eine ausklappbare Marina für Wassersport wie Kajaks, Jetski und sogar kleine bordeigene Segelboote, die über eine Außentreppe erreichbar ist.
Die Bibliothek auf Deck 4 könnte aus einem englischen Country-Club stammen – glänzendes Holzparkett, Orientteppiche, Holzregale mit Coffee-Table-Büchern, bequeme Sessel und Sofas. Der ideale Rückzugsort zum Lesen, für kleine Vorträge oder Whiskey-Verkostungen. Dezent dazu etwas Musik von der seitlichen Piano-Bar (auf manchen Reisen bis zum Morgengrauen geöffnet), die einem der kleinsten Casinos auf Schiffen gegenüberliegt. Am Bug des Schiffes dann der Spa-Bereich mit einem großen Fitnessraum und modernsten Geräten.
Zum Frühstück und Lunch trifft man sich open-air im Topside-Restaurant auf Deck 5, romantische kleine Tische am Heck mit Blick auf Pool und Meer sind die Favoriten. Auch abends kann man hier manchmal speisen, auf besonderen Wunsch auch häufiger, wenn das Wetter mitspielt.
Und noch ein Deck höher liegen dann die beiden Highlights, wofür SEADREAM-Fans eine solche Reise schon allein buchen. Zum einen eine der wahrscheinlich schönsten Bars auf Schiffen, ganz in Holz und oval gestaltet, die passenderweise zur Lage Top of the Yacht Bar heißt…
Die beiden Barkeeper Nic and Byron kreieren hier neue Drinks, mixen die Lieblingscocktails ihrer verschiedenen Gäste schon meist automatisch, wenn die auf den hohen hölzernen Barhockern Platz nehmen. Genau hier schlägt eindeutig das social heart des kleinen Schiffes. Hier wird diskutiert, hier spielt der philippinische Pianist und Gitarrist Romeo zum Aperitif, hier wird abends mit einem DJ abgetanzt. Und immer ist der Meerblick inklusive. Das zweite Highlight sind die „balinesischen Betten“, Liegebereiche an den Schiffsseiten und ganz vorn am Heck, die abends auf Wunsch als Bett für die Nacht vorbereitet werden.
Pflanzen und Pyjamas
Im Gegensatz zu den öffentlichen Räumlichkeiten liegen alle Kabinen bzw. Suiten im vorderen Bereich der SEADREAM II. Auf Deck 2 mit Bullaugen, darüber mit großen Fenstern. Auch hier findet man viel Holzelemente, eine gemütliche Eleganz vergangener Tage, aber alle wichtigen Anschlüsse der heutigen Zeit, von USB bis zu amerikanischen oder deutschen Steckernormen, die Beleuchtungssysteme bis zur Leselampe gut ausgereift. Das Bett ist mit einem Vorhang vom Eingangsbereich abgetrennt. Das Badezimmer ist zwar klein, aber ausreichend und edel ausgestattet bis zur Pflegeserie von Bulgari. Und noch ein Luxus in Form eines Lebewesens auf der Suite: Denn wo findet man dort heutzutage noch echte Grünpflanzen?
Kleine aber wichtige Details machen den Unterschied zu anderen Cruiseanbietern im Luxusbereich aus: mit Namen bedruckte Trinkflaschen, ebenfalls mit Namen verzierte Pyjamas (leider seit einiger Zeit nur noch in einer Größe) oder das kleine Täschchen für die Kabinenkarte (und Kreditkarten für Landausflüge), das RFID geschützt ist. Sehr nützlich und praktisch, weil so die Kreditkarten nicht von Betrügern aus der Nähe ausgelesen werden können.
Der Dresscode auf diesem Schiff ist durchgängig und nennt sich „Yacht-Casual“, also relaxte Eleganz ohne Krawatte. Beim Welcome-Cocktail zählt der isländische Kapitän die an Bord anwesenden Nationalitäten der Gäste auf. Die größte Gruppe ist heute aus New York, quittiert von begeistertem Jubel und Klatschen. USA, England, Australien – das sind heute wieder einmal die wichtigsten Herkunftsländer der Passagiere. Dazu etwas Korea, Japan und immerhin drei deutsche Gäste. Wie bei SEADREAM üblich darf bei diesem Cocktail natürlich auch die Kaviardose an der kleinen Bar nicht fehlen, die bestens frequentiert wird.
Service mit höchsten Ansprüchen
Der französische Executive-Hoteldirektor Christophe Cornu ist ein Vertreter der „Hospitality People“ der alten Schule, ein Gentleman. Er kennt alle Stationen im Hotelbereich aus eigener Erfahrung, arbeitete als Kellner und Rezeptionist im weltberühmten Pariser Hotel Crillon am Place de la Concorde, später dann bei 3-Sternekoch Alain Senderens im Restaurant Lucas-Carton. Im Crillon lernte er einen talentierten Pianoplayer kennen, der auch auf der legendären FRANCE spielte.
„Er hat mich auf den Geschmack für Schiffe und den Kreuzfahrtmarkt gebracht.“, sagt er heute. „Mein Traum war es immer, die Welt kennenzulernen. Wo geht das besser, als auf einem Kreuzfahrtschiff? Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue und das Meer sehen, bin ich glücklich.“
Trotz aller Romantik ist der drahtige Franzose unnachgiebig im Job: Vom ausnahmsweise einmal nachlässig dekorierten Buffet bis zum Fleck auf der Kellnerweste sind seine Augen überall. Die hohen Maßstäbe hat er bei seinen diversen beruflichen Kreuzfahrt-Stationen gelernt: Von Cunard‘s bzw. Seabourn‘s berühmten SEA GODDESS-Yachten (die später zu den SEADREAM-Yachten wurden) über Crystal Cruises und Seabourn hat Cornu so Erfahrungen bei den wichtigsten kleinen Cruiselines im Ultra-Luxus-Bereich sammeln können. Höchsten Ansprüchen genügen müsse man auch vor allem bei einigen Vollchartern, so der Executive Hoteldirektor. So wie bei der Charterreise eines arabischen Prinzen mit seinen Freunden oder dem einer bayrischen Luxus-Automobilmarke zum Filmfestival von Cannes.
Und er hat natürlich jede Menge Erinnerungen. An Zeiten, zu denen noch im Hafen ein roter Teppich wartete oder die Gäste mit riesigen Sonnenhüten an Bord kamen. Heute hat sich dies natürlich der Zeit angepasst.
Geblieben ist aber auch die Spitzengastronomie. Küchenchef Tomasz aus Polen zaubert auf dieser Reise kulinarische Kreationen vom Besten, kauft unterwegs in einigen Märkten lokale Spezialitäten oder frische Fische. Das Angebot auf den Speisekarten ist unglaublich vielfältig, auch vegane oder glutenfreie Speisen sind zu finden. Seine Kochstunde in der Main Lounge ist bestens besucht.
Die Gäste lieben das exzellente Essen, den etwas nostalgischen Lifestyle. Und sie sind unterschiedlich: Da ist heute das Gay-Paar aus New York, kultiviert und exzellent gekleidet. Einige Paare aus Ohio und den Südstaaten lieben es eher lässig, casual. Man hat sich, wie bei Amerikanern üblich, bereits am ersten Abend kennengelernt und zu Cocktails und Essen verabredet. Jim, ein ehemaliger Autohändler und Foto-Fan, hält jeden wichtigen Moment dieser Reise mit seiner professionellen Ausrüstung fest. Er hat bereits an Bord seine nächste Reise mit SEADREAM gebucht – die Mischung aus locker und luxuriös gefällt ihm und seiner Frau. „In meinem Job musste ich jahrelang Krawatten und Anzug tragen. Da ist eine Reise wie diese eine Wohltat.“
Kleine Reiseeindrücke
Die Destinationen auf dieser Reise bieten eine gute Mischung aus unbekannt und berühmt. Da ist am ersten Tag die malerische Bucht von Kotor in Montenegro. Schon bei der frühen Einfahrt bietet sich ein Panoramablick mit nicht enden wollenden Bergzügen, kleinen Dörfchen und Badebuchten mit Cafés und Restaurants an den Ufern.
Die Altstadt von Kotor steht im Zeichen der Katzen – Hunderte von ihnen dösen auf den Treppen, schleichen durch die Gassen oder werden mal wieder aus den kleinen Boutiquen gescheucht. Hoch über Kotor liegt eine große Festung, zu denen 1350 schweißtreibende Stufen führen, aber der Blick lohnt. Sehenswert auch das bezaubernde Dörfchen Perast mit seinen beiden Inseln. Sie gehören wie die gesamte Bucht zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Abends vor der beleuchteten Kulisse der Festung von Kotor ist auf der SEADREAM II Open-air-Kino angesagt. Rocketman Elton John flimmert über die große Leinwand am Pool, frisches Popcorn wird serviert, wie es sich im Kino gehört. Dazu einen wärmenden Drink. Denn der Abend wird frisch. Auch die Gäste, die die Außenbetten reserviert haben, kuscheln sich mit einem Cocktail in die weißen Bettdecken. Obwohl die Sterne funkeln, und die SEADREAM II nur langsam über das Meer gleitet, haben die meisten Gäste am diesem Abend das Open-air-Erlebnis abgeschrieben – zu kalt ist die Nacht, stürmisch wird der Wind. Gut, dass auch heute in den Suiten ein warmes Bett wartet.
Wind und Regen bestimmen die beiden nächsten Tage, der Overnight-Aufenthalt vor Taormina muss wegen des Wetters durch Messina ersetzt werden. Aber die Ausflüge nach Taormina werden dann am nächsten Tag dennoch durchgeführt.
Ein strahlend blauer Himmel, ein glattes Meer und sommerliche Temperaturen entschädigen für die meteorologischen Kapriolen der letzten Tage, als die SEADREAM II vor dem malerischen Amalfi mit seinen von Bougainvilleas rotgesprenkelten alten Häusern, Kirchen und Mauern Anker wirft. Endlich ist Gelegenheit, die Marina zu nutzen – wenig später umkurven die ersten Gäste bereits auf Kajaks und mit einem schnellen Jetski das Schiff.
Letzte Station vor dem Ende der Kreuzfahrt ist dann Capri, die „Island of Love“, für viele vor allem amerikanische Gäste Höhepunkt und once-in-a-lifetime-Erlebnis.
„Kitsch and fun“ verspricht das Tagesprogramm. Zu Recht: die zahllosen Boutiquen, die Cabrio-Taxis, die um reiche Kunden feilschenden Motorboot-Fahrer mit ihrer gestenreichen Sprache – das ist Italien wie aus dem Hollywood-Film. An eine Durchfahrt durch die beiden Faraglioni-Felsen vor Capri mit SEADREAM I vor einigen Jahren kann sich der Autor bestens erinnern. Damals war der beliebte Kapitän Welsh auf der Hut vor der italienischen Küstenwache.
„Früher haben wir das öfter gemacht, wenn wir Capri besuchten“, erinnert sich Kapitän Holmsteinsson. „Heute sind die Strafen dafür so hoch geworden, dass ich mir das mit meinem Gehalt nicht leisten kann“, schmunzelt er. Die Landausflüge sind bei SEADREAM nicht im All-Inclusive-Programm eingeschlossen. Auf unserer Reise lagen die Preise dafür zwischen 89 und 269 $ pro Person und Ausflug. Darunter sind Winzerbesuche mit Verkostung, Bootsfahrten in die Blaue Grotte in Capri oder Fahrten mit Quad Bikes über die Lavafelder des Vulkans Ätna. Vermisst wurde von einigen Gästen auf dieser Reise die berühmte Champagner and Caviar-Splash-Party, bei der die Crew Kaviar aus der Kilodose entweder im Pool oder in einer kleinen Bucht im Meerwasser serviert, sie fiel wegen des kapriziösem Wetter wahrhaftig ins Wasser. Im Ausschiffungshafen Civitavecchia findet die kleine SEADREAM II dann wieder die ganzen anderen Megaschiffe wieder, die in den letzten Tagen keinem Gast gefehlt haben.
Fotos: enapress.com