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Brennstoffzellen für eine grüne Schifffahrt

IMO finalisiert Richtlinien für die Zulassung

Nach mehr als 10 Jahren Entwicklungsarbeit hat die International Maritime Organization (IMO) endlich Sicherheitsvorschriften für die Zulassung von Schiffen mit Brennstoffzellenantrieb verabschiedet, die nach Zustimmung des „Maritime Safety Committee“ im Mai 2022 in Kraft treten werden. Damit kann jetzt der Kurs auf die breite industrielle Anwendung in der kommerziellen Schifffahrt gesetzt werden, um mit effizienten Energiewandlern und klimaneutralen Treibstoffen emissionsfreie Schiffe zu realisieren. Dabei nehmen die auf den Bau und Betrieb von Kreuzfahrt- und Fährschiffen fokussierten Reedereien und Werften mit ihrem Engagement eine Vorreiterrolle ein.

VSM-Geschäftsführer Dr. Reinhard Lüken: „Die IMO hat geliefert“. Foto: Jens Meyer

„Dies ist ein Meilenstein für energieeffizientere Schiffe und alternative Energieträger. Die IMO-Entscheidung erfolgt gerade noch rechtzeitig, um die marktreifen Innovationen europäischer Werften und Anlagenhersteller in die praktische Anwendung zu bringen. Hierdurch werden Wettbewerbsvorteile ermöglicht und maritime Beiträge zu Klimaschutz und Energiewende geleistet“, stellt Dr. Ralf Sören Marquardt, Geschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und IMO-Reprästentant des europäischen Schiffbauverbandes fest.

In Deutschland wurden im Rahmen des Verbundforschungsvorhabens „e4ships – Brennstoffzellen im maritimen Einsatz“ zahlreiche innovative Energieversorgungssysteme entwickelt. Noch in diesem Jahr wird die 2018 als weltweit erstes Kreuzfahrtschiff mit LNG-Antrieb von der Papenburger Meyer Werft abgelieferte AIDAnova nachgerüstet und dann als weltweit erstes großes Kreuzfahrtschiff mit Brennstoffzellen in See stechen, so Marquardt. Das Vorliegen international akzeptierter Sicherheitsstandards sei dabei eine unverzichtbare Voraussetzung für die Betriebserlaubnis der Flaggenstaatsverwaltung.


Zu diesem Erfolg hat insbesondere der im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie geförderte e4ships-Innovationscluster beigetragen, durch den unter VSM-Koordinierung Forschungsergebnisse und regulatorische Vorschläge direkt in die IMO-Vorschriftenentwicklung eingebracht werden konnten. Eine intensive Industriebeteiligung an der Entwicklung von Sicherheitsstandard ist weiterhin notwendig, um das Portfolio Brennstoffzellen geeigneter Treibstoffe zu erweitern.

Soll nach der Nachrüstung noch in diesem Jahr als erstes großes Kreuzfahrtschiff mit Brennstoffzellen eingesetzt werden: „AIDAnova“. Foto: Jens Meyer

Nicht nur die Meyer Werft, die bereits 2014 einen Brennstoffzellen-Demonstrator in Papenburg an Land in Betrieb hatte sowie 2016 auf der Ostsee-Fähre Mariella eine solche Anlage im praktischen Einsatz an Bord getestet hat, und in deren Auftragsbestand für ihren Betrieb in Turku sich zwei Kreuzliner der ICON-Klasse (je 5500 Gäste) für Royal Caribbean befinden, die mit Brennstoffzellen zur Deckung des Energiebedarfs des Hotelbereiches der Schiffe ausgerüstet werden sollen, ist auf diesem Gebiet seit längerem unterwegs. Auch die italienisch-schweizerische Reederei MSC Cruises und ihr französischer Großauftragnehmer, die in St. Nazaire ansässige Werft Chantiers de l’Atlantique, setzen auf Brennstoffzellen für künftige Neubauprojekte, wobei es sich in diesem Fall um Festoxid-Brennstoffzellen handelt, die nicht mit Methanol, sondern mit LNG betrieben werden. Bei den jüngsten Projekten, die MSC Cruises mit ihrem italienischen Werftpartner Fincantieri plant, sollen dann auch Brennstoffzellen zum Einsatz kommen, die noch umweltfreundlicheren grünen Wasserstoff nutzen.

Jetzt kommt es darauf an, verfügbare Technologien in großem Stil in Fahrt zu bringen. Nachhaltigkeitskriterien dürfen dabei nicht der Technikentwicklung hinterherhinken. VSM-Hauptgeschäftsführer, Dr. Reinhard Lüken, betont die europäische Dimension der Aufgabe: „Die IMO hat jetzt erstmal geliefert. Nun ist Brüssel die nächste Haltestelle auf dem Weg zu branchengerechten Rahmenbedingungen für die maritime Energiewende. Die dort just im Rahmen der Taxonomie festgeschriebenen Klimakriterien erkennen die Nutzung von synthetischem Methanol noch nicht als nachhaltige Option an. Solche handwerklichen Fehlsteuerungen dürfen wir uns nicht mehr leisten!“, warnt er. JPM

NABU: Seeschifffahrt endlich auf Klimakurs bringen

Pressemitteilung

Miller: Internationale Seeschifffahrtsorganisation muss ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen verabschieden

Anlässlich der am Montag beginnenden Verhandlungen der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) über konkrete Klimaschutzmaßnahmen sieht der NABU erheblichen Nachbesserungsbedarf beim vorliegenden Beschlussvorschlag, über den kommende Woche abgestimmt werden soll.

„Der vorliegende Kompromissvorschlag ist ein stumpfes Schwert im Kampf gegen die weiter steigenden Emissionen der Schifffahrt“, kritisiert NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „Wenn sich die Vertragsstaaten auf diesen faulen Kompromiss verständigen, werden die Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 nochmals um rund 14 Prozent im Vergleich zu heute steigen. Deutschland darf daher dem vorliegenden Text nicht zustimmen und muss auf ein wesentlich höheres Ambitionsniveau drängen. Anders ist die Seeschifffahrt nicht auf Klimakurs zu bringen. Abgesehen davon würde ein fatales Signal ausgesendet, das die Branche in ihrer Untätigkeit noch bestärkt.“

Der Sektor habe sich jahrzehntelang erfolgreich darum gedrückt, sich an den internationalen Klimaschutzanstrengungen zu beteiligen. Mit den Kurzfristmaßnahmen sollten zumindest erste Schritte in Richtung Emissionsminderung verbindlich festgelegt werden. Versage die IMO bereits hier, sei dies Ausdruck einer fatalen Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, eine der wesentlichen Treibhausgasquellen effektiv und nach einheitlichen Standards in den Griff zu kriegen. In der Konsequenz sei eine Vielzahl regionaler Einzelmaßnahmen zu erwarten, die die Industrie vor erhebliche Herausforderungen stelle und die Entwicklung von Effizienztechnologie und emissionsfreien Antrieben unnötig verzögere.

Daniel Rieger, Leiter Verkehrspolitik beim NABU Bundesverband: „Die Zugeständnisse, der Bundesregierung im Zuge der Kompromissfindung sind eindeutig zu groß. Beim Erfüllen von Effizienzvorgaben allein auf Freiwilligkeit zu setzen und auch bereits nach heutigen Standards völlig veraltete Schiffe noch bis zum Jahr 2030 weiter fahren zu lassen, zementiert einzig den Status quo. Die Treibhausgasintensität pro transportierter Tonne müsste bis 2030 um 80 Prozent gemindert werden, um das Ziel von 1,5°C Erderwärmung einhalten zu können. Zugleich müssen die Anforderungen an den Schiffsbetrieb verbindlich sein, überwacht und im Falle von Verstößen auch sanktioniert werden. Alles andere kann nicht als Fortschritt gefeiert werden. Da gerade deutsche und auch europäische Unternehmen Weltmarktführer im Bereich Schiffbau sowie maritimer Effizienztechnologie sind, bietet sich hier zugleich die Gelegenheit, Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg zu vereinen.“

Zum Hintergrund

Die Seeschifffahrt ist aktuell für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Damit emittiert der Sektor mehr klimaschädliches CO2 als die Bundesrepublik Deutschland. Die globale Schifffahrt wird über die Internationale Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) reguliert. Fortschritte im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes gestalten sich hier jedoch äußerst zäh. Das Pariser Klimaschutzabkommen verweist dennoch auf dieses Gremium, um sektorspezifische Klimaziele festzulegen und ihre Umsetzung voranzutreiben. 

Die Treibhausgasminderungsstrategie der IMO sieht eine Halbierung der CO2-Emissionen der Seeschifffahrt bis 2050 im Vergleich zum Jahr 2008 vor. Dies ist völlig unzureichend, nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen kompatibel und von daher inakzeptabel, da auch die Schifffahrt im Jahr 2050 vollständig emissionsfrei unterwegs sein muss. Teil der IMO-Strategie ist die Verabschiedung kurzfristig wirksamer Maßnahmen, die bereits bis zum Jahr 2023 Wirkung entfalten.

Im Vorfeld der nun stattfindenden 75. Sitzung des Umweltausschusses der IMO, dem Marine Environment Protection Committee (MEPC) wurde unter den Vertragsstaaten das Dokument J/5.rev1 entwickelt, das der NABU in wesentlichen Aspekten für unzureichend hält und das nun in der Woche vom 16. – 20. November 2020 zur Abstimmung steht.

Text: PM NABU