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Trotz derzeitiger Rückkehr zum Dieselkraftstoff: DNV-Studie belegt starkes Wachstum für LNG-Antrieb als Brückentechnologie

Vor dem Hintergrund der extrem angestiegenen Gaspreise drohen den Eignern der weltweiten Flotte von Schiffen, die mit verflüssigtem Erdgas (LNG) betrieben werden, nach Angaben des UCL Energy Institute bis 2030 finanzielle Verluste bis zu 850 Mrd. Dollar. Auch wenn derzeit zunehmend für den Dual-Fuel-Betrieb ausgelegte Schiffe der verschiedensten Typen mit Dieselkraftstoff statt LNG betrieben werden, sieht die renommierte Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV) die Zukunft für den LNG-Antrieb als Brückentechnologie auf dem Weg zur emissionsfreien Schifffahrt deutlich positiver. Sie weist in ihrer jüngsten Analyse nicht nur auf das starke Wachstum der Ablieferungen und Bestellungen von Schiffen mit diesem Antrieb hin, sondern äußert sich auch zu Erwartungen für die künftige Entwicklung von alternativen Brennstoffen von e-fuels bis zum Wasserstoff.

„Viking Grace“ fährt seit Oktober 2021 wieder mit Dieselkraftstoff. Foto: Jens Meyer

Bereits im November 2021 hatten wir darüber berichtet, dass die finnische Fährreederei Viking Line ihre für den LNG-betriebene Ro/Pax-Fähre Viking Grace (BRZ 57565) einen Monat zuvor auf den Einsatz von Dieselbrennstoff umgestellt hat. Auch die norwegische Fährreederei Fjord Line hatte kürzlich für Anfang 2023 den Umbau ihrer beiden 32000 BRZ großen LNG-Fähren Stavangerford und Bergensfjord für den Dual Fuel-Betrieb angekündigt, um künftig Marinediesel (MGO) als deutlich preisgünstigeren Brennstoff nutzen zu können („an Bord“ Website 30.12.2022). Zuletzt hat der deutsche Kreuzfahrtmarktführer AIDA Cruises bestätigt, dass man die 2018 als erstes vollständig mit LNG zu betreibendes großes Kreuzfahrt der Welt in Dienst gestellte AIDAnova und die 2021 in Fahrt gekommene AIDAcosma inzwischen mit schwefelarmen Diesel (MGO) betreibt, wobei alle drei genannten Reedereien ihre Absicht bekundeten, bei einer entsprechenden Entspannung der Preissituation wieder zu LNG zurückzukehren.



Wie aus der von DNV auf Basis seiner Alternative Fuels Insight (AFI)-Plattform erstellten Übersicht hervorgeht, wurden 2022 weltweit 275 Schiffe für den Betrieb mit alternativen Kraftstoffen (ohne batteriebetriebene Schiffe) und mehr als 50 LPG-Tanker mit LPG-Dual-Fuel-Systemen bestellt. Dabei stand LNG mit 222 Schiffen oder 81 Prozent der Gesamtaufträge an der Spitze. Vierundsiebzig Prozent dieser Aufträge entfielen auf Containerschiffe und reine Pkw- und Lkw-Transporter (PCTC), während Produktentanker mit 9 Prozent der Aufträge an dritter Stelle standen.

„Entgegen aller Erwartungen hat das Jahr 2022 bei den Aufträgen für LNG-betriebene Schiffe fast das Niveau des Rekordjahres 2021 erreicht, in dem 240 LNG-betriebene Schiffe bestellt wurden“, so DNV. Die Gesamtzahl der in Betrieb befindlichen und bestellten LNG-betriebenen Schiffe liegt nunmehr bei 876. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 104 neue LNG-betriebene Schiffe in Betrieb genommen, was einem Zuwachs von 41 Prozent innerhalb der bereits in Fahrt befindlichen Flotte entspricht. Methanol war mit 35 bestellten Schiffen die zweitbeliebteste alternative Treibstoffwahl, womit sich deren Gesamtzahl auf 82 Schiffe erhöhte. Dreißig davon waren große Containerschiffe.

Überraschenderweise wurden insgesamt 18 Schiffe bestellt, die mit Wasserstoff betrieben werden können. Die Palette reicht von kleinen Crew-Transfer-Schiffen für die Offshore-Windindustrie, die vollständig mit Wasserstoff betrieben werden, bis hin zu großen Kreuzfahrtschiffen, die mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen ausgestattet sind und einen kleineren Teil des Energiebedarfs an Bord decken.

„Im Jahr 2022 wurde ein vielfältiges Portfolio an LNG-betriebenen Schiffen abgeliefert, wobei große Rohöltanker an der Spitze und Containerschiffe an zweiter Stelle stehen“, so Martin Wold, Hauptberater im Bereich Maritime Advisory von DNV. „Bei weitem nicht alle werden derzeit vollständig mit LNG-Kraftstoff betrieben, aber es gibt geografische Gebiete, in denen LNG immer noch zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten und regelmäßig gebunkert wird. Das zugrundeliegende Wachstum für LNG-Kraftstoff ist dennoch sehr stark, und der Markt wird wahrscheinlich irgendwann mit einem Boom zurückkehren, wobei sich die gebunkerten Mengen innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne verdreifachen dürften“, ist er überzeugt.

Man erwarte, dass das Jahr 2023 in Bezug auf die Neubaubestellung von Schiffen, die für den Einsatz von alternativen Kraftstoffen ausgelegt sind, ähnlich ausfallen werde wie das Jahr 2022. Die Aufträge würden sich im Vergleich zum letzten Jahr wahrscheinlich auf etwas andere Schiffstypen und -größen verteilen, wobei die große Mehrheit der 2023 bestellten Schiffe mit alternativen Kraftstoffen voraussichtlich mit LNG betrieben werde. Das hohe Preisniveau für Erdgas wird die breite Einführung von LNG als Treibstoff in der Schifffahrtsindustrie weiterhin verzögern, aber aus einer Gesamtperspektive betrachtet passen die Lieferzeiten für Neubauten gut zu dem Zeitpunkt, an dem sich die globalen Gas- und LNG-Preise voraussichtlich abkühlen werden, so Wold.

Seiner Analyse zufolge werden auch die Aufträge für Methanol-Doppelkraftstoff wahrscheinlich anhalten und möglicherweise in Bezug auf die Anzahl der Schiffe etwas zunehmen. Im Vergleich zu LNG seien Methanol-Kraftstoffsysteme weniger kostspielig und sowohl für die Werft – insbesondere bei kleineren Schiffen – als auch für die Eigner einfacher zu bedienen. 2022 sei das Jahr gewesen, in dem sich Methanol wirklich als Alternative zu LNG etabliert hat, und die Motorenhersteller berichteten über ein rekordverdächtig hohes Interesse an methanolfähigen Motoren.“ Bedenken hinsichtlich der Beschaffung und der kurz- bis mittelfristigen Skalierbarkeit von grünem Methanol werden hier der wichtigste Bremsfaktor bleiben“, glaubt Wold.

Während der Hauptwettbewerb zwischen konventionellen Kraftstoffen, LNG und Methanol im Jahr 2023 stattfinden wird, erwartet DNV einen weiteren positiven Trend bei der Bestellung von wasserstoffbetriebenen Schiffen. Zudem geht die Klassifikationsgesellschaft davon aus, dass in diesem Jahr das erste offiziell bestätigte mit Ammoniak betriebene Schiff in ihre AFI-Datenbank aufgenommen wird. JPM