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Amerikas Traumschiff

Das Luxuskreuzfahrtschiff S.S. America war ein ambitioniertes Passagierschiff, sein Schicksal traurig. In seiner 54jährigen wechselvollen Geschichte unter sieben verschiedenen Namen mit zahlreichen Eignerwechseln wurde es drei Mal unter seinem ursprünglichen Namen betrieben.

Im New Yorker Stadtteil Manhattan wurden am 10. August 1940 Jubelfähnchen an die Bevölkerung ausgegeben. Die America, das Prunkschiff der United States Lines, war als Flaggschiff ihrer Reederei die neue Königin der amerikanischen Flotte, das größte und schnellste Schiff, das je in den USA gebaut wurde. Als es sich elegant aus dem Hafen herausschob zur Jungfernreise in Richtung Westindische Inseln, wurde es begeistert eskortiert von Booten, kleineren Schiffen und Schleppern. Die Masse war in enthusiastischer Stimmung, an Bord befanden sich 850 ausgewählte und geladene Ehrengäste, viele winkten. Es war ein Ereignis.

Foto: Sammlung JSA

Allerdings konnte das Schiff seine Bestimmung als führender Transatlantikliner nicht wahrnehmen. Der Zweite Weltkrieg tobte, die USA waren davor, in den Krieg einzutreten und von da an Gegner der anderen Seite. Die Feinde schickten U-Boote in den Atlantik, Angriffe waren nicht auszuschließen. Deshalb wurden zwei Maßnahmen festgelegt: Die America durfte nicht auf Überseefahrten gehen, sie sollte ausschließlich für Programme in amerikanischen Gewässern, den Westindischen Inseln und Kreuzfahrten in der Karibik eingesetzt werden. Um die Neutralität des Schiffes zu demonstrieren und etwaige Verwechslungen zu verhindern, war der Rumpf an beiden Seiten und auf mehreren Decks mit riesigen Emblemen ausgestattet worden. Darauf waren der Name des Schiffes, der Reederei und die Flagge der Vereinigten Staaten aufgemalt worden. Es sollte unübersehbar zeigen, dass die America als nichtmilitärisches Schiff zu den USA gehörte.

Foto: Sammlung Udo Horn

Das Dampfturbinenschiff konnte zunächst nicht dafür eingesetzt werden, wozu es gebaut worden war. Als Passagierschiff sollte es auf der Nordatlantikroute als neues und großartiges Schiff auftrumpfen, wurde nun aber als Kreuzfahrtschiff genutzt. Es war im Auftrag der United States Maritime Commission (MARCOM) von dem Schiffsexperten William Francis Gibbs entworfen worden. Es wurde 1936 für 1,2 Mio. Dollar bei der Werft Newport News Shipbuilding and Dry Dock Company im Bundesstaat Virginia bestellt, die es am 22. August 1938 als Bau-Nr. 369 auf Kiel legte. Es war ein besonderer Bau, er entstand im Zuge des 1936 beschlossenen Neubauprogramms des Merchant Marine Act und durchlief mehrere Tests. Die America sollte als schnellstes Schiff das Blaue Band erobern. Am 31. August 1939 kam es zum Stapellauf, Eleanor Roosevelt, die Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, hatte es zuvor getauft. Am Tag darauf, dem 1. September 1939, erklärte Adolf Hitler im Berliner Reichstag den Krieg.

Die über 11 Decks verfügende America war 220,4 Meter lang und 28,4 Meter breit, der Tiefgang lag bei 8,84 Metern, die Vermessung (von 1940 -65) wurde mit 26.454 BRT bzw. 14320 NRT angegeben. Der Antrieb erfolgte durch zwei Parsons-Dampfturbinensätze, die über Doppeluntersetzungsgetriebe auf zwei Propeller arbeiteten. Die Maschinenleistung wurde mit 37.400 PS (27.508 kW) beziffert, die Höchstgeschwindigkeit mit 22,5 kn (41,7 km/h) angegeben. In der Kabinenklasse wurden 543, in der Touristenklasse 418 und in der Dritten Klasse 241 Passagiere zugelassen. Die Besatzung bestand aus 643 Mitgliedern und wurde im Zweiten Weltkrieg auf 750 aufgestockt.

Mehrere Testtouren waren notwendig geworden, nachdem Konstruktionsprobleme erkannt worden waren. Der hintere Schornstein war der einzige für den Rauchgasabzug, es gelang nicht, den Abgasruß von den Decks fernzuhalten. Daraufhin wurden er und der vordere „Dummy“, in dem ein Notstromregenerator untergebracht war, um fünf Meter erhöht. Das diente auch der Schiffsansicht, die America hatte nun ein schickeres Profil. Am 2. Juni 1940 konnte das Schiff der Reederei übergeben werden.

Foto: Sammlung JSA

Am 1. Juni 1941 wurde die America auf Anweisung der Regierung an die US Navy gegeben und ab 6. Juni von der Norfolk Ship Yards in nur elf Tagen zu einem der größten Truppentransporter mit einer Kapazität von 7678 Personen umgerüstet, in grauem Tarnanstrich mit abgedeckten Fenstern und ausgestattet mit Waffen, vor allem Maschinengewehren. Bis 1946 beförderte das in USS West Point mit der taktischen Kennung AP-23 umbenannte Schiff auf fast allen Meeren der Welt rund 350.000 Menschen über eine einer Erdumrundung entsprechende Distanz, wobei es kein einziges Mal in Gefahr kam und keine Beschädigungen hinnehmen musste. Auf einer seiner Reisen im Jahre 1944 konnte das Schiff die Rekordzahl von 9306 Personen befördern.

Am 22. Juli 1946 entließ man die America aus dem Transportdienst und gab sie der United States Lines zurück. Der Rückbau zum Passagierschiff wurde mit 6,9 Millionen Dollar veranschlagt. Die Vermessung wurde neu erfasst, es gab nun Platz für 1689 Passagiere. Am 1. November 1946 wurde es erstmals auf die Strecke New York–Le Havre geschickt, endlich im Transatlantikdienst. Weitere Anlaufhäfen waren Sourhampton, Cobh und ab Oktober 1951 auch Bremerhaven. Als 1960 die Transatlantikflüge die Schifffahrt bedrängten, wurde die America wieder als Kreuzfahrtschiff eingesetzt. Im September 1963 legte ein Streik der Gewerkschaften das Schiff für fünf Monate lahm, es wurde in Hoboken festgehalten und konnte erst im Februar 1964 seinen Dienst fortsetzen.

Durch die Flugzeugkonkurrenz kam es bei der United States Lines zu einer Verschlechterung der ökonomischen Lage, die America wurde am 16. November 1964 für 4.20.00 Dollar an die Okenia SA, eine Tochtergesellschaft der Chandris Gruppe, verkauft. Sie wurde in Australis umbenannt und im griechischen Piräus umgebaut, hatte u.a. durch rd. 350 zusätzliche Kabinen Platz für 2258 Personen und die Vermessung erhöhte sich auf 33961 BRZ. Der Rumpf war weiß, die Schornsteine blau gestrichen. Im August 1965 entsandte die neue Reederei das Schiff nach Sydney, danach fuhr sie eine Route rund um die Welt und zu mehreren Destinationen. Die weiße Bemalung erwies sich als rostanfällig und wurde grau-rot erneuert. Am 22. Oktober 1970 brach in der Kombüse ein Feuer aus, das erst nach neun Stunden gelöscht werden konnte. Das Schiff war reparaturbedürftig, am 11. Juli 1974 gab es im Hafen von Sydney eine kleinere Kollision mit dem australischen Flugzeugträger HMS Melbourne, die Schulden nahmen zu, im November 1977 wurde es aus dem Linienverkehr zwischen Southampton und Australien sowie Neuseeland genommen und nach Ankunft in Auckland am 23. Dezember 1977 im neuseeländischen Timaru aufgelegt.

Foto: Jürgen Saupe

Es folgten weitere Verkäufe. 1978 an die Venture Cruise Line, das Schiff erhielt seinen alten Namen America zurück. Es wurde überholt, aber die Arbeiten bis zur ersten Abfahrt am 30. Juni 1978 nicht abgeschlossen. Im Innern sah es übel aus. Es kam zu Turbulenzen wie Überbuchungen und Beschwerden über die sanitären Einrichtungen und Ungeziefer an Bord. Die finanziellen Schulden waren enorm, die Reederei meldete Konkurs an.

Noch 1978 versteigerte ein US-amerikanisches Amtsgericht das Schiff für eine Mio. Dollar wieder an die Chandris-Gruppe, es hieß nun Italis. Der marode vordere Schornstein wurde als Teil eines nicht vollendeten Modernisierungsplans demontiert und das letzte dampfbetriebene Kreuzfahrtschiff mit seiner neuen Silhouette nach einem einmonatigem Chartereinsatz als Hotelschiff in Monrovia ab 28. Juli 1979 auf Mittelmeertouren eingesetzt.

Im Mai 1980 ging das Schiff an die Intercommerce Corporation in Panama, wurde in Noga umbenannt und sollte zum schwimmenden Gefängnis in Beirut werden. Dazu kam es nicht, das seit 12. September 1979 im griechischen Euleusis aufliegende Schiff war schrottreif. Im September 1984 erfolgte der Verkauf an Silvermoon Ferries und die Umbenennung in Alferdoss. Später brach ein Bilgenrohr, Wasser drang in den Rumpf, das Schiff wurde leergepumpt. Ende der 1980er Jahre erwarb ein Schrotthändler das Schiff für 2 Mio. Dollar und begann nach einer Anzahlung von 1 Mio. Dollar mit der Demonatage von Rettungsbooten und Davits, konnte jedoch die Restzahlung nicht erbringen und zog sich aus dem Deal zurück. Im Oktober 1992 erfolgte ein weiterer Verkauf mit der Absicht, das in American Star umbenannte Schiff vor der Phuket in Thailand als schwimmendes Hotel zu vertäuen, aber der ukrainische Schlepper verlor Ende 1993 seinen Anhang im Sturm auf dem Atlantik. Obwohl im Januar 1994 zwei Schlepper zur Assistenz gerufen wurden, gelang es nicht, den Anhang einzufangen und die Crew der American Star musste am 17. Januar 1994 per Helikopter abgeborgen und ihr Schiff manövrierunfähig vor der Insel Fuerteventura treibend zurückgelassen werden. Am Morgen des 18. Januar 1994 strandete es vor Playa de Garcy an der Westküste von Fuerteventura. Es wurde als Totalverlust registriert, der Natur überlassen und es kam zu Plünderungen.

Foto: Sammlung JSA

Ab 2005 war der Zerfall des Schiffes nach elf Jahren dramatisch, so dass es am 3. und 4. November zum Zusammenbruch Kollaps der Wrackteile kam. Alles sackte nach und nach in die Meerestiefe. Riesige Teile des Wracks und der letzte Wrackrest gingen unter. Es dauerte bis 2015, als von dem Schiff vor der Küste Fuerteventuras nichts mehr zu erkennen war. Das war das Ende von Amerikas Traumschiff.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer