Mit einem etwas ungewöhnlichen „Abgang“ machte 2013 das russische Fährschiff Georg Ots (IMO 7625835, 12.549 BRZ, Baujahr 1980) auf sich aufmerksam bzw. entschwand klammheimlich von der Bildfläche.
Die Georg Ots wurde am 23. April 1979 mit der Baunummer B 493-1/1 auf der polnischen Werft Stocznia Szczecińska in Stettin auf Kiel gelegt. Am 10. November 1979 erfolgte der Stapellauf. Das Schiff basierte auf der von 1980 bis 1986 hergestellten Baureihe von sieben Schiffen der so genannten Dmitriy-Shostakovich-Klasse, wurde jedoch weiterentwickelt und als Projekt B-493 Georg-Ots-Klasse bezeichnet. Statt des Autodecks wurden hier von vornherein Kabinen eingebaut. Nach Ablieferung am 25. Mai 1980 pendelte sie von 1980 bis 2000 auf der Ostsee zwischen Tallinn und Helsinki. 1986 wurde die Georg Ots während des Treffens des sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow mit dem US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan in Reykjavík als Hotelschiff genutzt.
Nach der Vereinigung der Vertriebsabteilungen von Tallink und der Estnischen Seereederei im Jahre 1992 fuhr sie unter dem Tallink-Logo. 1993 wurde die Georg Ots modernisiert und das bisherige untere Kabinendeck zum Transport von 150 Fahrzeugen umgebaut. 2002 wurde das Schiff an die russische Reederei Rosmorport verkauft, wobei es wieder seinen ursprünglichen – kyrillisch geschriebenen – Namen erhielt und bis 2010 auf der Strecke Kaliningrad-Sankt Petersburg eingesetzt wurde.
Jetzt begann der eigentlich spannende Teil des „Husarenstückes“.
Am 28.08.2010 hatte die Georg Ots ihren Heimathafen St. Petersburg verlassen und war publikumswirksam über die Nordostpassage nach Wladiwostok aufgebrochen. Aufgrund ihrer Eisklasse stand dem auch nichts im Wege. Sie sollte dort für die nächste Zeit stationiert und auf der Strecke Wladiwostok – Fushiki zum Einsatz kommen.
In Wladiwostok hat dann der Betreiber Rosmorport das Schiff offensichtlich für 2 Jahre an Technomarin LLC bareboat-verchartert. Hierzu sollte die Georg Ots in Zhoushan in die Asia Pacific Werft zum Überholen gehen. Der Charterer Technomarin LLC hatte dabei neben den reinen Betriebskosten auch die Kosten der Renovierung zu übernehmen.
Technomarine LLC wiederum hat das Schiff klammheimlich an ein chinesisches Unternehmen subverchartert, angeblich mit Absegnung durch den Schiffseigner.
Nachdem die Charterzahlungen ausblieben, haben die Russen nachgeforscht, wo denn ihr Schiff abgeblieben war. Dabei hat sich herausgestellt, dass der chinesische Sub-Charterer es Anfang 2014 mit gefälschten Papieren zum Abbruch verkauft, den Gewinn eingesteckt und sich damit zusammen mit dem Hauptcharterer auf Nimmerwiedersehen aus dem Staub gemacht hat. Und die Chinesen haben das sogar so geschickt und dreist gemacht, dass die Behörden noch nicht einmal merkten, dass das Schiff ihnen gar nicht gehört. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt, um herauszufinden, wer in der ganzen Sache Dreck am Stecken hat. Letztendlich ohne wirklichen Erfolg. Fragt sich der Außenstehende: Warum haben die Eigner nicht einen Inspektor in die Werft und an Bord geschickt, um nach dem Rechten zu sehen?
Jürgen Saupe