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HIN- UND HERGESCHOBEN

Die Ausonia war ein Passagierschiff der italienischen Reederei Adriatica di Navigazione. Später wurde es zum Kreuzfahrtschiff umgewandelt.

Manche Schiffe werden zu Stars, Passagiere finden sie populär. Andere Schiffe, die zu ähnlicher Zeit in Fahrt kommen, werden genutzt, steigern sich aber nicht zu Attraktionen. So ein Schiff war die Ausonia. Sie war ursprünglich ein Passagierschiff, auf der die Grün-Weiß-Rot-Flagge Italiens im Wind flatterte. Im Laufe ihrer Existenz hingen aber auch die Flaggen von Zypern, Griechenland, Panama, den Marshallinseln und den Inseln St. Kitts und Nevis an den Flaggenstöcken. Mehrere Verkäufe, Charterungen und Flaggenwechsel prägten den Dampfer, der es immerhin auf mehr als 65 Jahre gebracht hatte.


Foto: Sammlung JSA

1955 hatten die Auftraggeber, die Reederei Adriatica di Navigazione SpA mit Sitz in Venedig, entschieden, ein anspruchsvolles Schiff bauen zu lassen, dass möglichst lange auf der Strecke von Triest über Alexandria nach Beirut und zurück fahren sollte. So hatte die Jungfernfahrt am 23. September 1957 begonnen, so malte man sich aus, dass es nun die feste Route sein sollte. Das Mittelmeer sollte sein Revier sein, das zog damals viele Menschen an.

So geschah es einige Jahre, aber man hatte in der Reederei die Zeitenwende nicht ausreichend beachtet. Mitte der 1950er Jahre konnte man sich noch kaum vorstellen, dass der Luftverkehr einmal derart boomen und zur größten Konkurrenz der Seefahrt werden würde. Das begann dann aber schon mächtig in den 1960er Jahren. Da war ein Umdenken notwendig, das wurde von den Verantwortlichen nicht immer geleistet.

Das Schiff mit der Baunummer 1821 wurde von der Bauwerft Cantieri Riuniti dell’Adriatico in Monfalcone nahe Triest erstellt. Am 5. August 1956 wurde die Ausonia auf Kiel gelegt und am 23. September 1957 von der Reederei übernommen. Sie war 159,26 Meter lang und 20,2 Meter breit. Der maximale Tiefgang lag bei 6,5 m, die Vermessung wurde 11879 BRT angegeben. Die Tragfähigkeit mit 3542 tdw.


Foto: Jürgen Saupe


Im Maschinenraum gab es zwei Adriatico-Getriebe-Dampfturbinen, die auf zwei Festpropeller arbeiteten. Die Maschinenleistung wurde mit 22 000 PS angegeben. Die Dienstgeschwindigkeit lag bei 20 Knoten (37 km/h), die Höchstgeschwindigkeit bei 25 kn. An Bord zugelassen wurden 181 Passagiere in der ersten Klasse, 118 Gäste in der zweiten und 230 in der Touristenklasse, die Besatzung bestand aus 215 Personen.

Wie Mitte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Schiffsreisen verliefen, das unterscheidet sich von heutigen Angeboten erheblich noch ganz anders. Damals gab es noch kaum Stabilisatoren, die Fahrt auf dem Schiff war sehr viel bewegter als heute. Man hatte noch zu bedenken, dass es zur Seekrankheit kommen könnte und sich deshalb darauf vorbereiten sollte. Es gab Vierbett-Kabinen, die mitunter nach Geschlechtern getrennt waren. Nicht in den besten Suiten, aber in der Touristenklasse auf jeden Fall. Es galten konservative Umgangsregeln. Mitunter wurden Eheleute auf ihr zugehöriges Geschlecht hingewiesen. Es gab meist nur einen Speisesaal, teilweise wurden nach Zeitangaben für Mitreisende der Zugang geöffnet. Die Bar war meistens ein kleiner Raum mit nur einem Tresen und keiner Fülle an Getränken. Und Unterhaltung fand keineswegs an allen Tagen statt.


Foto: Sammlung JSA

Der Reiseberichterstatter Klaus D. Hartel schrieb 1973 noch, dass die Zwölf-Tage-Reise im östlichen Mittelmeer umgerechnet 1380 Euro kostete, in der Touristenklasse bisweilen nur 340 Euro. Dort konnte man auch nicht immer die besten Betten erwarten, es gab noch Doppelkabinen mit Etagenbetten. Für Schiffsreisen mussten bei damaligen Durchschnittseinkommen beträchtliche Summen aufgebracht werden – heute sind Kreuzfahrten durchweg günstiger.

Kleinkinder waren nicht gern gesehen auf den Schiffen, die Gefahren waren zu groß, deshalb wurden Kinder bis zu fünf Jahren manchmal nicht zugelassen. Die Urlaubstour war nicht durchweg leger, heute werden Kinder auf den modernen Kreuzern umworben. Schiffsreisen für ältere Menschen – heute eine Selbstverständlichkeit – waren oft mühsam. Lästig war es für alle Passagiere, dass sie Hafengebühren zahlen mussten, die mal zehn, aber auch bis zu 80 D-Mark kosten konnten. Da mussten die Reisenden, die in den unteren Klassen mit dabei waren, schlucken. Dafür war das Bier günstig, 80 Pfennige für einen halben Liter. Mitunter war ein täglicher halber Liter Wein zur Mahlzeit bereits im Reisepreis eingeschlossen. Zum Abendessen wurde Etikette erwartet, Krawatte und Sakko waren selbstverständlich. Frauen zogen sich oft Cocktailkleider an.

Die Trinkgelder wurden meist als problematisch empfunden. Das Bordpersonal erwartete fünf Prozent, doch das hatte sich noch nicht überall herumgesprochen, weshalb das Personal schon mal hin und wieder etwas Druck machte. Was auf der Brücke nicht gern gesehen wurde, aber die Gehälter von Dienstleistenden waren gering. Das Trinkgeld sollte drei bis sieben Prozent des Kreuzfahrtpreises ausmachen. Das alles musste bedacht werden.


Foto: Sammlung JSA

Foto: Sammlung JSA

Die Ausonia war für ein Refit von 1978 bis 1979 an die italienische Werft Arsenal Triestine in San Marco verholt worden. Hier wurde sie umfassend auf den Einsatz zu Mittelmeer-Kreuzfahrten für Italia Crociere Internazionali vorbereitet. Die Passagierkapazität lag nun bei 690 Personen. 1984 gab es weitere Umbauarbeiten am Heck, dazu lag das Schiff einige Zeit in La Spezia.

Das Schiff wurde mehrfach hin- und hergeschoben. Bis 1979 war es für die Italia Crociere Internazional registriert, dann wurde es von der griechischen Reederei gechartert. 1983 wurde die Ausonia an die zur Grimaldi-SIOSA-Gruppe gehörende Reederei in Neapel verkauft. 1986 kam es abermals zu einer Renovierung in der Firma Fincantieri in Palermo. Dabei konnte die Passagierkapazität im Zuge von Umbauarbeiten im vorderen Teil der Aufbauten und auf den hinteren Decks wieder auf 750 Personen erhöht werden.

Foto: enapress.com

Die folgenden Besitzerwechsel brachten jedes Mal auch neue Namensgebungen mit sich. Am 5. Mai 1998 wurde das Schiff an die Louis Cruise Lines im zypriotischen Limassol verkauft. 1999 charterte der britische Kreuzfahrtanbieter First Choice Cruises die Ausonia. Im Mai 2006 erfolgte der Transfer der The Ausonia zur Iona Maritime Ltd im griechischen Piräus. Das Schiff wurde in Ivory umbenannt, am 5. Dezember erfolgte die Übergabe an die griechische Reederei Golden Star Cruises, die dem Schiff nach einem größeren Refit 2007 den Namen Aegean two gab, nun ging es weiter unter der Flagge Panamas. Bald darauf, im Juni 2009, wurde wieder mal umgeflaggt – das Schiff hatte nun seine Heimat auf den Marshallinseln.

2010 erhielt die globale Schifffahrt neue und strengere SOLAS-Regularien. Es ging vor allem um geänderte Brandschutzbestimmungen. Das war das Ende für die einstige Ausonia. Für 2 Millionen US-Dollar wurde sie am 13. Januar 2010 an einen indischen Abbrecher verhökert. Ihre Überführung zur Abwrackwerft bei Alang absolvierte sie unter dem Namen Winner 5. Am 3. März 2010 wurde das Schiff dort auf den Strand gesetzt.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer