Christine Fäth-Schubert, GF von kreuzfahrten.de, zu blauen Fahrten, Buchungen und Chancen in der Krise.
Wie ist bei Ihnen die Entwicklung der Buchungslage für dieses Jahr?
Die Flüsse laufen gut, Hochsee läuft verhalten an. Es wird auch etwas längerfristig für den Winter gebucht, das meiste ist aber kurzfristig. Derzeit müssen überall Abstriche gemacht werden….
Und für 2021?
Da liegen wir gut, auch Fernreisen werden wieder gebucht, wenn auch nicht so wie vor einem Jahr. Es ist schon verhaltener.
Ist ein Ende der Periode der Abwicklungen, Umbuchungen und Erstattungen in Sicht?
Diese Woche war es nochmal heftig mit Absagen – AIDA* hat alle Reisen abgesagt wie auch Costa Kreuzfahrten*. Und MSC bis auf zwei Schiffe im Mittelmeer ebenfalls.
Wie gut und schnell sind die Reedereien bei den Erstattungen, wie wird es gehandelt?
Die Einzigen, die völlig korrekt handeln, sind Phoenix Reisen. Phoenix hat sehr schnell reagiert – zum Beispiel beim frühzeitigen Absagen von Reisen wie nach Norwegen, da wird nicht bis zur letzten Minute gewartet. Bei Phoenix konnte man sicher sein, dass das Geld innerhalb der Zwei-Wochenfrist erstattet wurde, da hatten wir nie Probleme. Auch bei nicko cruises funktioniert es gut. Sonst ist es im Hochseebereich eine Katastrophe – das zieht sich durch die ganze Branche.
MSC erstattet 60-90 Tage nach dem Ende der gebuchten Reise, nach unseren Erfahrungen sind es aber etwa 100 Tage. Man kann zwar kostenfrei umbuchen, an der Erstattungspolitik, wenn es eine andere Reise ist, ändert sich leider nichts. Bei den anderen ist es ähnlich.
Geht es denn bei den amerikanischen Reedereien schneller?
Nein, das läuft genauso. Eigentlich bezahlen alle, es dauert halt.
Wie sind bei Ihnen die Erfahrungen mit der Akzeptanz der blauen Reisen, also der Reisen ohne Landausflüge?
Die meisten buchen kurzfristig. TUI Cruises hat von der Absage der ersten AIDA-Touren natürlich profitiert. Die Absage kam am Sonntagmittag, von Sonntagabend bis Montagmittag 14 Uhr haben wir die Kunden auf den Termin am selben Tag gebucht, und das, obwohl die Einschiffung nur bis 18 Uhr stattfand. Das war sportlich.
Wie sind die ersten Feedbacks?
Wir haben tatsächlich nur positives Feedback bekommen für die neuen Reisen.
Wie werden von Gästeseite aus die hygienischen Maßnahmen bewertet?
Die Hygiene auf Schiffen war ja schon immer besonders stark umgesetzt. Das bedeutet, Maske und Abstandsregelungen kamen jetzt nur noch dazu. Für den Rest ist es kaum anders als bei Auftreten des Norovirus.
Welche Schiffe werden jetzt besser gebucht, der Massenmarkt oder die Kleinen?
Die kleinen und die großen Schiffe haben ihre feste Klientel, da hat sich wenig geändert.
Und bei den Destinationen?
Wir gehen jetzt aktiv die Kunden an, die dieses Jahr noch eine Fernreise gebucht haben. Auch wenn diese Reisen derzeit noch nicht kostenfrei umgebucht werden können, möchten wir schon jetzt für den Fall des Falles Alternativen anbieten.
Was ist die persönlich Einschätzung zur Normalisierung und zum Wiederanfang?
Offen gesagt habe ich die blauen Reisen am Anfang nicht intensiv beworben, weil ich erst mal wissen wollte, ob das Konzept ankommt. Jetzt bin ich doch positiv überrascht. Trotz der kurzfristigen Routenänderung bei TUI Cruises von Norwegen weg, ist es den Kunden offensichtlich egal, wohin sie fahren, ob nach Norwegen, in die schwedische Schärenwelt oder nach Finnland. Spannend wird es im September, wenn die Reedereien die Wintersaison vorbereiten. Dann wird man wissen, ob zum Beispiel Dubai oder die Kanaren auf dem Programm stehen. Eigentlich ist jetzt die beste Zeit, um eine Kreuzfahrt zu machen – das Schiff ist leer.
Ihre persönlichen Tipps für Kreuzfahrten derzeit und allgemein?
Mir hatte persönlich das Konzept mit Hurtigruten sehr gut gefallen, die haben sich aber selber ins Aus geschossen. Wenn man jetzt etwas Außergewöhnliches machen möchte, dann wahrscheinlich eine Fahrt mit Hapag-Lloyd. Es ist ein gutes Programm, mit den Zodiacs Anlandungen zu machen und Land und Leute kennenzulernen.
Also wie Ponant in Frankreich.
Genau.
Und Ihre Favoriten?
Ich werde immer wieder nach meinem Lieblingsschiff gefragt. Ich habe keines. Jede Reederei hat etwas Besonderes. Die großen Schiffe bieten viele Möglichkeiten, vor allem für Kinder. Die Amerikaner sind außerordentlich kinderfreundlich. Aber auch die alte Mein Schiff Herz mag ich, weil sie so besondere Routen fährt wie auch die AIDAstella.
Also ist die Reisewahl für die Gäste besonders von den Destinationen abhängig?
Hundertprozentig. Ich würde jetzt natürlich mit einem Riesenschiff nicht in der Südsee fahren mögen, aber eine Woche Mittelmeer wäre ideal. Da kann man das Schiff auch genießen, ohne jetzt in jedem Hafen aussteigen zu müssen.
Welche Chancen kann diese Pandemie für die Kreuzfahrt bieten?
Ich hoffe, dass die Reedereien langsamer werden beim Bau neuer Schiffe. Kreuzfahrten müssen immer etwas Besonderes bleiben, in den letzten Jahren wurde aber vieles verramscht, besonders wegen der Überkapazitäten. Ich hätte mir gewünscht, dass das langsamer angegangen wird. Das kann zu Lasten der Kunden gehen, des Service, aber auch der Reisebüros.
Für uns ist es schwieriger, eine Reise für 399€ zu verkaufen, wenn im Katalog 1199€ steht. Als Konsequenz buchen die Leute immer weniger langfristig, weil alle auf die last-minute-Preise warten.
Ich würde mir wünschen, dass alle etwas daraus lernen. Ein bisschen weniger würde jedem guttun. Und das meine ich auch für uns. Unsere Branche kennt ja immer nur: höher, weiter, schneller. Jetzt hat bei uns ein Umdenken begonnen. Wir müssen nur die nächsten neun Monate gut überstehen.
*Anmerkung der Redaktion: AIDA Cruises und Costa Crociere pausieren ihre Reisen bis 30. September. Ausnahme bilden die Schiffe und Routen für die jeweiligen Re-Starts ab September. Bei Costa Crociere ist der Neubeginn nach der Pandemie-bedingten Unterbrechung vorerst nur für italienische Staatsbürger vorgesehen.