Das Sprichwort vom unverwüstlichen Kruppstahl spiegelte sich im langen Lebenslauf der ehemaligen Privatyacht „Orion“ wider. Die ehemals größte Privatmotoryacht der Welt, bis 1996 noch unter der langjährigen Reedereiflagge der Epirotiki Lines, die nach dem Zusammenschluss mit Sun Lines als Royal Olympia Cruises (ROC) firmierte, als Kreuzfahrtschiff „Argonaut“ im Einsatz, konnte bis 2002 dank ihrer soliden Bauausführung den Schneidbrennern entrinnen. Ein schier „unsterbliches“ Schiff mit Vergangenheit, so schien es. Jürgen Saupe machte sich Gedanken um den Werdegang dieses liebgewonnenen Veteranen.
Bis zum Spätsommer 2000 auf Kreuzfahrtkurs im Mittelmeer und im Roten Meer unter der Reedereiflagge von Memnon Cruises (meist in Charter des Bonner Seereisenveranstalters Phoenix), kam dann im Herbst 2001 doch das „Aus“ für den Veteranen. Die Nahost-Krise ließ die Buchungszahlen derart „in den Keller“ fallen, dass die Reederei aus finanziellen Gründen das Schiff aus der Fahrt nehmen musste.
Nach einigem Überlegen entschloss sich Memnon Cruises, der Regina Maris einen festen „Altersruhesitz“ als stationäres Hotel- und Restaurantschiff in Alexandria einzuräumen. Inmitten des historischen Viertels Alexandrias sollte ein Dauerliegeplatz für das Schiff geschaffen werden. An Bord sollten die „historischen Stätten“, wie zum Beispiel die Kommandobrücke und der Maschinenraum in Form eines maritimen Museums der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Beim Maschinenraum hatte man „Großes“ vor. Hier sollte oberhalb der Maschinenanlagen ein durchsichtiger Boden eingezogen werden, über dem eine Bar eingerichtet werden sollte, die den Barbesuchern so ständig den Blick nach unten in den Maschinenraum ermöglicht. Die Idee hierzu stammte wohl allem Anschein nach von der Mälardrottningen, einem stationären Hotel- und Restaurantschiff inmitten Stockholms Altstadt.
Nachdem in Sachen Regina Maris die bürokratischen Hürden (Schaffung und Genehmigung eines Liegeplatzes) genommen schienen, sorgte die Meldung eines Brokers unter den Beteiligten für Unruhe, wonach für den Oldie ein Käufer gesucht würde. Da es bei einem infrage kommenden Kaufinteressenten aufgrund der andauernden politischen Lage wohl nur um ein Abwrackunternehmen gehandelt haben dürfte, stand wohl außer Frage.
Rückblick
Am 27. Juli 1929 lieferte die seinerzeitige Friedrich Krupp Germaniawerft AG in Kiel die Dieselmotoryacht Orion an den Auftraggeber Julius Forstmann (in manchen Publikationen auch Julius Fleischmann genannt), einen der damals einflussreichsten amerikanischen Industriellen in New York, ab. Die Bauzeit betrug 16 Monate.
Mit der Ablieferung dieser damals größten Dieselmotoryacht der Welt hatte die Germaniawerft eine Bauserie von 18 großen Dieselmotoryachten über einen Zeitraum von knapp sechs Jahren abgeschlossen.
Die Werft gab seinerzeit folgende technischen Daten bekannt: Länge: 101,56 m, Breite: 14,17 m, Tiefgang: 4.88 m, Verdrängung: 3.560 ts, Vermessung: 3.097 BRT, Vertragsgeschwindigkeit: 15,5 Kn. Maschinenanlage: Zwei 8-Zylinder einfachwirkende Viertakt-Germaniawerft Diesel mit insgesamt 3.600 PS auf zwei Festpropeller wirkend. Klasse: Lloyds Register 100A1 für Yachten als Zweideckschiff mit durchlaufendem Hauptdeck und einer Back. Mit einer möglichen Bunkerkapazität von 490 Tonnen Brennstoff konnte ein maximaler Aktionsradius von fast 9.000 Seemeilen ermöglicht werden.
Die Yacht erhielt oberhalb der Wasserlinie eine vollständig glatt genietete Außenhaut und einen 1,10 Meter hohen Doppelboden. Mittels sechs wasserdichten Schotten wurden unter Hauptdeck so sieben wasserdichte Abteilungen geschaffen. Die ursprüngliche Besatzung bestand aus 11 Offizieren, 16 Unteroffizieren, 29 Matrosen, Stewards, Köchen, Wäschern, Schmierern, insgesamt 56 Personen.
Außer für den Eigner mit Familie wurden die Räumlichkeiten für die Unterbringung von 17 Gästen ausgelegt. Als Besonderheit erhielt das Schiff im vorderen Zwischendeck einen 6,7 x 4,5 Meter großen Innen-Pool, der allerdings von den späteren griechischen Eignern zugunsten von Passagierkabinen und einem kleinen Hospital geopfert wurde.
Interessant übrigens, dass die Vermessung der Yacht entsprechend den Auszügen aus Lloyd´s Register of Shipping über die Jahre fast gleich geblieben ist (rund 3.000 BRT). Lediglich in den 80er Jahren wurde das Schiff wohl korrekt vermessen und mit rund 4.000 BRT ausgewiesen.
Eine völlig andere Verwendung fand die Orion im 2. Weltkrieg. Am 13. November 1940 übernahm die US-Navy das Schiff und ließ es in Brooklyn, N.Y. bei Sullivan Drydock and Repair Co. zum Kanonenboot umbauen. Mit diesem Umbau erhielt die Orion auch einen neuen Namen: Vixen, sowie die strategische Bezeichnung PG-53.
Das Kanonenboot PG-53 überstand den Krieg unbeschadet, wurde am 24. Mai 1946 außer Dienst gestellt und schließlich am 21. Januar 1947 verkauft.
Die Nachkriegszeit muss für das Schiff leicht „bewegt“ gewesen sein, denn absolute Daten ließen sich kaum ermitteln. 1947, nach Umbau wieder zum Passagierschiff, wurde es als Vixen für die Pacific Cruise Line (Panama) in Fahrt gesetzt. 1950 erfolgte die Umbenennung in den ursprünglichen Namen Orion. 1954 wurden Kreuzfahrten ab Miami unter dem Eigner McCormick (Fraser) durchgeführt und im Herbst 1963 kaufte die griechische Kreuzfahrtreederei Epirotiki Lines das Schiff und ließ es im Februar 1964 nach Piraeus überführen. Hier wurde die Orion total umgebaut und erhielt eine komplett neue Inneneinrichtung. Als Kreuzfahrtschiff Argonaut fuhr sie ab 1965, meist im Mittelmeer, aber auch im Nordland und in der Karibik. Nach kurzer Aufliegezeit erfolgte 1995 der Verkauf an die ägyptische Reederei Memnon, zu deren Schiffsbestand hauptsächlich Nil-Kreuzfahrtschiffe zählten. Bei dem Deal half unterstützend der Bonner Reisenveranstalter Phoenix, der darauf hin die in Regina Maris umbenannte Argonaut mit in seine Orient-Kataloge aufnahm. Die Vermarktung erfolgte quasi exklusiv durch Phoenix, doch räumte man auf Wunsch des Reeders großzügig auch das Zubuchen von anderen, bei Mittelmeerreisen meist arabischen Gästen ein.
Ein Rundgang durch das Schiff
Über die Gangway betrat man eine völlig andere Kreuzfahrtwelt, weit entfernt von allem, was sich auch der erfahrene Reisende unter einem Kreuzfahrtschiff im üblichen Sinn vorstellte. Nostalgie prägte die ersten Eindrücke. Doch schnell fing einen dieses besondere Flair ein und ließ die Gedanken zurück blicken in eine vergangene Zeit, in der die Regina Maris unter ihrem ersten Namen Orion, mit allen modernen Features der damaligen Zeit ausgestattet, als größte und luxuriöseste Privatyacht der Welt galt. Von außen eher ein sehr kleines Schiff, nahm der Passagier beim Öffnen der Kabinentür doch wohltuend zur Kenntnis, dass die Größe der Kabine und auch der Grundriss sich im Vergleich zu größeren Kreuzfahrtschiffen der damaligen Zeit nicht zu verstecken brauchte.
Die Technik der Kommandobrücke
Ein Blick über das Equipment der Kommandobrücke schockierte denjenigen, der es gewohnt war, stets neueste Technik auf Kreuzfahrtschiffen vorzufinden. Gleichzeitig bewirkte dieses Sammelsurium von ältester und neuerer Technik auf der Brücke die Faszination des Betrachters. Das „neue“ Equipment, wie zum Beispiel ein GPS-Rechner im „Taschenformat“ verlor sich fast unter der voluminösen Alttechnik. Für den technisch Interessierten hier noch einige Hinweise: Selbststeuereinrichtung (Autopilot): Nicht vorhanden! Bugstrahlruder: Nicht vorhanden!, Verstellpropeller: Nicht vorhanden!, Fahrpult in den Brückennocken: Nicht vorhanden!, Radarbild mit Seekarte unterlegt: Nicht vorhanden!