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„Flusi“ feiert 70. Geburtstag: Aus Weserkahn wurde schwimmende Kirche auf der Elbe

Sie gehört neben dem Michel zu den beiden Hamburgensien in Sichtweite, die als Wahrzeichen der christlichen Seefahrt mehr als vertrauter Blickfang für die ankommenden und auslaufendem Fahrensleute im größten deutschen Seehafen sind, und u.a. auch in die alljährlichen Feierlichkeiten zum Hafengeburtstag eingebunden werden. Am 2. Adventssonntag konnte die seit 2006 im Binnenhaffen nahe der Speicherstadt und der Deichstraße liegende Hamburger Flussschifferkirche, liebevoll „Flusi“ genannt, mit einem Festgottesdienst und einem Konzert ihr 70jähriges Bestehen feiern.


Foto: Jens Meyer

Das 26 m lange und sieben Meter breite Schiff bietet 130 Sitzplätze, seit 1961 ist eine Pfeifenorgel an Bord. Ein Team von ehrenamtlichen Pastoren und Diakonen hält Gottesdienste ab, vollzieht Hochzeiten, Taufen und Konfirmationen.

Dazu können sie neben Mitgliedern ihrer aus Binnenschiffern und ihren Familien sowie in Hafennähe wohnenden Menschen bestehenden selbstständigen Gemeinde zunehmend auch Touristen begrüßen.

Auch für kulturelle Anlässe ist „Flusi“ gefragt: So finden Lesungen, Konzerte und Vorträge in Deutschlands einziger schwimmender Kirche statt, die außer zum jährlichen Hamburger Hafengeburtstag auch zum „Tag des offenen Denkmals“ und der „Nacht der Kirchen“ Flagge zeigt.


Foto: Jens Meyer

„Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen gehen“ – diesem Ausspruch von Johann Hinrich Wichern, der 1870 in Hamburg die Binnenschifferseelsorge einführte und die ersten Hafenmissionare auf Barkassen zu den Binnenschiffen im Hamburger Hafen schickte, fühlt sich die „Kirche auf dem Wasser“ bis heute verbunden. So ist eine Barkasse mit seinem Namen zweimal wöchentlich mit einem Team ehrenamtlicher Helfer und Diakone im Hafen unterwegs, das den Binnenschiffern und ihren Familien nach alter Tradition zur Begrüßung eine aktuelle Zeitung und einen Apfel mitbringt sowie Rat und vertrauliche Gespräche bietet.

Die heutige Flussschifferkirche, die 1906 als Frachtkahn erbaut und bis in die Dreißigerjahre auf der Weser eingesetzt worden war, wurde zur Zeit des Dritten Reiches zu Kriegszwecken eingezogen. 1951 lag der alte Weserkahn in schlechtem Zustand in Bremerhaven. Sein neues Dasein in Hamburg begann mit einem Umbau im Auftrag der evangelisch-lutherischen Kirche nach den Plänen des Architekten Curt Erler.

Schon im August 1952 konnte das Richtfest des zukünftigen Kirchenschiffes gefeiert werden, am 7. Dezember des gleichen Jahres erfolgte die Weihung zur Kirche, die zunächst im Marktkanal auf der Vettel und später in der Billwerder Bucht im Stadtteil Rothenburgsort lag.

Seit sich die Kirche in Zeiten knapper Mittel aus der Finanzierung zurückzog ist man auf Spender und Ehrenamtliche angewiesen, um den Erhalt der schwimmenden Kirche samt Gemeindehaus-Ponton und Seelsorge-Barkasse zu sichern. Seit im Mai 2010 ein vier Meter hohes Ankerkreuz auf dem Dach des Gemeindehauses montiert wurde, ist das einzigartige Ensemble auch für Ortsfremde leichter zu finden. JPM