Links überspringen

„Mälardrottningen“, ein Hotelschiff mit Vergangenheit

Die Zahl der schwimmenden Hotels nimmt kontinuierlich zu. Bei näherem Hinsehen wird man allerdings feststellen, dass es sich bei den Neuzuwächsen hauptsächlich um schwimmende Pontons mit Hotelcontaineraufbauten handelt bzw. um Binnenschiffe, deren Reeder den Boom nutzen, um die Winter-Aufliegezeiten finanziell zu nutzen, in dem diese Kabinenschiffe als Hotelschiffe sowie als so genannte Asylantenunterkünfte Verwendung finden. Eine Ausnahmerolle nehmen die „echten“ Schiffe wie Hochsee-Kreuzfahrtschiffe, Yachten und Linienpassagierschiffe ein, deren ursprüngliche Verwendung aus vielerlei Gründen nicht mehr lukrativ war oder die durch Alterung und fehlender Klasse (dem Schiffs-TÜV) nicht mehr einsetzbar waren. Stellvertretend für diese Kategorie skizziert hier Jürgen Saupe den Lebenslauf der heutigen Mälardrottningen, einem kleinen aber feinen Hotelschiff im Herzen Stockholms.

Barbara Hutton, amerikanische Millionärstochter und bekannt geworden durch zahlreiche Affären sowie verbunden mit den Namen Woolworth und Gary Grant, erhielt, so wird es überliefert, zu ihrem 18. Geburtstag von „Daddy“ die Motoryacht Vanadis.

Gebaut 1924 auf der Friedr. Krupp Germaniawerft in Kiel unter der Baunummer 473 galt sie damals als weltgrößte Motoryacht, ausgerüstet mit zwei Krupp-Dieselmotoren. Vermessen mit 1527 BRT ist sie heute im Schiffsregister unter der IMO-Nr. 5125096 gelistet. Ursprünglicher Auftraggeber der Motoryacht war die C.K.G. Billings (Billings war Vorsitzender des New York Yacht Club). Billings Vater gründete die Firma „Peoples Gas Light and Coke Company“, das Chicago mit Erdgas versorgte bevor die Elektrizität in die Großstädte kam.

Ähnlich wie Barbara Huttons Lebenslauf war auch der ihrer Yacht durchaus bewegt. Im Laufe der Jahre wechselte sie häufig den Besitzer und ebenso häufig auch den Schiffsnamen:

  • 1926. Verkauft an H. Williams, New York, USA. Umbenannt in Warrior. Auch Harrison Williams machte ein Vermögen in der Gas- und Elektrizitätsindustrie, gründete 1906 „American Gas & Electric Co“. Williams war sehr an Entdeckern interessiert und finanzierte viele Reisen. Nachdem er im Alter von 53 Jahren 11 Jahre lang Witwer gewesen war, heiratete er 1926 die 24 Jahre jüngere Mona Bush. Nach der Heirat begaben sie sich auf eine einjährige Flitterwochen-Kreuzfahrt mit der Warrior.
  • 1929. Verkauft an S.S. Whelan, New York, USA, der seinen Reichtum aus dem Tabakhandel gewann.
  • 1931. Verkauft an Harrison Williams, New York, USA.
  • 1936. Verkauft an Sandoma Gasoline Co., Los Angeles, USA.
  • 1937. Verkauft an Hektor Investment Holdings Co., Valletta, Malta.
  • 1938. Umbenannt in Vanadis
  • 1939. Verkauft an Wilbur W. Woods, Princeton. Chef Frank Woolworth baute ein großes Vermögen auf über die Ladenkette Woolworth’s. Tochter Barbara Hutton ist wahrscheinlich am bekanntesten als „armes reiches Mädchen“. Der Vater hatte sich mit dem Aufbau des Geschäftes befasst und Tochter Barbara demzufolge großgezogen von ihren Großeltern und in Internaten. Barbara Hutton wurde von Ende der 1920er bis in die 1970er Jahre von den Medien der Welt „beobachtet“. In ihrer Blütezeit lebte sie ein luxuriöses Leben mit einem großen Personalstab. Sie hatte mehrere Häuser in Europa, eines in Mexiko und eines in Tanger. Hutton war sieben Mal verheiratet mit mehreren berühmten „Playboys“, von denen einer der Schauspieler Cary Grant war. Barbara Hutton starb 1979 in einem Hotel in Los Angeles.
  • 1940. Verkauft an die Royal Navy. Umbenennung in HMS Troubadour.
  • 1940 – 1942. Einsatz als U-Boot-Abwehrschiff.
  • 1942 – 1947. Verwendung als Wohnschiff.
  • 1947. Verkauft an die Regierung von Panama. Umbenennung in Troubadour.
  • 1948. Verkauf an Drødrene Lothe A/S, Haugesund, Norwegen. Umbenannt in King. Im November 1948 weiterverkauft an A/S Larvik-Frederikshavnferjen, Larvik, Norwegen.
  • 1949. Umbenennung in Cort Adeler und für 2 Millionen NOK umgebaut in der Werkstatt der Brüder Christensen in Greåker außerhalb von Sarpsborg.
  • 1950. Einsatz ab März im Verkehr zusammen mit der Peter Wessel zwischen Larvik und Frederikshavn. Es war der einzige Sommer, in dem das Schiff die Linie bediente. Danach mit verschiedenen Reedereien im Mittelmeer sowie der Ostsee.
  • 1950. Verwendung als schwimmendes Hotel in Oslo ab September.
  • 1952. Im Frühjahr vom skandinavischen Eigner für Kreuzfahrten nach Island und Grönland kurzzeitig verchartert.
  • 1952. Eingesetzt zwischen Stockholm und Turku während der Olympischen Spiele in Helsinki. Das Schiff fuhr jeden zweiten Tag von Stockholm um 17.00 Uhr nach Ankunft in Turku um 08.00 Uhr. Zurück ging es um 17.00 Uhr nach Stockholm, Ankunft dort um 08.00 Uhr.
  • 1952. Einsatz ab August zwischen Helsingborg und Aarhus.
  • 1953. Einsatz zunächst zwischen Helsingborg – Kopenhagen. Im Herbst 1953 nach einem schweren Maschinenschaden als Restaurantschiff für Tuborg, bevor sie verkauft wurde.
  • 1953 – 1954. Einbau neuer Maschinen.
  • 1954. Von Juni bis August wieder in Fahrt zwischen Helsingborg – Aarhus.
  • 1954. Verkauft an A/S Brandbåtarna, Ålesund, Norwegen. Umbenennung in Brand VI. Die Reederei hatte ihre Hauptsaison in den Sommermonaten, als der Touristenverkehr entlang der norwegischen Küste begann. Versuche, im Winter auch auf das Mittelmeer auszuweichen, erwiesen sich jedoch als Verlustbringer.
  • 1959. Übernahme durch Mogens & Reksten A/S, Oslo, Norwegen.
  • 1960. Umbenennung in Marina, Vercharterung an eine unbekannte schwedische Reederei für den Verkehr zwischen Kopenhagen, Malmö und Travemünde, aber auch dieser Dienst musste nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden.
  • 1960. Im November an Unge Sjømenns Kristlige Förening, Stavanger, Norwegen verkauft. Umbenannt in Gann.
  • 1978. Verkauft an Simon Møkster, Stavanger, Norwegen. Umbenannt in Vikingfjord. Aufgelegt in Idsal, außerhalb von Stavanger.
  • 1980. Im Sommer verlegt nach Sølyst, einem kleineren Hafen bei Stavanger, direkt vor dem Bürogebäude des Eigentümers. Die Reederei plante, das Schiff zum Mini-Kreuzfahrtschiff umzubauen, doch auch dieses Vorhaben schlug fehl. Stattdessen war das Schiff zahlreichen Diebstählen ausgesetzt. Unter anderem wurden das Schiffssteuerrad, die Maschinentelegrafen des Schiffes (auf der Brücke und im Maschinenraum) gestohlen. Einrichtungsgegenstände und Navigationsinstrumente wurden zerstört. Der Inhalt der Feuerlöscheinrichtung wurde über im gesamten Innenraum entleert. Die Diebe versuchten sogar die Ventile des Schiffes zu öffnen, jedoch ohne Erfolg.
  • 1980. Im Spätherbst lag sie für eine Woche bei Rosenberg Verft in Stavanger, wo sie vom Ober- bis zum Unterdeck gereinigt wurde. Danach wurde das Schiff zu den Sundal-Werken in Årdal geschleppt, um als Wohnschiff zu dienen.
  • 1981. Verkauft an Sten Perssons Gemälde AB, Iggesund. Umbenannt in Lady Hutton.
  • 1982. Verkauft an Båtell AB, Stockholm. Als Hotel- und Restaurantschiff Mälardrottningen aufgelegt in Riddarholmen, Stockholm.
  • 1983. Verkauft von Båtell AB, Stockholm an Båtell Mälardrottningen AB & Co K/B, Stockholm.
  • 1994. Verkauft an Restaurang AB Catten, Stockholm.
  • 1999. Verkauft an Gastronomi Services GT AB, Stockholm.
  • 2004. Verkauft an Mälardrottning Hotell & Restaurang AB, Stockholm.
  • 2009. Verkauf an die Mälardrottningen Holding AB, Stockholm.

Aktuelle Nutzung

Der Umbau und Umbau zu einem Hotel für Geschäftsreisende und einem Restaurantschiff begann 1980 und wurde 1982 abgeschlossen. Die meisten Zimmer oder Kabinen sind vergleichsweise klein. Das Schiff verfügt über Tagungseinrichtungen für bis zu 20 Personen und eine finnische Sauna. Seit 1982 liegt nun die Mälardrottningen vertäut am Kai der Halbinsel Riddarholmen mitten im Herzen der schwedischen Metropole Stockholm. Für Übernachtungsgäste gibt es 61 Kabinen sowie eine Suite für den Schiffseigner. Nicht nur für Passagiere (pardon Hotelgäste) sondern auch für die Allgemeinheit stehen Restaurant, Bar und Konferenzräume zur Verfügung. Im Sommer ist auf dem Vordeck auch ein Grillrestaurant eingerichtet. Besonders hervorzuheben ist die in der ehemaligen Kommandobrücke untergebrachte Nachtbar und die Mittschiffs-Bar mit Glasboden. Der Clou: man sitzt direkt über der Maschine und hat beim Drink vollen Ausblick auf den darunter gelegenen Maschinenraum des Schiffes.

Von außen betrachtet wirkt die Mälardrottningen besonders nachts so, als wolle sie jede Minute die Leinen loswerfen. Bei solch nächtlichem romantischen Anblick stört es wohl niemand, dass am Heck der Schiffsname Lady Hutton zu lesen ist und nicht Mälardrottningen, wie am Bug.

Fotos: Sammlung JSA