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Phoenix investiert weiter in die Amera für den Neustart

Die Amera vom Bonner Veranstalter Phoenix Reisen liegt derzeit, wie der Großteil der Kreuzfahrtschiffe, beschäftigungslos auf. Das jüngste Mitglied der Flotte mit der charakteristischen türkisfarbenen Bauchbinde hat bereits im vergangenen Jahr nach frühzeitigem Abbruch seiner Weltreise bei der Emder Werft und Dock GmbH in Ostfriesland festgemacht. Hier wird das Kreuzfahrtschiff, Baujahr 1988, fit gemacht für den Neustart – in Pandemiezeiten. Christoph Assies hat sich an Bord umgesehen.

Phoenix Reisen investiert in der Krise kräftig in die Flotte – und das, obwohl pro Schiff monatliche Betriebskosten von rund 750.000 Euro auflaufen. Allein für die Amadea, das aktuelle ZDF-Traumschiff, sind 20 Millionen Euro veranschlagt. Sie liegt, wie die Artania, in Bremerhaven und wird auf eine ohnehin geplante 80-tägige Werft-Zeit im September vorbereitet, bei der auch die Motoren ausgetauscht werden. Auf der Amera in Emden ist Senior-Fleet-Architekt Benjamin Drechsel regelmäßig für zwei Tage in der Woche und beaufsichtigt die vielfältigen Arbeiten, die auf dem erst im Juli 2019 in die Phoenix-Flotte integrierten Schiff erledigt werden. Drei Millionen Euro werden jetzt an Bord investiert. Mit 40 Millionen Euro schlug bereits der Umbau von der Prinsendam zur Amera zu Buche. „Wir haben leider nur gut ein halbes Jahr den Echtbetrieb auf der Amera gehabt, dann kam Corona“, erklärt Drechsel, der ein siebenköpfiges Team im Fleet-Management von Phoenix in Hamburg leitet. Der 35-Jährige begleitet das Schiff schon seit den ersten Verhandlungen mit Holland America Line, hat die Amera mit Kollegen Anfang 2018 in Miami als Prinsendam erstmals in Augenschein genommen und später den gesamten Hotel-Umbau hin zum Phoenix-Standard geleitet. „Ich bin eigentlich für all die Dinge zuständig, die der Gast dann sieht“, beschreibt der Hamburger sein Aufgabengebiet.

Foto: Christoph Assies

Aktuell ist auf der Amera, die auf der Wärtsilä Marine Perno Werft (heute Meyer Turku) im finnischen Turku als Royal Viking Sun gebaut wurde, eine 130-köpfige Crew an Bord. Hinzukommen am Tag etwa 50 Mitarbeiter von der Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement, die die Phoenix-Schiffe nautisch betreut, von Fremdfirmen, dem Bonner Veranstalter selbst und der Werft EWD. „Bei einem Schiff aus den 1980er Jahren gibt es immer etwas zu tun“, betont Drechsel. Zum Beispiel müssten, so banal es zunächst klinge, regelmäßig alle Wasserhähne und Duschen aufgedreht und Toilettenspülungen betätigt werden. „Das System ist nicht dafür ausgelegt, dass es ein Jahr lang ruht. Damit die Leitungen nicht verkalken, müssen sie regelmäßig gespült werden“, so der Architekt. Ebenfalls eine kuriose, aber notwendige Arbeit: Möbel müssen in den öffentlichen Bereichen regelmäßig verrückt werden, damit sie keine Abdrücke in den Teppichen verursachen.

Beim Streifzug über die Decks der Amera sind Bars, Restaurants und die Rezeption dunkel. Besonders eindrucksvoll: Die verwaiste Main-Galley (Hauptküche). Dieser Ort an Bord schläft normalerweise nie. Jetzt sind die Geräte und Arbeitsflächen blank poliert. Kein reges Treiben, keine Gerüche von verschiedenen Speisen in der Luft, stattdessen: Leere und Ruhe, die an dieser Stelle an Bord besonders bedrückend ist.

In den öffentlichen Bereichen klebt Schutzfolie die Laufwege auf den Teppichen ab. In der speziell in den Abendstunden während einer Kreuzfahrt so beliebten „Harry’s Bar“ stehen Stühle gestapelt, ein paar Meter weiter sogar Betten und andere Kabinenmöbel. Das Spezialitätenrestaurant „Pichler’s“ sieht gar wie ein Möbellager aus. „Die Möbel sind hier zwischengelagert, weil wir in einigen Kabinen an den Lüftungsschächten und den Decken arbeiten und somit den Platz brauchen“, erklärt Benjamin Drechsel.

In der gemütlichen und noch weitgehend im Original-Zustand aus Prinsendam-Zeiten erhaltenen Panorama-Lounge am Bug oberhalb der Brücke sind die Sessel und Tische mit weißen Laken abgehangen, die Bar ist verwaist. Hier und in allen anderen Bereichen wird regelmäßig gesaugt, Staub gewischt und der Teppich shampooniert. Alles wird so gepflegt, damit die Crew theoretisch jederzeit die nächsten Passagiere begrüßen könnte. Das dauert aber wohl noch. Speziell für Kreuzfahrten ab Deutschland gibt es derzeit weiterhin keine Perspektive. An die für Phoenix typischen und beliebten Weltreisen zu exotischen Zielen auf der Welt ist derzeit nicht wirklich zu denken.

Benjamin Drechsel, Foto: Christoph Assies

An Bord der Amera an der Pier der Emder Werft laufen die Arbeiten so wahrscheinlich noch einige Monate weiter. Dem Schiff wird es guttun, davon ist Flotten-Architekt Benjamin Drechsel überzeugt. Derzeit werden viele Stahlarbeiten an Rumpf und Aufbauten der Amera erledigt, aber auch Fenster getauscht, die unter dem Vorbesitzer Holland America durch die Salz-Luft auf See etwas blind wurden. An diesem Tag sind Mitarbeiter einer Spezialfirma mit der Außenversiegelung von neuen Fenstern an der Steuerbordseite der Atlantik-Showlounge beschäftigt. In den kommenden Wochen folgen neue Fenster an der Backbordseite. Am Heck-Pool, der Amera-Terrasse, und auf dem vorderen Sonnendeck wird die Decksbeplankung erneuert. „Zusätzlich erneuern wir gerade mehr als 2000 Meter Teakholz-Handläufe an Deck und machen viele Dinge, die der Gast so nicht direkt sieht“, erklärt der Architekt, während er in unmittelbarer Nähe der provisorisch auf dem Oberdeck unterhalb des Schornsteins eingerichteten Bordwerkstatt die Schleifarbeiten an einem Teil der Reling inspiziert. Auf der Amera wird an vielen Stellen gewerkelt. Man bekommt den Eindruck, dass alle Beteiligten mit Enthusiasmus daran arbeiten „ihr Schiff“ in der aktuellen Situation noch schöner für die Passagiere zu machen.

Phoenix stellt sich dabei auch schon auf einen Umgang mit dem Virus ein. Dafür wurden sämtliche Klimaanlagen auf der Amera und den übrigen Schiffen, aufgearbeitet. „Speziell hier auf der Amera haben wir bei den Klimaanlagen am meisten gemacht, weil wir das Schiff auch noch nicht so lange in der Hand haben“, erklärt Drechsel. Konkret sind in allen 42 Lüftungsanlagen neue sogenannte H7-Filter eingebaut worden. Darunter bisher auch in mehr als 40 der insgesamt 425 Kabinen an Bord. Diese Schwebstofffilter entfernen Bakterien, Viren, Pollen und auch Aerosole aus der Atmosphäre. Zusätzlich sind in allen Aufzügen an Bord der Amera neue UVC-Lichtanlagen installiert worden. „Durch das Bestrahlen mit Ultraviolettstrahlung werden Bakterien abgetötet“, erklärt Drechsel. Künftig werde man an Bord der Phoenix-Schiffe vorerst die Aufzüge nur mit den Mitreisenden der eigenen Kabine nutzen dürfen.

Das Bordhospital hat einen eigenen Klimaanlagenkreislauf bekommen, sodass bei der Aufnahme von infizierten Passagieren bei einer Quarantäne gewährleistet ist, dass mit Viren belastete Luft durch die Klimaanlage nicht in andere Bereiche des Schiffes gelangt.

Seit Februar an Bord der Amera ist Hoteldirektor Andreas Vespermann, der nach eigenen Angaben in der Werft-Zeit „so etwas, wie der Hausmeister an Bord“ ist. Vespermann wird unter anderem unterstützt von einem Küchenchef, der für die Verpflegung der Crew im Lido-Restaurant zuständig ist, sowie von einer Hausdame und einem Purser. Gemeinsam mit Drechsel werden weitere Arbeiten im Hotelbereich des Schiffes koordiniert. Verspermann, der seit 21 Jahren in der Kreuzfahrtbranche arbeitet, unter anderem für die Reederei Peter Deilmann auf der Deutschland fuhr, glaubt nicht an einen Neustart der Hochseeflotte noch im Mai oder Juni. „Wir müssen uns einfach weiter motivieren, ich bin kein Pessimist, aber es gibt derzeit noch sehr viele Unsicherheiten in diversen Ländern, die einen Neustart für uns noch nicht möglich machen“, meint der Hoteldirektor. Er sei mit vielen Gästen, davon bei Phoenix traditionell viele Stammgäste, regelmäßig in Kontakt und erlebe sehr viel Vorfreude und mentale Unterstützung. „Wir alle sind satt von der Situation und könnten theoretisch innerhalb weniger Stunden ablegen, aber wir werden uns wohl noch etwas gedulden müssen“, sagt Vespermann. Er freue sich, wenn er endlich wieder seine Uniform anziehen könne. Wenn es soweit ist, wird die Amera für die Passagiere gut vorbereitet für neue Kreuzfahrt-Erlebnisse sein, daran wird in Emden gearbeitet.