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Wende in der Schiffbaupolitik gefordert: 10.000 Schiffe bis 2035 aus Europa!

Damit Europa im maritimen Bereich sicher und stark bleibt, zügig klimaneutral wird und seine maritim-industriellen Fähigkeiten erhalten und entwickeln kann, hat der in Hamburg ansässige Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (VSM) gemeinsam mit seinen europäischen Partnern bei SEA Europe einen ambitionierten Plan für eine 180-Grade-Wende in der europäischen Schiffbaupolitik vorgelegt.

Dieser sieht neben entsprechenden Rahmenbedingungen der EU auch eine Beteiligung der Industrie durch Investitionen in Höhe von 10 Mrd. € vor, um das Ziel zum Bau von 10 000 Schiffen bis 2035 zu erreichen.

VSM-Geschäftsführer Dr. Reinhard Lüken (Foto: VSM)

Hintergrund ist die Dominanz vor allen der chinesischen Schiffbauindustrie, die sich inzwischen auch im Bereich von High-Tech-Schiffen wie Fähr- und Kreuzfahrtschiffen bis hin zu speziellen Expeditionskreuzern auf dem Vormarsch befindet. Selbst in den über vergleichsweise über eine nur geringe Schiffbauindustrie verfügenden USA, wird deshalb aktuell die Einführung höherer Hafengebühren für in China gebaute Schiffe diskutiert, was vor allem die Kunden der Werften des fernöstlichen Landes treffen würde. Während nach Angaben von US-Politikern Chinas Werften derzeit über Kapazitäten zum Bau von mehr als 1.000 seegehenden Schiffen p.a. verfügen, könnten US-Werften nur weniger als zehn Seeschiffe pro Jahr erstellen.

Zwar hatte die EU bereits 1998 ein Verbot von Subventionen im Schiffbau beschlossen, jedoch konnte dieses nur im Binnenmarkt umgesetzt werden. Nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen, internationale Handelsregeln für den Schiffbau zu etablieren, wollte die EU nun mit gutem Beispiel vorangehen und war sich sicher, andere würden bald folgen. Damals produzierte die europäische Schiffbauindustrie noch ca. fünfmal so viel Schiffstonnage wie China. Innerhalb von zwölf Jahren und unter Einsatz von mehr als 200 Mrd. € staatlicher Mittel wuchs die produzierte Tonnage in China von 1,1 Mio. CGT (gewichtete BRZ) auf über 20 Mio. CGT. Die Verhältnisse waren nun umgedreht: China verkaufte fünfmal mehr als Europa. Ausgehend von der Annahme, man müsse die Marktkräfte gewähren lassen, ergriff Europa keine Gegenmaßnahmen, um den für europäische Schiffbauer bedrohlichen Trend zu stoppen. Inzwischen sind weitere 15 Jahre vergangen. Heute entstehen in China rund 10-mal so viele Schiffe wie in Europa.

Dank hoher Innovationskraft ist es nach Angaben des VSM zwar rd. einem Drittel der Schiffbauindustrie Europas gelungen, in High-end-Nischen mit hohen technischen Eintrittsbarrieren zu überleben, doch sich im Schiffbau Skaleneffekte nicht nur nötig, um Kosten zu optimieren, sondern auch, um kritische Masse für eine florierende Forschungs- und Bildungslandschaft zu gewährleisten und eine vollständige, hochspezialisierte Wertschöpfungskette abzusichern.

Da ohne signifikantes Wachstum der heutige Zustand der Schiffbauindustrie in Europa nicht von Dauer sein wird, hat der europäische Schiffbauverband jetzt die ambitionierte Zielmarke von 10.000 Schiffe bis 2035 definiert. Die Zahl bezieht sich auf das gesamte Spektrum von See- und Binnenschiffen, Marineeinheiten und Großyachten und schließt auch für Klimaneutralität umgebaute und nachgerüstete Schiffe ein.

Eine maritime Industriestrategie für Europa ist überfällig. Wir wollen die riesigen Bedarfe in Europa decken und sind bereit, dafür viel zu investieren. Maritime Souveränität ist existenziell für Europa. Sie klappt aber nur, wenn man auch die dafür nötige Technik beherrscht, stetig weiterentwickelt und produzieren kann.“, so VSM-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Lüken, der darauf hinweist, dass die Erreichung der angestrebten Ziele auch davon abhängt, dass sie von der EU durch adäquate Rahmenbedingungen ermöglicht wird. JPM