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KOSTENGÜNSTIG AUF DEM WASSER

Die „easyCruise One“ war ein Schiff der griechischen Reederei EasyCruise mit Sitz in Athen, ab 2009 Tochter der Hellenic Seaways. Es war nicht das einzige Schiff, sondern eines von mehreren Schiffen, die nach dem gleichen Konzept betrieben wurden. Ihre Eigentümer hatten sich der Billigkreuzfahrt verschrieben.

Hauptsache billig! Das war so in der Zeit des Endes des Kalten Krieges, der neuen europäischen Ordnung durch die Aufgabe des Sozialismus. Aufbruch und Geld fehlten vielen Menschen, sie wollten aber nicht viel verlieren und es im Urlaub an Bord gefällig haben.

Da kam das Konzept des gebürtigen Griechen Sir Stelios Haji-Ioannou zutage, der 1994 von Grossbritannien aus beginnend mit der Billigfluggesellschaft easyJet die in London und Monaco ansässige Unternehmensgruppe EasyGroup gegründete und grosse Gewinne einheimste – bis heute. 2004 hatte er das Portfolio der Gruppe durch Gründung der Reederei EasyCruise um Billigkreuzfahrten erweitert, die mit ihren preiswerten Reiseangeboten Millionen Menschen anlockten. Immerhin hat er damit viele Menschen auf die Meere gebracht, durchweg zwar mit wenig Qualität, aber in einem geschickt zusammengebastelten System. Etwa wie ein Playmobilschiff, das man schnell übereinander setzen kann. So kann man Millionen verdienen. Zielgruppen waren zunächst jüngere Leute bis etwa 40 Jahre, aber danach nutzten auch ältere Zeitgenossen die kostengünstigen Reisen, sofern sie keinen Luxus brauchten.

Foto: Jens Meyer

Haji-Ionannou bediente das Fernweh der Menschen, vor allem jener, die zum Beispiel nie in die Mittelmeerregion hätten reisen können. Entweder aus Kostengründen, oder weil sie in ihren Ländern von Despoten gefangen gehalten wurden. Jüngere Menschen nutzen die Gemeinsamkeit in der Ferne gern zum Feiern. Das fand auf dem Schiff statt, aber mehr noch ausserhalb. Der Lebensrhythmus wurde umgedreht, Fahrt und Landgang getauscht. Tagsüber waren die Billigschiffe auf Fahrt, an den Abenden legten sie in romantischen Zielorten an, wie der italienischen Riviera oder der Côte d’Azur. Jeweils etwa eine Woche lang oder etwas mehr. Ostdeutsche zum Beispiel, denen von ihrer Regierung Wege gen Westen verboten worden waren, kamen nun nach Portofino oder San Remo, andere nach St. Tropez, Cannes oder Nizza. In jedem Hafen konnten die Interessenten zu- oder aussteigen, die Passagiere konnten selbst ihre Routenabschnitte zusammenstellen und die Länge der Reise bestimmen. In der warmen Zeit im Mittelmeer, in der kalten Zeit in der Karibik.

 

Foto: Jürgen Saupe

Mindestens zwei Nächte mussten gebucht werden. Es gab einen Shop an Bord. Auf dem Decksplan des Schiffes wird das Café Ritazza erwähnt, in diesem Raum gab es Frühstück. Auf Deck 5 befand sich ein Jacuzzi-Pool, der von 9 Uhr bis Mitternacht in Betrieb war, manchmal gab es hier Karaoke. Manchmal legte auch ein kanadischer DJ auf.

Die im April 2004 von easyCruise erworbene und in Singapur für den neuen Einsatzzweck umgebaute easyCruise One war 1990 von der italienischen Werft Cantiere Navale Ferrari S.p.A in La Spezia für Reanaissance Cruises als Renaissance Two erbaut worden. Das Schiff, das mehrfach Registrierung und Heimathafen gewechselt hatte und 1998 als The Neptune zu Glückspielkreuzfahrten in Malaysia eingesetzt worden war, wies bei einer Länge von 88,3 Metern und einer Breite von 15,30 m einen Tiefgang von max. 4 m auf. Das von zwei 12-Zylinder-MAN-B&W-Dieseln von zusammen 5040 kW angetriebene 4077 BRZ-Schiff erreichte über zwei Verstellpropeller eine Geschwindigkeit von 14,5 Knoten. Es verfügte über 74 Kabinen für zwei Personen, sieben Vierer-Kabinen und vier Suiten mit Balkon. Insgesamt 170 Passagiere hatten Platz, die Zahl der Besatzungsmitglieder wurde mit 54 angegeben. Das Schiff wurde im Oktober 2008 ausser Dienst gestellt und an die Platinum Yacht Management LLC in Dubai veräussert, wo es nach Umbenennung in Cruise One in Port Rashid aufgelegt und – nach fast 14 Jahren Aufliegezeit – 2022 abgewrackt.

Das Konzept der Billigschiffe war: Tagsüber waren sie auf dem Wasser unterwegs, jeden Abend legten sie an. Dann verliessen die Passagiere das Schiff bis in die frühen Morgenstunden, sie konnten sich in Bars, Clubs oder Lokalen aufhalten und an Unterhaltungen teilhaben. Schlafen war eher Nebensache, die Reisenden wurden in Mehrbettkabinen untergebracht. Die Nahrungsversorgung war bescheiden, und es gab Dienstleistungen wie z. B. die Kabinenreinigung die in Anspruch genommen werden konnten, aber – wie auch die Mahlzeiten – separat zu begleichen waren. Das erste Schiff dieser Art war die easyCruise One, die Anfang Mai 2005 den Betrieb aufnahm. Das war der Sommer der Fans des einfachen Lebens im westlichen wie östlichen Mittelmeer.

Ab 2006 wurde das Konzept sogar auf die Flusskreuzfahrtkreuzer übertragen, der Franchisenehmer nutzte es, indem er einen Flusskreuzer als easyCruise Two einsetzte. Menschen, die vermutlich nie auf Flüsse wie den Rhein oder andere Wasserwege nach Brüssel und Antwerpen, Amsterdam oder Rotterdam gekommen wären, lernten diese Städte auf Abendausgängen und in den Nächten kennen. Bis es in den frühen Morgenstunden weiter ging. Allerdings funktionierte der beliebte Betrieb nur ein Jahr lang, er musste aufgrund finanzieller Probleme des Franchisenehmers Boonstra River Line 2007 beendet werden. Das wurde als grosser Verlust bedauert.

Foot: Jens Meyer

Dieses zweite Schiff, die easyCruise Two, war ein in Lizenz betriebenes Flusskreuzfahrtschiff, das von der Reederei 2006 bis 2007 eingesetzt wurde. Das Einsatzkonzept war das gleiche wie das der Nummer eins. Das 1981 von der Husumer Schiffswerft erbaute Schiff war 80 Meter lang und 9,50 Meter breit, es war mit 415 BRT vermessen, der Tiefgang lag bei 1,50 m. Es erreichte eine Geschwindigkeit von 20 km/h und verfügte über 52 Kabinen für 100 Passagiere. Die Besatzungsstärke war mit 16 bis 18 Mann angegeben. Der Betrieb des Schiffes erfolgte 2006 durch die United Cruise Line im niederländischen Kampen und anschliessend bis zur Betriebseinstellung durch die ebenfalls in Kampen ansässige Fortuna BV. Es folgten einige Verkäufe und Namenswechsel, dann brannte das Schiff 2010 aus und wurde 2014 abgewrackt.

Das erste Seeschiff, die easyCruise One, war allerdings etwas ramponiert worden. 2008 entschied die Reederei, sie durch ein anderes Schiff zu ersetzen, das den Namen easyCruise Life erhielt. Dabei handelte es sich um das umgebaute Fährschiff Lev Tolstoy, das zwar älter war, aber rd. doppelt so viele Passagiere aufnehmen konnte wie der Vorgänger, nämlich rund 500. Für das 1981 in Stettin ursprünglich für die Black Sea Shipping Company erbaute 12709-BRZ-Schiff wurde das Konzept etwas variiert, blieb aber im Grund gleich. Immerhin war die Ausstattung etwas verbessert, der Standard erhoben worden. Das Schiff fuhr konsequent durch das östliche Mittelmeer, die Anlaufhäfen waren Piräus, Mykonos, Patmos, Kreta und Santorin, zudem Kusadasi in der Türkei. 2009 wurde die easyCruise Life veräussert. 2010 fuhr sie für Blue Ocean Cruises unter dem Namen Ocean Life in Indien, war ab 2011 in Piräus aufgelegt und traf am 15. August 2014 zum Abbruch in Aliaga ein.

Weil das Geschäft gut lief, überlegten die Bosse der Reederei, zwei weitere Schiffe einzusetzen. Es waren zwei Neubauten, die die griechische Nerlon-Werft auf der Kykladeninsel Syros bauen sollte mit der Option für zwei weitere Neubauten. Dieses Vorhaben wurde schliesslich komplett aufgegeben, obwohl der Vorvertrag für den ersten Neubau, die easyCruise Three, bereits unterzeichnet war. Es gab Turbulenzen.

Foto: enapress.com

Im August 2009 entschied Chef Haji-Ioannou, easyCruise an die Hellenic Seaways zu verkaufen. Die in der Passagier- und Frachtschifffahrt tätige Reederei wollte damit in das grosse Kreuzfahrtgeschäft einsteigen, Schiff und Marke unter Lizenz sollten weiter betrieben werden. Doch dann kam es zum Umschwung: Die Reederei veräusserte ihr letztes Schiff, der Betrieb wurde stillschweigend eingestellt.

Kreuzfahrten im Niedrigpreisbereich gibt es nach wie vor, sie sind aber nicht mehr so populär wie einst.

Roland Mischke, maritimes Lektorat: Jens Meyer