Links überspringen

Kreuzfahrt: Ist der Impfstatus bald egal?

Nach zwei Jahren Pandemie tut sich was. Die Zahl der Covid-19-Infektionen ist zwar weiterhin hoch und es gibt auch weiterhin fast täglich Todesfälle durch das Virus, doch der Umgang der Gesellschaft ändert sich. Nachdem in diesem Jahr auch die große Infektionswelle der Reiserückkehrer ausblieb, mehren sich die Zeichen für eine Lockerung der Reisebedingungen. Ein vollständiger Impfschutz mit zwei Impfungen plus Booster ist für Urlauber inzwischen nicht mehr überall erforderlich. Und auch in der Kreuzfahrt lockern sich die Rahmenbedingungen zusehends. So dürfen bei vielen US-Reedereien ab 6. September auch wieder ungeimpfte Passagiere an Bord.

Zuletzt haben Holland America Line und Celebrity Cruises nachgezogen und ebenfalls angekündigt, ihre Schiffe für Reisende ohne vollständigen Impfschutz wieder zu öffnen.

In Deutschland wird am 14. September in Kiel die Mein Schiff 6 als erstes Kreuzfahrtschiff ablegen, bei dem theoretisch auch Ungeimpfte mit an Bord dürfen. Allerdings mit hohen Auflagen. Dazu gehören tägliche Tests auf eigene Kosten. Aber theoretisch ist es auf der Eventkreuzfahrt mit der „Kelly Family“ möglich, die Kreuzfahrt auch ohne Impfschutz anzutreten. „Das ist eine Ausnahme“, heißt es bei TUI Cruises. Man habe das auf Wunsch der Organisatoren der Kelly Family-Reise ermöglicht. Im Umfeld der Fans dieser musikalischen Familie mit irischen Wurzeln werden viele Menschen erwartet, die den Impfungen skeptisch gegenüberstehen.

Wie geht es aber weiter? Inzwischen ist bei den großen Reedereien das Thema der Impfpflicht auf der Tagesordnung. „Wir beobachten die Entwicklung und werden dann entsprechend reagieren“, heißt es unisono.


Bordeigenes COVID-19 Testlabor auf einem Kreuzfahrtschiff. Foto: Frank Behling

Es scheint sich der Vorgang wie im Frühjahr bei der Maskenpflicht zu wiederholen. Nachdem bereits im April viele große US-Reedereien die Maskenpflicht an Bord ihrer Schiffe aufhoben, folgten Ende Mai auch TUI Cruises und AIDA. Zu skurril waren die Bilder. Während bei Ausflügen zum Beispiel in den Niederlanden, Großbritannien oder Schweden damals eigentlich in den Bussen Maskenpflicht herrschte, gab es in den Ländern selbst keine Maskenpflicht mehr. Die Busse deutscher Kreuzfahrttouristen waren sofort zu erkennen.

Beim Impfschutz ist die Lage jetzt ähnlich. Während in Ländern Asiens und des Persischen Golfs die Einreise zum Teil nur dann erlaubt ist, wenn ein vollständiger Impfschutz inklusive Booster vorliegt, ist in den USA oder Großbritannien bei der Einreise der Impfschutz inzwischen zweitrangig. Deshalb verweisen die Reedereien auch auf die Regeln in den Destinationen.

Und wie sehen es Virologen?

In Schleswig-Holstein ist die Lage in diesem Spätsommer komplett anders als vor einem Jahr. Im August 2021 schnellten die Infektionszahlen durch Reiserückkehrer nach den Sommerferien explosionsartig hoch. In diesem Jahr sind die Infektionszahlen auch Ende August im Sinkflug. In dem Tourismusland Schleswig-Holstein wurden am 26. August 2022 noch 1225 Neuinfektionen gemeldet, 295 Patienten sind mit einer Covid-19-Erkrankung in Krankenhäusern. Es sind aber nur noch elf Corona-Patienten im nördlichsten Bundesland in Beatmung. Zum Vergleich: Am 26. August 2021 waren 262 Neuinfektionen gemeldet – aber ebenfalls elf Patienten in Schleswig-Holstein in Beatmung. Die Lage habe sich nach dem Sommerhoch entspannt, so Professor Helmut Fickenscher. Nach der Kieler Woche gab es Anfang Juli in Schleswig-Holstein über 6000 Neuinfektionen pro Tag. Die Zahl der Patienten in Beatmung schwankte aber selbst da bei 10 bis 12.


Symbolfoto, Bild: Frank Behling

Professor Helmut Fickenscher, Leiter des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätskrankenhauses Schleswig-Holstein, sieht die Lage deshalb deutlich entspannter als vor einem Jahr. „Wir haben eine ganz andere Situation als 2021. Es gibt zwar auch wieder eine leichte Zunahme, die auf Reiserückkehrer zurückzuführen ist“, so Fickenscher.

Bei der Frage der Ungeimpften und Seereisen sieht er keine Probleme für die Infektionslage. „Die Reedereien haben ja alle Vorkehrungen getroffen. Es gibt im Fall von Infektionen an Bord spezielle Bereiche und eine Eingrenzung ist durch die Testmöglichkeiten jederzeit möglich.“, so Fickenscher.

Grundsätzlich hält der Virologe Wiederholungen der Fälle aus der Anfangszeit der Pandemie für nicht mehr möglich. Damals waren Schiffe mit infizierten Passagieren über die Meere gefahren und durften nirgendwo anlegen. „Heute ist die überwiegende Mehrheit der Passagiere mit einem vollständigen Impfschutz unterwegs. Das wirkt sich natürlich auch aus, falls es an Bord eine Infektion geben sollte“, so Fickenscher.  


Symbolfoto, Foto: Frank Behling

Als möglichen Zeitpunkt für die Streichung der vollständigen Impfung aus den Reisebedingungen bei den deutschen Reedereien wird inzwischen der Oktober für möglich gehalten. Spätestens dann liegen auch die Zahlen vor, die erkennen lassen, ob es mit Beginn der dunklen Jahreszeit wieder einen anderen Pandemieverlauf geben wird. Sollte der Verlauf so sein, wie aktuell, steht Lockerungen für Ungeimpfte nichts mehr im Wege.

Mit Blick auf die Ungeimpften ist auch der Kieler Virologe entspannt. „Wer sich nicht impfen lassen will, tut das inzwischen ja in dem vollen Bewusstsein aller Risiken und weniger aus einem Mangel an Informationen“, so Fickenscher.

Risiken lassen sich aber mit zusätzlichen Versicherungen abfedern – was ebenfalls ein Geschäftsmodell für Veranstalter darstellt. Zusatzversicherungen für die enormen Kosten bei einer medizinischen Behandlung oder einer Not-Ausschiffung auf einer Kreuzfahrt sind jetzt auch in den USA Teil der Buchung für Passagiere ohne Impfschutz. Einer Kreuzfahrt steht der fehlende Impfschutz dort nicht mehr im Wege.

Bei den Reedereien ist eine Erleichterung spürbar. „Eine neue Welt wartet auf uns, und ich freue mich sehr, dass alle wieder mit uns reisen können“, sagt Lisa Lutoff-Perlo, Präsidentin und Vorstand von Celebrity Cruises, und fügt hinzu: „Das Reisen feiert ein großes Comeback und wir hoffen von dieser positiven Entwicklung zu profitieren.“ FB