Nach der Pandemie sah es so aus, als ob China von der Weltkarte der Kreuzfahrt verschwinden würde. Die Reisebeschränkungen waren so streng, dass eigentlich keine Form des Seetourismus mehr möglich schien. Nun aber Rolle rückwärts. Shanghai soll zum großen Kreuzfahrt-Hub ausgebaut werden. 2025 rechnet man dort schon mit jährlich bis zu drei Millionen Passagieren.
Der im August von der Stadtverwaltung veröffentlichte Shanghai Action Plan for Promoting the High-Quality Development of the International Cruise Economy (2023-25) hat den Ausbau Shanghais zum Kreuzfahrtdrehkreuz bis 2035 zum Ziel. Dabei steht nicht nur der chinesische Kreuzfahrtmarkt im Fokus. Die Hafenstadt soll zu einem Kreuz für die Region werden.
Der Aktionsplan beinhaltet konkrete Ziele für den Bau eines großen Kreuzfahrthafens mit mehreren Liegeplätzen, so Zhu Min, Direktor der städtischen Handelskommission, während einer Pressekonferenz.
Unter den 20 im Aktionsplan präsentierten Maßnahmen steht die Ausweitung der Kreuzfahrt ganz oben auf der Liste, wobei der Schwerpunkt auf der Bündelung der Ressourcen durch Niederlassungen von chinesischen und auch internationalen Kreuzfahrtgesellschaften liegt. Neben der Carnival Cruise Line setzt besonders die Royal Caribbean Cruise Line große Hoffnungen auf China.
2024 soll mit der Adora Cruises das neue Kreuzfahrtunternehmen Chinas an den Start gehen. Es ist ein Joint-Venture chinesischer Partner mit der Carnival Cruise Corporation. Zusammen mit der Staatswerft CSSC wurde eine Kooperation geschlossen.

Vom 17. bis 24. Juli hat der Neubau Adora Magic City nun seine erste Probefahrt absolviert. Das Schiff ist der erste Bau eines modernen Kreuzfahrtschiffes in China. Im Rahmen einer Kooperation mit der italienischen Fincantieri-Werft darf die Shanghai Waigaoqiao Werft (SWS) die „Vista“-Klasse nachbauen. Die mit rund 2100 Kabinen ausgerüsteten Schiffe sollen laut Werft 5246 Passagiere befördern können.
Fünf Schiffe hatte Fincantieri zuvor für den US-Konzern Carnival gebaut. Davon waren ursprünglich die Costa Venezia und Costa Firenze für den Einsatz bei Costa Asia vorgesehen. Nun aber gehen diese beiden Schiffe in die Carnival-Flotte in die USA, wo ab 2024 alle fünf in Italien gebauten Vista-Schiffe eingesetzt werden.
Die Nummern sechs und sieben der Klasse wurden im Rahmen eines Joint-Ventures als Aufträge an die CSSC-Werft in Shanghai vergeben. Am 6. November 2018 wurden die Aufträge für zwei Schiffe unterzeichnet. Sie sollen den Einstieg der chinesischen Werften ins Kreuzfahrtgeschäft ebnen.
Seitdem das Verkehrsministerium in Peking im März nach einer dreijährigen Unterbrechung aufgrund der COVID-19-Pandemie einen Plan zur Wiederaufnahme internationaler Kreuzfahrten herausgab, hat Shanghai die Führung bei der Wiederaufnahme von Kreuzfahrten übernommen.
Die Folge der Freigabe war ein Buchungsschub. 300 Millionen Yuan (41,6 Millionen US-Dollar) an Ticketverkäufen wurden seitdem in China erzielt und mehr als 4000 Arbeitsplätze geschaffen. Offiziellen Statistiken zufolge wird es bis 2024 voraussichtlich rund 20000 zusätzliche Arbeitsplätze geben.

Der Schub ist so stark, dass inzwischen auch die Costa Mediterranea in Singapur eingetroffen ist. Am 8. August wurde das 2003 in Finnland gebaute Schiff nun für den Einsatz ab Herbst von Tianjin unter Adora-Flagge vorbereitet.
Die Adora Magic City soll noch 2023 ausgeliefert werden und zum chinesischen Neujahrsfest Anfang Februar ihre erste große Premiere haben. Es soll für Kurzreisen ab Shanghai eingesetzt werden. Durch die Angebote sieht man in China gute Perspektiven für Wachstum, da die zahlungskräftige Mittelschicht groß genug ist.
Internationale Erfahrungen hätten gezeigt, dass der Kreuzfahrtmarkt zu blühen beginnt, wenn das Pro-Kopf-Brutto-Inlandsprodukt 10000 US-Dollar übersteigt, sagte Zhang Jie, stellvertretender Direktor der städtischen Handelskommission.
In Shanghai hat das Pro-Kopf-BIP 25000 US-Dollar überschritten, was den Grundstein für die qualitativ hochwertige Entwicklung der Kreuzfahrtwirtschaft gelegt hat. Zum Vergleich in Deutschland lag das Pro-Kopf-Brutto-Inlandsprodukt 2022 bei 46182 Euro.
„Shanghai hat bereits vor der Pandemie eine gute Zusammenarbeit mit der internationalen Kreuzfahrtindustrie aufgebaut und man geht davon aus, dass weitere internationale Kreuzfahrtunternehmen ihre Rückkehr auf den chinesischen Markt beschleunigen werden“, sagte Zhang.
Neben der Abfertigung von Schiffen soll auch der „Aufbau unabhängiger Industrieketten beschleunigt werden und die Vorteile der China State Shipbuilding Corp voll ausgeschöpft werden“, so heißt es. Ob das eine weitere Bestellung von Schiffen der Vista-Klasse bedeutet, wird es ich vermutlich zeitnah zeigen. Vier Optionen dieser Klasse gibt es. FB