Über die Corona-Problematik, das Krisenmanagement und die Aussichten sprach Michael Wolf mit dem Geschäftsführer von Phoenix Reisen, Benjamin Krumpen.
MW: In wenigen Monaten hat sich die Kreuzfahrtwelt komplett geändert. Wann sind bei Phoenix Reisen die ersten Alarmsignale eingegangen?
BK: Etwa Mitte März haben wir verstanden, dass das etwas Längeres ist und nicht so schnell aus den Köpfen verschwinden wird.
MW: Was waren für Sie hierbei die wichtigsten und entscheidenden Entwicklungen?
BK: Am Anfang gingen viele davon aus, dass eine einfache „Grippe“ im Anmarsch ist, wie häufig im Winter. Wir haben da schnell reagiert, und die Hygienemaßnahmen bei den Hochseeschiffen wie bei jeder Grippe stark erhöht. (Die Saison für die Flussschiffe war da noch nicht eröffnet, Anm. d. Red.) Alle vier Schiffe waren zu diesem Zeitpunkt auf Weltreise. Eins war in Australien, eins in Asien, zwei in Südamerika. Wir hatten Glück bei der Routenplanung, da bestimmte betroffene Häfen in Asien wie Shanghai, Yokohama oder Hongkong nicht dabei waren. Die Schließungen der anderen Häfen schwappten sozusagen der Fahrt hinterher. In Südamerika hatten wir gehofft, davon verschont zu bleiben, aber Ende März war für uns klar, dass wir die Schiffe nach Hause bringen und uns um die Gäste kümmern mussten, die nicht mehr in den Urlaub fahren können.
MW: Wie haben Sie auf die Probleme reagiert?
BK: Wir haben schon immer ein vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Gästen gehabt und auch einen guten Konsens mit den Reisebüros. Also haben wir unsere Erreichbarkeit erhöht, so dass wir fast alle Fragen persönlich beantworten konnten. Unsere Homepage wurde fast im Stunden- oder Tages-Rhythmus aktualisiert. Auch die fahrenden Gäste sind sehr transparent informiert worden.
In etwa 50% der Fälle konnten wir die Kunden überzeugen, umzubuchen. Geleistete Zahlungen wickeln wir sehr schnell ab, wollen damit auch ein Zeichen setzen, dass die Gäste einen verlässlichen Partner für ihren Urlaub gewählt haben.
MW: Es gab also die Wahl zwischen Erstattung oder Gutschein?
BK: Exakt, die Gutscheine enthalten einen Mehrwert von etwa 10 Prozent und können für eine neue zukünftige Buchung eingelöst werden, aber auch nach einer Erstattung bieten wir bei erneuten Buchungen diesen Nachlass. Um die Anfragen bewältigen zu können, haben wir auch die Kollegen zum Beispiel aus dem Flug- oder Gruppeneinkauf, die jetzt weniger zu tu hatten, für diese Arbeit hinzugezogen. Das ist das Schöne an der Phoenix-Familie: Hier packt jeder mit an, um diese Krise zu bewältigen.
MW: Wie ist die Buchungslage für 2021?
BK: Die Umbuchungen stimmen uns sehr positiv. Viele haben sich dafür entschieden, ihre Fluss- oder Hochseereise weiterhin bei uns zu buchen.
MW: Ihre Prognose: Wann wird die Kreuzfahrt wieder losgehen, und wann bei Phoenix?
BK: Für eine Antwort, wann und wie es wieder beginnt, fehlt mir die Kristallkugel. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Flusskreuzfahrtmarkt etwas früher beginnen könnte mit Deutschland-Reisen, vielleicht auch Holland, Österreich oder Ungarn. Bei Hochseereisen können wir nicht davon ausgehen, im Juni wieder loszulegen.
MW: Was für Maßnahmen werden für zukünftige Reisen zum Schutz von Crew und Gästen getroffen?
BK: An den Konzepten arbeiten wir gegenwärtig. Es gibt Ideen, die Buffets zu reduzieren, die Essenssitzungen zu ändern oder die Crews in Einzelkabinen unterzubringen. Dabei sind wir auch abhängig von den Vorschriften in den verschiedenen Ländern.
MW: Was könnte man aus dieser Krise lernen?
BK: Erstmal muss man feststellen, dass auch eine extrem boomende Branche plötzlich sich mit einem Thema beschäftigen muss, mit dem kein Mensch gerechnet hat. Wir haben bei Phoenix immer gut gewirtschaftet, das gibt uns jetzt die Chance, diese Krise zu überstehen. Da sollte man anknüpfen, auf dem Boden der Tatsachen bleiben und nicht nur immer das Thema Wachstum forcieren. Was wir auch in der Vergangenheit immer besonnen angegangen sind. Das machen wir ja nicht nur für uns, sondern auch für die Crews, die uns mit ihren Familien z.B. in Indonesien oder auf den Philippinen seit vielen Jahren ans Herz gewachsen sind. Die wirtschaftliche Nahrungskette ist sehr umfangreich, das darf man nicht vergessen.
MW: Wie ist Ihre persönliche Einschätzung, wann es wieder weitergeht?
BK: Nach dem, was man liest und bedenkt, dass im Juni und auch danach bis August die meisten Veranstaltungen noch abgesagt sind, kann ich mir vorstellen, dass wir im Herbst wieder loslegen können. Das ist aber meine persönliche Meinung, es kann durchaus aus auch früher wieder beginnen. Aber es auch kann auch sein, dass es erst zu den Weihnachtsfahrten losgeht und wir eine komplette Saison verlieren.
MW: Und im Hochseebereich?
BK: Das kann genauso so sein, es kann früher beginnen, im worst case zu Weihnachten.
MW: Wie wird die KF nach Corona aussehen und ab wann wird alles so sein wie zuvor?
BK: Das ist schwer zu sagen. Banal gesagt: Kann man jeden impfen oder Medikamente bekommen, wird die Kreuzfahrt sehr schnell wieder da sein, wo sie vorher war. Aber das ist jetzt noch zu spekulativ.